FDP-Chef Christian Lindner hat im Falle von Verhandlungen schon Interesse am Finanzministerium durchblicken lassen.

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Christian Lindner klang am Montag eher ernst. "Die Gesprächspartner und Gesprächspartnerinnen haben sich nicht gesucht, um es diplomatisch auszudrücken" – so beschrieb der FDP-Chef das nicht immer einfache Verhältnis der SPD, der Grünen und seiner eigenen Partei vor der Bundestagswahl.

Und dennoch: Als letzte der drei beteiligten Parteien hat auch die FDP zu Wochenbeginn ihre Zustimmung zu Koalitionsverhandlungen über ein Ampel-Bündnis gegeben. "Deutschland braucht eine stabile Regierung, Deutschland darf nicht führungslos sein", sagte Lindner.

Noch diese Woche – möglicherweise am Donnerstag oder Freitag – sollen die Ampel-Koalitionsverhandlungen starten und Details ausverhandelt werden. Vorgenommen hat man sich ja eine Menge: zwölf Euro Mindestlohn, Kohleausstieg schon möglichst 2030, nicht erst im Jahr 2038, Ausbau der erneuerbaren Energien, 400.000 neue Wohnungen pro Jahr, höhere Verdienstgrenzen bei Mini- und Midijobs, schnellere Digitalisierung der Verwaltung. Es soll keine Absenkung des Rentenniveaus geben, auch keine Erhöhung des Antrittsalters, keine Steuererhöhungen und auch kein Tempolimit auf Autobahnen.

Posten werden erst verteilt

Noch vor Weihnachten, hat SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz gesagt, solle die Ampel-Koalition stehen. Doch dazu gehören natürlich nicht nur inhaltliche Vereinbarungen, sondern auch neues Regierungspersonal. Entschieden ist derzeit noch nichts – außer dass Scholz Kanzler und somit Nachfolger von Angela Merkel wird.

Eigentlich wollten die Verhandler ja eines nicht tun: sich gegenseitig öffentlich Forderungen zurufen. Doch so ganz klappt das nicht. Zwar ist es kein Geheimnis, dass FDP-Chef Christian Lindner der erste Ampel-Finanzminister werden will – denn es gilt heute noch als Kardinalfehler der FDP, dass sie 2009 in der schwarz-gelben Regierung nicht nach dem Finanzministerium gegriffen hatte, sondern dass der 2016 verstorbene Guido Westerwelle damals lieber das Außenamt übernahm und das Finanzministerium Wolfgang Schäuble (CDU) überließ. Nun pocht Lindner aber schon recht deutlich auf den Posten, den derzeit noch Scholz selbst innehat.

"Es gibt das Bundeskanzleramt, es gibt das Finanzministerium, es gibt ein neues Klimaministerium. Und ich bin der Meinung, jeder der Partner muss eine Möglichkeit haben, auch gestalterisch zu wirken", sagt er. Will heißen: SPD-Mann Scholz wird ohnehin Kanzler, Klima werden wohl die Grünen übernehmen, also Finanzen an mich. Schützenhilfe gibt ihm der Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Marco Buschmann: "Ich kann mir niemand Besseren für diese Aufgabe vorstellen." Lindner habe sich gründlich vorbereitet.

Bei den Grünen ist man darob nicht erfreut. Es sei "nicht hilfreich, wenn man jetzt in Personalspekulationen einsteigt", warnt Chef Robert Habeck. Denn: "Es gehört zur Fairness, zum guten Ton und auch zur politischen Klugheit, das jetzt nicht zu tun. Man erhöht im Zweifelsfall nur die eigene Fallhöhe."

Habeck sieht Konkurrenz

Habeck weist nach wie vor darauf hin, dass Lindner und er "sehr unterschiedliche finanzpolitische Vorstellungen" hätten. Die FDP will wieder Richtung schwarzer Null, die Grünen hingegen möchten kräftig in Klimaschutz investieren. Habeck: "Die Konkurrenz ist da, ohne Frage."

Unterstützung bekommt der Grünen-Chef vom grünen Finanzminister von Baden-Württemberg, Danyal Bayaz. Der hält Habeck für den richtigen Finanzminister: " Er hat sich nicht erst seit gestern gründlich auf diese verantwortungsvolle Aufgabe vorbereitet."

Entnervt schaltete sich auch SPD-Chef Norbert Walter-Borjans ein und sagte: "Wir reden jetzt nicht darüber, welches Ministerium wie zugeschnitten wird."

Doch es gibt noch weitere Unstimmigkeiten. SPD und Grüne wollen das neue Kabinett gendermäßig paritätisch besetzen, dagegen allerdings wehrt sich die FDP. "Wenn man die gesellschaftliche Realität im Kabinett abbilden möchte, macht es natürlich Sinn, Minister und Ministerinnen gleichermaßen im Kabinett zu haben. Aber zuallererst muss die fachliche Kompetenz eine Rolle spielen, dann die Zugehörigkeit zu einem Geschlecht", sagt FDP-Vorstandsmitglied Marie-Agnes Strack-Zimmermann. (Birgit Baumann aus Berlin, 18.10.2021)