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Für Frauen gilt es noch immer viel zu tun, damit sie nicht Opfer von Übergriffen werden. Auf Frauenparkplätzen parken, den Schlüssel als mögliche Waffe in der Hand halten, wenn sie allein nach Hause gehen, das Getränk im Club im Blick behalten, damit keiner die Möglichkeit hat, K.-o.-Tropfen reinzuschütten. Und wer das Bier oder den Wein doch nicht ständig anstarren willen, kann in Drogerien Teststreifen in Form eines Armbandes kaufen, um zu checken, ob man von jemandem ausgeknockt werden will.

Passiert doch was, ist es ebenso das Verhalten von Frauen, das im Zentrum steht. Vielleicht zu betrunken gewesen? Zu kurzer Rock? Oder zu wenig abweisend? Die schottische Polizei hat nun mit einer vielbeachteten Kampagne den Fokus von Frauen weggelenkt. In einem Videoclip richten verschiedene Männer Fragen an andere Männer. Ob sie schon mal eine Frau an einer Bushaltestelle angegafft hätten, mal einer "Puppe" nachgerufen hätten, ob sie schon mal einer Frauen ein Kompliment gemacht hätten und man sich anschließend gewundert habe, dass kein "Danke" kommt.

Schon mal eine betrunken gemacht?

Im Lauf des Video steigern sich diese Übergriffigkeiten, in denen viele wohl noch kein Problem sehen, in eine offenkundigere gewalttätige Dimension. Die Männer fragen dann etwa nach, ob sie eine Frau schon mal auf viele Drinks eingeladen hätten, um sie dann in ein Taxi zu verfrachten und zu sich zu bringen. Ob sie schon mal eine Frau zu Sex gedrängt haben, weil sie ihnen schließlich dieses und jenes spendiert hätten. Ob sie einer Frau deswegen schon mal Schuldgefühle gemacht hätten.

Neben dem ausdrücklichen Fokus auf das Verhalten von Männern zielt die Kampagne somit auch auf vermeintlich harmloses Verhalten von Männern gegenüber Frauen ab. "Die meisten Männer schauen in den Spiegel und sehen kein Problem. Aber es schaut uns direkt ins Gesicht", denn: "Sexuelle Gewalt beginnt oft früher, als du glaubst. Sei nicht dieser Typ", heißt in dem Video abschließend.

Ja, die meiste Gewalt passiert zwischen Männern, das wollen wir nicht ignorieren, so der Polizist Graham Goulden auf der Kampagnenwebsite, "aber wenn es um sexuelle Gewalt oder häusliche Gewalt geht, machen Frauen die Mehrheit unserer Opfergruppe aus". Goulden war 30 Jahre im Dienst und hat an der Kampagne mitgearbeitet. "Gewalt ist ein männliches Problem", sagt er.

Die vergangene Woche veröffentlichte Kampagne bekam bereits viel Zuspruch. Etwa von der Psychologin, Autorin und Aktivistin Jessica Taylor, die sich in ihrem Buch "Why Women Are Blamed For Everthing" genau mit der Konzentration auf das Verhalten von Frauen beschäftigt, dem das Video jetzt etwas entgegensetzen will. "Das ist echte Prävention, eine auf Täter ausgerichtete Botschaft", twitterte Taylor.

Brutaler Fall in London

In London sorgte im März dieses Jahres die Entführung, Vergewaltigung und Ermordung der 34-jährigen Sarah Everard für Entsetzen. Ein Verdächtiger, ein Polizeibeamter, wurde kurz nachdem Everard knapp eine Woche nach ihrem Verschwinden tot aufgefunden worden war festgenommen. Der Mord hat in Großbritannien eine große Debatte über Sexismus, sexualisierte Gewalt und toxische Männlichkeit ausgelöst. Unter everyonesinvited.uk posteten tausende Schülerinnen und ehemalige Schülerinnen etwa über sexuelle Belästigung und sexualisierte Gewalt an Schulen.

Auch der österreichische Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) betonte am Montag bei der Präsentation der Krisenhotline für Männer ("Männerinfo"), die ab sofort rund um die Uhr und 365 Tage im Jahr besetzt ist, die Rolle von Männern. "Wenn wir Frauen schützen wollen, müssen wir bei den Männern ansetzen", so Mückstein. (beaha, 18.10.2021)