Eingesprungen: umjubelte Asmik Grigorian (li.) an der Wiener Staatsoper.

Foto: Staatsoper

Die Corona-Lage in der Wiener Staatsoper kennt Licht und Schatten. Einerseits darf man sich als Besucher seit Oktober endlich wieder von seinen Sitznachbarn ohne Maske anhusten lassen. Andererseits musste der Slowakische Philharmonische Chor seine Mitwirkung an der Aufführung von Eugen Onegin am Freitagvormittag aufgrund mehrerer Corona-Fälle kurzfristig absagen. Da traf es sich gut, dass man am Haus einen eigenen Chor beschäftigt, der das Werk draufhat und – souverän – einspringen konnte.

Die Inszenierung von Dmitri Tcherniakov, die letzten Oktober den Weg von Moskau nach Wien gefunden hat, ist zum Glück ziemlich übersichtlich. Es gibt einen hohen holzvertäfelten Raum à la Johannes Leiacker mit einer gigantischen Tafel, und aus. Der russische Regisseur und Einheitsbühnenbildner vermanscht hier unterschiedlichste soziale Schichten zu einer großen Familie, angetan mit feinsten Stoffen in einer Symphonie an Brauntönen. Schaut so superschön aus, wie es widersinnig ist.

Alle Ohren und auch ein paar Augen waren am Freitagabend aber auf Asmik Grigorian gerichtet, die als Einspringerin de luxe für die erkrankte Nicole Car ländliches Seelenleid auszudrücken hatte. Die Ausnahmesängerin, einst eine legendäre Salzburger Salome, zündete in der berühmten Briefszene den Stimmturbo, boostete die Tatjana mit einer stets edel ummantelten Durchschlagskraft ins hochdramatische Fach und durchlebte, durchbebte mit einer kampftrainierten Sarah-Jessica-Parker-Körperlichkeit ihre Liebesregungen. So schaut der verträumte, blasse Bücherwurm Tatjana in der Version 4.0 aus.

Das Staatsopernorchester agierte unter der Leitung des anstachelungsfreudigen Tomáš Hanus recht aufgeganselt und bot mal struppigen, mal glänzenden Streicherklang. Das ergab ein heterogenes Klangerlebnis. (Stefan Ender, 18.10.2021)