Musikdoku "The Velvet Underground" auf Apple TV+.

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Von Blues- und Country-Göttern, jeder Menge Rock-Haudegen bis zu den Geburtshelfern des Hip-Hop: An Musikdokus herrscht auf Streamingplattformen und sonst wo kein Mangel. Nur wenige warten aber mit mehr auf als zwischen Archivaufnahmen reingeschnittenen sprechenden Köpfen, die von den Freuden vergangener Tage erzählen.

Eine ganz wunderbare Ausnahme startete auf Apple TV+ (und ist auch im Wiener Filmcasino zu sehen): The Velvet Underground, Todd Haynes’ Film über die gleichnamige Band, der wenig kommerzieller Erfolg, aber ein umso nachhaltigerer Einfluss beschieden war.

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Im Gravitationsfeld von Andy Warhols Factory

Erzählt wird die Geschichte von Lou Reed, John Cale, Maureen Tucker und Sterling Morrison, die im Gravitationsfeld von Andy Warhols Factory in New York zusammenfinden, für kurze Zeit von der deutschen Sängerin Nico komplettiert werden und nach Umbesetzungen wieder eigene Wege gehen. Haynes, der schon mit seinen Spielfilmen Velvet Goldmine und I’m Not There kongeniale Zugänge zu Glam-Rock beziehungsweise Bob Dylan gefunden hat, fügt die Bandgeschichte wie ein Puzzle zusammen. Dabei erfährt man nicht nur, was John Cale am Brummen des Kühlschranks, dem "Klang der Zivilisation", schätzt.

So richtig den Zeitgeist New Yorks Mitte der 1960er-Jahre zum Vibrieren bringen die vielen eingewobenen Experimentalfilmschnipsel. Selten wurde die Split-Screen-Technik so betörend genutzt wie hier. Und nicht zufällig ist Haynes’ filmisches Kaleidoskop dem mit der Band befreundeten Avantgardefilmer Jonas Mekas gewidmet. Der bringt das damalige Selbstverständnis auf den Punkt: "Wir waren keine Gegenkultur, wir waren die Kultur." (Karl Gedlicka, 18.10.2021)