Wie wollen wir in Zukunft arbeiten, und was nehmen wir vom Gelernten aus der Corona-Pandemie in die Zeit danach mit? Diese Frage stellen sich gerade viele Unternehmen. Manche stehen erst am Anfang – andere sind bereits mitten im Transformationsprozess oder haben ihn bereits hinter sich und können feinjustieren.

Es diskutierten: Roland Sprengseis (COO, Bluesource/Happydo), Nikolai Dürhammer (Managing Director, Stepstone Österreich), Selina Thaler (Moderation, DERSTANDARD), Steffen Lange (Country Leader Österreich, Salesforce), Alexander Kraus (HR-Director Österreich, G4S) (v. li.).
Foto: Andy Urban

An so unterschiedlichen Punkten des Wandels stehen auch die Unternehmen, deren Vertreter am vergangenen Dienstag in der Wiener Hofburg beim HR Inside Summit diskutierten. "Homeoffice, Remote-Work oder Desksharing: Was wir von den Arbeitsformen der Zukunft erwarten können", war die Leitfrage des Panels.

Für alle ist klar, was Steffen Lange, Countryleader für Österreich bei Salesforce, konkret anspricht: "Das hybride Arbeiten wird bleiben, es gibt keinen Weg zurück." Nicht nur, weil die Mehrheit der Beschäftigten im Büro und zu Hause arbeiten will, wie Nikolai Dürhammer, Managing Director Österreich von der Jobplattform Stepstone, betont. Sondern auch, weil die "Unternehmen, die sich nicht anpassen, keine Beschäftigten mehr finden oder bestehende verlieren". Zudem schrieben die Unternehmen mehr aus als vor Corona, aber die Jobsuchenden seien noch nicht am Markt zurück.

Individuelle Bedürfnisse

Doch nicht in all diesen Jobs kann man hybrid arbeiten oder sich flexibel die Zeit einteilen – gerade für Berufseinsteiger sind das relevante Entscheidungsfaktoren. Oft lässt es die Art der Tätigkeit kaum zu, weiß Alexander Kraus, HR-Director für Österreich und Zentraleuropa beim Sicherheitsdienstleister G4S. "Man darf nicht vergessen, dass nur die wenigsten Beschäftigten Homeoffice nutzen können", sagt Kraus. Obwohl es in seiner Firma nur zehn Prozent seien, will er alte Arbeitsweisen überdenken. Etwa die Schicht flexibel einteilen zu können, soll jene ansprechen, die kein Homeoffice machen können.

Anpassen werden die Betriebe künftig mehr. Wichtig seien dabei vor allem die Unternehmenskultur und die jeweiligen Bedürfnisse der Mitarbeitenden, sagt Roland Sprengseis. Der Gründer und Geschäftsführer des App-Entwicklers Bluesource/Happydo hat in seinem Unternehmen 60 Mitarbeiter und 35 verschiedene Arbeitszeitmodelle sowie keine Kernzeiten – die Teams regeln die Schichten selbst. Das sei viel Aufwand, lohne sich aber.

Individualität wird von allen betont, aber es sei mit steigender Firmengröße unrealistisch, für jeden eine Einzellösung zu finden. Ob das neue Arbeiten also Regeln braucht? Darüber waren sich die Diskutanten uneins. Dürhammer findet Regeln zur Orientierung relevant sowie um Neid im Team zu vermeiden. Bei Stepstone können die Beschäftigten – je nach Abteilung – ein- bis zweimal pro Woche zu Hause arbeiten. Und weil die Erfahrungen mit hybriden Meetings so schlecht waren, sollen Führungskräfte Teams bevorzugt in Präsenz und sonst rein virtuell zusammenbringen. Auch Sprengseis, der seinen Angestellten viel Freiraum lasse, sieht klare Regeln bei Berufseinsteigern im Vorteil. Auch seine Firma hat einen Remote-Tag pro Woche bestimmt.

Weg von Standardisierung

Kraus will sich von den Standardisierungen, die lange im Personalbereich üblich waren, verabschieden. Bei Salesforce ist das bereits der Fall. Es gibt nur eine klare Regelung: "Jeder kann arbeiten, wo er oder sie will. Alles in Regeln zu fassen wird schwierig in einer Zukunft, in der alles individueller wird." Dabei sei Vertrauen essenziell, sagt Lange. Für Chefs sieht er das Vertrauen als zentrale Herausforderung in der neuen Arbeitswelt. Auch Kraus bekommt Sorgen und Ängste von Teamleitern ob der Individualität mit: "Wir müssen sie erst dafür sensibilisieren."

Etwa auch darin, dass jene, die viel im Homeoffice sind, nicht übersehen werden. Denn die Macht ist immer noch im Büro zentralisiert, ist Dürhammer überzeugt: "Je höher in der Hierarchie, desto öfter im Büro." Auch das Wohlbefinden dürfe nicht zu kurz kommen, wenn hybrid die Grenzen zwischen Job und Leben verschwimmen, betont die Männerrunde. "Es reicht nicht, die Fürsorgepflicht für den Arbeitsinspektor zu erfüllen", sagt Kraus.

Letztlich seien alle zufriedener und auch produktiver, weiß Sprengseis. Nach ihren Wünschen gefragt, geben die Familienväter unterschiedliche, wenn auch gleich begründete Antworten. Kraus will vor allem ins Büro, aber auch später kommen, um seine Tochter in den Kindergarten zu bringen. Nur im Büro zu sein kann sich Lange nicht vorstellen: "Ich werde definitiv nicht mehr bei einem Unternehmen mit Präsenzpflicht arbeiten. Ich könnte den Alltag mit Kindern ohne die Flexibilität nicht schaffen."

Sprengseis teile sich den Tag in Bürostunden, dann habe er Zeit für die Kinder und arbeitet, wenn sie schlafen. Freitags nimmt er den Laptop mit an den Fischteich. Und Dürhammer treiben die Kinder eher ins Office: "Es ist sehr laut zu Hause, ich habe mehr Ruhe im Büro." Die Arbeitsformen der Zukunft werden in den Firmen also kein Entweder-oder, sondern vielmehr ein Sowohl-als-auch" sein. (set, 18.10.2021)