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Der ehemalige US-Außenminister ist an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung verstorben. Das Foto wurde 2015 beim Washington Ideas Forum aufgenommen.

Foto: Reuters/Jonathan Ernst

Colin Luther Powell kam am 5. April 1937 in Harlem als Sohn jamaikanischer Einwanderer zur Welt. Er wuchs in der südlichen Bronx auf, besuchte das City College of New York, wo er das Trainingsprogramm der US-Armee durchlief, das Studenten auf eine mögliche Soldatenkarriere vorbereitete. "Mir gefielen die Strukturen und die Disziplin beim Militär", so Powell später in einem Interview. "In einer Uniform fühlte ich mich als jemand. Es gab nicht viel in meinem Leben, das mir das Gefühl gab, jemand zu sein."

Mit Anfang 20 verschlug es den jungen Rekruten in eine Panzerdivision ins hessische Gelnhausen. 1986 kehrte er als Befehlshaber über das 75.000 Mann starke Regiment nach Westdeutschland zurück. "Keine andere Laufbahn in der amerikanischen Gesellschaft bietet einem Schwarzen größere Möglichkeiten", sagte er später über seine Militärzeit. Allerdings: Keine andere Laufbahn war auch so gefährlich. Gleich zweimal kämpfte Powell in Vietnam, beide Male wurde er verwundet, in einem Fall überlebte er den Absturz seines Helikopters. Drei Jahrzehnte später war er der ranghöchste Soldat Amerikas, der jüngste und erste schwarze Vier-Sterne-General und Generalstabschef des Landes.

Eigene Militärdoktrin

In den 80er-Jahren gehörte Powell zu den Beratern Ronald Reagans während der Abrüstungsverhandlungen mit den Sowjets. 1989 plante er die Invasion von Panama, wenige Jahre später war er an der Operation "Desert Storm" beteiligt, dem ersten Golfkrieg. Aus dieser Zeit stammte auch die sogenannte "Powell-Doktrin", die der General auf seine Erfahrungen in Vietnam stützte. Sie sah vor, dass militärische Einsätze nur dann gerechtfertigt seien, wenn das Endziel klar formuliert sei. Eine Militärdoktrin, die Powell von einem seiner persönlichen Vorbilder ableitete: General Carl von Clausewitz, preußischer Generalmajor und Militärwissenschafter.

Als Powell 1993 seine Militärkarriere beendete, zählte er zu den populärsten Persönlichkeiten in Washington. Er bekam Offerten, in die Politik zu gehen – aus beiden politischen Lagern. In seinen Memoiren schrieb er später, für einen kurzen Moment habe er sogar mit dem Gedanken gespielt, für das Weiße Haus zu kandidieren. Er habe es sich dann allerdings anders überlegt. Treibende Kraft hinter dieser Entscheidung soll seine Frau gewesen sein.

Als Gegengewicht keine Chance

Stattdessen wurde er Anfang 2001 unter George W. Bush Außenminister, sollte im Kabinett als politisches Gegengewicht zu Dick Cheney und Donald Rumsfeld dienen. Mit den Terroranschlägen vom 11. September kippte diese Machtbalance zugunsten der beiden Hardliner, und Amerika zog in den Afghanistan- und in den Irakkrieg. Powell hielt am 3. Februar 2003 jene denkwürdige Rede vor dem Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen, die er später als einen "Schandfleck", den größten Fehler seiner Karriere bezeichnen wird.

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In dieser Rede plädierte Powell für den Sturz Saddam Husseins, basierend auf falschen Tatsachen: "Es kann keine Zweifel geben", so der Außenminister damals in New York wörtlich, "dass Saddam Hussein biologische Waffen besitzt und die Fähigkeit hat, schnell mehr davon herzustellen." Eine Lüge, wie sich später herausstellen sollte. Als Reaktion auf die Aussage von George W. Bush, wonach dieser nachts wie ein Baby schlafe, antwortete Powell: "Ich schlafe auch wie ein Baby. Alle zwei Stunden wache ich auf und schreie." In seinen Memoiren schrieb Powell später: "Dieser Vorfall wird einen prominenten Platz in meinem Nachruf einnehmen."

Überraschende Unterstützung

Die Differenzen innerhalb der Bush-Regierung wurde für Powell unüberbrückbar, sodass der Außenminister nach seiner ersten Amtszeit das Handtuch warf und sich ins Privatleben zurückzog. Vier Jahre später sorgte Powell landesweit für Schlagzeilen, als er im Präsidentschaftswahlkampf überraschend seine Unterstützung für den politischen Gegenkandidaten, den Demokraten Barack Obama verkündete. Seine Kritik am Rechtsruck der Republikaner wuchs von Jahr zu Jahr und gipfelte Anfang 2021 in seinem Parteiaustritt, als republikanische Trump-Anhänger das Kapitol stürmten.

Zeit seines Lebens hatte Powell auch immer wieder mit dem Rassenhass in den USA zu kämpfen. Noch während seiner Ausbildung durfte er in manchen Bundesstaaten keine Restaurants besuchen, nicht dieselben Waschräume wie Weiße benutzen. Als Powell 2001 vor dem US-Senat für das Amt des Außenministers vorsprach, verknüpfte er seine eigene Vita mit dem amerikanischen Traum. Seine Kandidatur zeige der Welt, dass, wenn man nur lang genug für jene Werte eintrete, an die man glaubt, so "wundersame Dinge" geschehen könnten, dass jemand wie er eines Tages für ein solches Amt vorsprechen könne.

Geimpft und immunsupprimiert

Colin Powell ist im Alter von 84 Jahren im Kreise seiner Familie gestorben. Der Kriegsheld und hochdekorierte General hat seinen letzten Kampf gegen das Covid-19-Virus verloren. Er litt seit längerem an multiplem Myelom, einer Form von Blutkrebs, für dessen Therapie das Immunsystem und damit die Bildung von Antikörpern unterdrückt werden müssen. Menschen mit dieser Therapie haben deshalb trotz Impfung einen stark reduzierten Immunschutz. Er war im Februar zweimal mit Biontech/Pfizer geimpft worden und sollte vergangene Woche eine Booster-Imfpung bekommen. Aufgrund einer Erkrankung konnte er den Termin aber nicht wahrnehmen. Powell hinterlässt eine Frau, drei Kinder und mehrere Enkelkinder. (Richard Gutjahr aus Washington, 18.10.2021)