Ihre Arbeit wird von manchen noch immer belächelt. Dabei schafft sie die Voraussetzung dafür, dass alle gleiche Chancen am Arbeitsmarkt haben. Investitionen in ihre Berufsgruppe gehören zu den effektivsten Bildungsmaßnahmen. Dennoch fehlt es ihnen an guten Arbeitsbedingungen, fairer Bezahlung und einer politischen Lobby. In der letzten Woche gingen sie auf die Straße. Die Rede ist von Kindergärtnerinnen und Kindergärtnern. Ihre Anliegen verdienen unsere Aufmerksamkeit.

Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen gingen auf die Straße. Ihre Anliegen betreffen die ganze Gesellschaft.
Foto: APA/Hans Punz

Beginnen wir mit dem flächendeckenden Ausbau der Ganztagesbetreuung. Beinahe wäre dieser unter der Regierung Kern/ Mitterlehner umgesetzt worden. Wie wir aus den Chatprotokollen von Thomas Schmid nun wissen, torpedierte Sebastian Kurz dieses Vorhaben, denn die große Koalition und Parteifeind Mitterlehner durften keinen Erfolg verbuchen.

Das Wohlergehen von Familien, die Rechte von berufstätigen Müttern (und Vätern) und die Chancen von Kindern wurden für eine Intrige geopfert. Nichts hat mich bei der Lektüre der Chatprotokolle wütender gemacht. Diese Regierung schuldet uns nun die Umsetzung dieses Reformvorhabens. Doch es geht nicht nur um Öffnungszeiten, Kindergärten müssen mehr sein als bloße Aufbewahrungsanstalten. Die Proteste der Kindergartenpädagoginnen und -pädagogen sind nicht ungefähr: Kindergärten brauchen mehr Ressourcen und mehr gut ausgebildetes Personal, um Kinder im wichtigsten Entwicklungsstadium qualitätsvoll zu fördern.

Weltbeste Kindergärten

Derzeit gelingt es nicht, jedem Kind in unserem Land einen fairen Start ins Leben zu ermöglichen, das bestehende System verstärkt Ungleichheit. Familien aus bildungsfernen Schichten können mangelhafte Frühförderung nicht ausgleichen, ihre Kinder werden benachteiligt und holen den Rückstand nicht wieder auf. Irgendwann landen viele von ihnen als Jugendliche oder Erwachsene in Schulungen, die oft wenig bringen und viel kosten. Der Chef des AMS, Johannes Kopf, antwortete vor zwei Jahren bei einer Diskussion in Alpbach auf die Frage, was sein Wunsch an einen politischen Aladin wäre: Ich wünsche mir für Österreich die weltbesten Kindergärten.

Jemand, der uns dabei helfen könnte, ist der österreichische Wirtschaftsforscher Professor Ernst Fehr. Vor einigen Jahren war ich zu Besuch bei ihm an der Universität Zürich. Genauer gesagt in seinem Labor: Fehr betreibt als weltweit angesehener Verhaltensökonom angewandte Wirtschaftsforschung. Mit Stolz erzählte er mir von seinen empirischen Untersuchungen zur frühkindlichen Bildung. Laut seinen Berechnungen bringt jeder Euro, den wir in die Förderung von Kleinkindern im Vorschulalter stecken, einen 800-fachen "Return on Investment" zurück für die Gesellschaft. In keinem anderen Bildungsbereich kann auch nur annähernd so viel bewirkt werden, keine andere Bildungsinvestition ist so treffsicher.

Arbeitsminister Martin Kocher, auch Verhaltensökonom, ist mit Fehrs Forschung übrigens bestens vertraut. Nur sein Ex-Kanzler, der anscheinend die letzten Jahre hauptsächlich mit Machtspielen am Handy beschäftigt war, hatte dafür kein Interesse. Es wird nach seinem Abgang mehr als einen Protesttag brauchen, um die Regierung dazu zu bringen, Kindergärtnerinnen die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die sie verdienen. (Philippe Narval, 18.10.2021)