Michael Linhart ist auch begeisterter Fußballer. Vor etlichen Jahren schon hat er eine Mannschaft im Außenministerium aufgebaut. Er selbst spielt im Sturm.

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Michael Linhart hat sein bisheriges Leben im Dienste der Diplomatie verbracht. Er kann auf eine klassische Karriere zurückblicken, die nun mit dem Topposten des Außenministers gekrönt wird. Als Linhart nach der Chataffäre und dem Rücktritt von Sebastian Kurz gefragt wurde, ob er Neo-Kanzler Alexander Schallenberg im Außenamt nachfolgen möchte, habe er sich schnell entschieden, berichtet Linhart im Interview mit österreichischen Journalisten. Da war Linhart noch Botschafter Österreichs in Paris. Das Außenministerium kennt der 63-Jährige gut: Unter dem jungen Außenminister Kurz wurde er im Dezember 2013 Generalsekretär.

STANDARD: Wie ist Ihr Verhältnis zu Ex-Bundeskanzler Sebastian Kurz, und hat sich in Ihrer Beziehung durch die Chataffäre etwas geändert?

Linhart: Nein. Wir haben fünf Jahre lang intensiv zusammengearbeitet. Ich war im Außen ministerium sein Stellvertreter, und wir haben damals eine exzellente Außenpolitik gemacht. Wir haben ein vertrauensvolles Verhältnis. Ich kenne ihn als Mann mit Handschlagqualität, und ich habe volles Vertrauen, dass er die Vorwürfe lückenlos aufklären wird. Genauso habe ich volles Vertrauen in die Justiz.

STANDARD: Sind Sie türkis oder schwarz?

Linhart: Ich habe nie viel von dieser Farbenlehre gehalten. Ich war bei Wolfgang Schüssel im Kabinett, ich habe für Michael Spindel egger, für Sebastian Kurz gearbeitet. Die ÖVP war immer meine Heimat. Und sie entwickelt sich. Ob schwarz oder türkis, für mich ist alles die ÖVP.

Michael Linhart betont natürlich auch, dass er die außenpolitische Linie seiner konservativen Vorgänger fortsetzen wird. So führte seine erste Auslandsreise Linhart auch nach Bosnien-Herzegowina. Das Regierungsprogramm beinhaltet eine "klare Beitrittsperspektive" für die Länder des Balkans. In Bosnien-Herzegowina befürchten Experten derzeit eine gefährliche Destabilisierung. Denn der Chef der serbischen SNSD, Milorad Dodik, treibt die Abspaltung der Republika Srpska mit allen Mitteln voran – mit tatkräftiger Unterstützung Russlands. Heute, Montag, wird Bosnien auch Thema beim EU-Außenministerrat sein.

STANDARD: Wie groß ist die Eskalationsgefahr in Bosnien? Im November entscheidet sich, ob die UN-Friedensmission verlängert wird.

Linhart: Wir werden alles daransetzen, dass das Mandat verlängert wird. Ein Eskalationspotenzial gibt es in dem Raum immer, deshalb ist die europäische Perspektive so wichtig. Wir müssen präsent und ein starker Partner an der Seite der verbindenden Kräfte sein.

STANDARD: Ist es nicht eine Niederlage für die EU als größten Geldgeber und Wirtschaftspartner auf dem Balkan, dass China, Russland und die Türkei dort immer mehr an Einfluss gewinnen?

Linhart: Wir müssen als Österreich und EU mit europäischen Werten präsent bleiben. Es sind beide Seiten gefordert. Auch die Staaten des Westbalkans müssen ihre Hausaufgaben machen. Wir müssen die europäische Perspektive aufrechterhalten. Ich sehe es auch als meine Aufgabe an, das Thema auf europäischer Ebene ganz oben auf der Tagesordnung zu halten.

STANDARD: Nordmazedonien hat seine Hausaufgaben gemacht, wird aber trotzdem blockiert.

Linhart: Auch mit unseren bulgarischen Freunden (die Nordmazedonien blockieren, Anm.) muss darüber geredet werden. Ich halte es für eine gesamteuropäische Aufgabe, weil es auch um die Sicherheit Europas geht.

STANDARD: Sind Sanktionen gegen Politiker wie Milorad Dodik möglich?

Linhart: Sanktionen dürfen niemals die Bevölkerung treffen. Wir werden auch diesen Schritt, sollte es so weit kommen, im europäischen Verbund diskutieren und entscheiden.

Aber auch innerhalb der EU gibt es zahlreiche Sorgenkinder, unter anderem laborierte die EU an dem Rechtsstaatsverständnis von Ländern wie Polen und Ungarn. Dabei galt Österreich unter Sebastian Kurz immer als Fürsprecher vor allem Ungarns.

STANDARD: Ex-Kanzler Kurz hat sich dafür ausgesprochen, Polen in der EU an die Kandare zu nehmen. Stimmen Sie dem zu? Und wenn Polen, warum nicht auch Ungarn?

Linhart: Ich halte jedenfalls nichts davon, wenn man von den besseren oder den weniger guten Europäern spricht. Europa ist ja auch ein Wettbewerb der Ideen, wir wollen diesen Ländern ganz klar europäische Werte vermitteln. Aber es ist wichtig, dass man sie anhört und mit ihnen zusammenarbeitet.

STANDARD: Würden Sie im Falle einer Mehrheit für EU-Sanktionen gegen Polen stimmen?

Linhart: Reden wir darüber, wenn es so weit ist. Ich war nie ein Freund von Sanktionen. Manchmal muss man aber eine klare Sprache sprechen.

Vorgänger Alexander Schallenberg zog sich scharfe Kritik zu, als im Mai auf den Dächern des Bundeskanzleramts und des Außenministeriums die israelische Flagge im eskalierenden Nahostkonflikt wehte. Irans Außenminister Mohammed Javad Zarif sagte damals seinen Besuch in Wien ab.

STANDARD: Würden auch Sie die Israel-Flagge am Außenministerium hissen?

Linhart: Selbstverständlich würde ich die Flagge auch hissen. Wenn eine Terrororganisation wahllos tausende Raketen auf die Zivilbevölkerung abfeuert, kann man das nicht gutheißen. Dann muss man auch eine starke Sprache sprechen.

STANDARD: Widerspricht das nicht der Vermittlerrolle des neutralen Österreich?

Linhart: Wie kann man neutral sein gegenüber Terrorismus? Das war ein klarer terroristischer Akt gegenüber der Zivilbevölkerung.

STANDARD: Wird sich an der relativ strikten Migrationspolitik Österreich etwas ändern?

Linhart: Es geht darum, klare Zeichen zu setzen, den Menschen keine falschen Hoffnungen zu machen. Wir müssen daran arbeiten, dass niemand in die Hände von Schlepper banden fällt. Wir müssen die Grenzen kontrollieren, mit den Ursprungs- und Transitländern arbeiten und vor Ort helfen. Wesentlich ist, den Menschen Perspektiven in ihren Ländern zu geben. Für Afghanistan haben wir mit 20 Millionen Euro das größte humanitäre Soforthilfepaket aller Zeiten geschnürt. (Manuela Honsig-Erlenburg, 17.10.2021)