Medienförderung auf österreichisch: Das Regierungsinserat.

Grafik: Michaela Köck / STANDARD

Sein Alter lässt sich nicht genau feststellen. Wo es erstmals in Österreich auftauchte, bleibt unklar, ebenso die Frage, ob es eingeschleppt wurde oder sich endemisch verbreitete. Fest steht: Es fühlte sich schnell heimisch, es blieb und vermehrte sich rasant. Häufig zu finden ist es in Blätterwäldern des Boulevards, für seinen Hunger ist es bekannt. Es verschlingt Millionen: das Regierungsinserat.

47 Millionen Euro verfütterte die Regierung allein 2020 an dieses nimmersatte Wesen und zog damit ein in modernen Demokratien einzigartiges Ungetüm groß. Dieses droht nun seine Kinder zu fressen: Im großzügigen Schalten von Inseraten dürften sich Obrigkeiten wohlwollende Berichterstattung erhofft haben und nach veröffentlichten Chatnachrichten über ein mancherorts allzu willfährig exekutiertes System gestolpert sein. Natürlich gilt für alle die Unschuldsvermutung.

Erstmals auffällig unter Faymann

Erstmals auffällig wurde die Methode, als unter dem Wohnbaustadtrat und späteren Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) Österreichs erste Gratiszeitung Heute mit Inseratenaufträgen in Millionenhöhe vortrefflich gedieh. Legendär auch später 2008 die Bestellung von Faymanns Kabinettschef Josef Ostermayer an ÖBB-Chef Martin Huber: "Ich brauche einige Millionen für den Werner."

Inseratendeals zwischen Österreich und dem Finanzministerium im Jahr 2017 sorgen aktuell für einen weiteren unappetitlichen Höhepunkt einer von Wissenschaftern längst als Korruption bezeichneten Praktik.

Was zählt, ist der Versuch

Wer zahlt, schafft an, und was zählt, ist der Versuch. Und wenn nichts zu erwarten war, wurde nicht gebucht, wie 2017 DER STANDARD erfuhr, als die neuen FPÖ-Minister sogleich Inserate strichen. Am meisten profitiert der Boulevard: Mehr als die Hälfte geht an Krone, Österreich und Heute. Traditionell am unteren Ende des Tropfs befinden sich Qualitätsmedien. An die Krone flossen 2020 8,4 Millionen Euro, an den STANDARD gingen 1,5 Millionen. Laut Medienhaus Wien gingen 2020 pro Leser 8,22 Euro an Österreich, 2,43 Euro pro Leser an den STANDARD.

Die Regierung ist Teil des Systems. Seit 2012 müssen öffentliche Stellen ihre Werbeausgaben regelmäßig veröffentlichen. 222 Millionen Euro läpperten sich 2020 zusammen, der Großteil landet auch hier im Boulevard. Medienförderung auf Österreichisch nennt man das.

Reformen werden seit Jahren versprochen. Vielleicht haben sie angesichts der aktuellen Ereignisse Chancen auf Verwirklichung. (Doris Priesching, 16.10.2021)