Schnelltests, Stäbchen und Kanülen – so heißen die Hohlnadeln für Spritzen – landen früher oder später in Müllverbrennungsanlagen.

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Wien – Angenommen, es gibt zwei identische Tücher. Mit einem putzt sich eine verschnupfte Studentin die Nase, ehe sie es bei sich zu Hause in den Mistkübel wirft. Mit dem anderen tupft eine Chirurgin Blut von einer Wunde der Patientin auf dem Operationstisch, ehe sie es wegwirft. Tuch ist nicht gleich Tuch, jedenfalls nicht in der Abfallwirtschaft. Im ersten Fall handelt es sich um Hausmüll, im zweiten um medizinischen Abfall. Und für den gelten viel strengere Regeln bei der Sammlung – und teilweise auch bei der Behandlung.

Neben stinknormalem Hausmüll produzierten Österreichs Krankenhäuser, Apotheken, Tierkliniken usw. 2019 etwas mehr als 47.000 Tonnen Medizinabfälle. Dazu gehört nicht nur "gefährlicher Müll", der innerhalb und außerhalb medizinischer Einrichtungen eine Gefahr darstellt. Also infektiöser Abfall, der mit gefährlichen Erregern kontaminiert ist. Mit fast 44.000 Tonnen sind Medizinabfälle aber vor allem solche, die nur in Krankenhäusern eine Infektions- oder Verletzungsgefahr bedeuten – wie zum Beispiel Kanülen, Tupfer, Einmalwäsche, Blutbeutel und andere Gegenstände, die im Kontakt mit Patienten zum Einsatz kommen.

Kaum Recycling

Auch wenn medizinische Abfälle nur einen Bruchteil des Jahr für Jahr in Österreich produzierten Mülls ausmachen: Aus kreislaufwirtschaftlicher Sicht gibt es Verbesserungsspielraum, recycelt werden jene nämlich kaum. Für die Entsorgung gelten strenge Vorgaben. Was nur innerhalb der Krankenanstalt gefährlich ist, muss in genau vorgegebenen Behältnissen gesammelt werden. Anschließend wird der Müll wie Restmüll behandelt, also meist verbrannt. Gefährliche Abfälle müssen nicht nur unter strengen Vorsichtsmaßnahmen gesammelt werden. Zugelassene Entsorgungsunternehmen müssen den Mist in eine zugelassene Verbrennungsanlage bringen – die einzige solche in Österreich steht in der Simmeringer Haide.

Die Folge ist jedenfalls, dass das Gros der Medizinabfälle den Wirtschaftskreislauf verlässt. Egal ob das Kanülen, mit Erregern behaftete Tücher oder Körperteile sind: Mehr als 90 Prozent der Medizinabfälle wandern in Verbrennungsanlagen. Von den jährlich rund 890 Tonnen an gefährlichen Abfällen in Österreichs medizinischen Einrichtungen werden zwei Drittel verbrannt und der Rest exportiert.

"Verschwendung"

Im Branchenkonzept des Österreichischen Abfallforums betont man, dass Krankenhausabfälle einen hohen Anteil an Kunststoffen haben, die aufgrund ihres hohen Heizwertes eine thermische Verwertung rechtfertigen. Karl Pölzlbauer, Geschäftsführer von Ermafa Environmental Technologies, kann sich über das Verheizen von Medizinabfällen aber fürchterlich aufregen. Verbrennung nennt er "hundsordinäre" Ressourcenvernichtung. "In den medizinischen Abfällen sind sehr teure und wertvolle Rohstoffe drin, die werden heute verbrannt", klagt er.

Pölzlbauers Unternehmen hat eine Maschine entwickelt, die Medizinabfälle mittels Vakuum und Dampf desinfiziert und gleichzeitig schreddert. So können infektiöse Abfälle in Hausmüll umgewandelt und theoretisch auch fürs Recycling gerettet werden, erklärt Pölzlbauer und klagt: In Österreich werde er die Maschine nicht los, weil trotz ihrer Zulassung von Bundesland zu Bundesland unterschiedlichste Zusatzzertifikate verlangt werden. Vorschrift ist hierzulande übrigens, dass mit gefährlichen Erregern behaftete Abfälle thermisch desinfiziert werden. Die Chemiekeule ist nur in Ausnahmen erlaubt.

Sterilisieren reicht nicht

Sterilisieren allein reicht freilich nicht, will man Medizinabfälle recyceln. Egal ob infektiös oder nicht: Damit aus Kanülen neue Kanülen und aus OP-Masken neue OP-Masken werden können, müssten sie auch sortenrein getrennt werden, was auch aufgrund der strengen Vorschriften meist nicht passiert.

Dabei ist besonders das Verbrennen gefährlicher Abfälle teuer. Laut Verband Österreichischer Entsorgungsbetriebe (Voeb) muss man mit Kosten von bis zu 1.900 Euro pro Tonne infektiösen Abfalls rechnen. Dazu kommen Kosten für Einwegbehälter für die Sammlung, das macht zusätzlich bis zu 500 Euro pro Tonne Mist.

Recycling noch besser

Es wäre viel billiger, den Müll mit seiner Maschine zu sterilisieren und dann herkömmlich zu entsorgen oder am besten zu recyceln, sagt Pölzlbauer. Es würden keine giftigen Filterkuchen wie bei der Verbrennung entstehen, und hygienisch sei die Prozedur auch. "Ich gehe zur Maschine ins Spital und nehme den Müll danach in den Mund", versichert er. Man könne Medizinabfälle fast vollständig recyceln, wenn man nur wollte. "Wenn etwas in festem Aggregatzustand ist, soll es fest bleiben."

Im medizinischen Betrieb geht es zuerst um die Sicherheit von Patienten und des Personals, erklärt Mariya Motova, Beauftragte für Abfall am Klinikum rechts der Isar der Technischen Universität München: "Hygiene hat Vorrang." Nach der Hygiene komme das Recycling. Wertstoffe wie Papier, Glas, Plastik und Metall würden stets recycelt, sofern sie nicht kontaminiert seien, versichert Motova. Der Ressourcenverbrauch lasse sich am besten durch Abfallvermeidung verringern, auch im Medizinsektor.

Schwarze Tonne

Das Österreichische Abfallforum empfiehlt Krankenhäusern etwa, beim Müllvermeiden in der Küche anzusetzen. Der Müll in Spitälern entsteht zu großen Teilen im Küchenbereich. Es lohne sich etwa, Verpackungsmüll zu vermeiden und auf recycelbare Materialien zu setzen. Im Spitalsalltag würden oft auch Abfälle in der schwarzen Tonne – so heißt das teure Einwegbehältnis für gefährliche Abfälle – landen, die gar nicht hineingehören. Auch hier können Spitäler ihr Müllmanagement verbessern, heißt es im Branchenkonzept. Eine weitere Empfehlung: Mehrweg- statt Einwegprodukte.

Einwegprodukte im Trend

Der Trend geht allerdings in die andere Richtung, in Krankenanstalten kommen immer mehr Einwegprodukte zum Einsatz, auch in Österreich. Auch wegen der Corona-Pandemie scheint der Berg an Medizinabfällen auf den ersten Blick zuzunehmen. Einwegschutzmasken am Wegrand gehören längst zur alltäglichen Verschmutzung der Umwelt. Allerdings sind Masken nicht automatisch Medizinabfälle. Wie auch bei Tüchern gilt: Es kommt darauf an, ob der Müll in medizinischen Einrichtungen und im Umgang mit Patienten anfällt. (Aloysius Widmann, 18.10.2021)