Die erratische Kommunikation ist ein Eigentor, sagen die Juristen Martin Kollar und Johannes Kaiser im Gastkommentar.

Es war stets die herausragende Fähigkeit von Sebastian Kurz, politische Kommunikationsstrategien gezielt einzusetzen und die gewünschte Message einfach und verständlich einem breiten Publikum zu vermitteln. Dieses Talent wird ihm selbst vom politischen Gegner nicht abgesprochen. Insofern war es keine Überraschung, dass Kurz geradezu mustergültig Litigation-PR– prozessbegleitende Öffentlichkeitsarbeit – eingesetzt hat, als er im Mai 2021 mit dem Vorwurf der Falschaussage konfrontiert wurde. Dadurch konnte er die Vorwürfe auf der politischen und medialen Ebene zerstreuen, obwohl das Ermittlungsverfahren weiterhin läuft.

Das ist auch absolut legitim. Ziel der Litigation-PR ist es, einer medialen Vorverurteilung entgegenzuwirken. Denn der Betroffene kämpft im Verfahren parallel an zwei Fronten. Er muss sich nicht nur dem gerichtlichen Verfahren stellen, sondern auch dem "Gerichtssaal der Öffentlichkeit". Dabei können Strafverfahren viele Jahre dauern. Für das Bild in der Öffentlichkeit sind dagegen oft schon die ersten Tage entscheidend. Professionelle Litigation-PR ist in Verfahren mit öffentlicher Aufmerksamkeit daher ein Muss.

In der "Causa Kurz" verspielt die ÖVP ihre Glaubwürdigkeit.
Foto: EPA / Christian Bruna

Fragwürdige Äußerungen

Die Inseratenaffäre zeigt aber nun auch die Kehrseite der Medaille. Denn missglückte Litigation-PR kann den Schaden für den Betroffenen erheblich erhöhen und – im schlimmsten Fall – sogar seine Chancen im Strafverfahren beeinträchtigen. Kurz und sein Team sind schon präventiv in die Gegenoffensive gegangen. Bereits vor den Hausdurchsuchungen in der ÖVP-Zentrale und im Bundeskanzleramt haben die ÖVP-Abgeordneten Gaby Schwarz und Andreas Hanger einigermaßen eigenwillige Pressekonferenzen abgehalten.

Schwarz sprach von Gerüchten bevorstehender Hausdurchsuchungen und bezweifelte deren Sinnhaftigkeit, weil "nichts mehr da" sei. Hanger ging noch einen Schritt weiter und sprach von "linken Zellen" in der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA), die "politisch motivierte Ermittlungen" führen würden. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Hausdurchsuchungen bezeichnete Klubobmann August Wöginger diese als "reine Show und Inszenierung" und unterstellte damit nichts weniger als Amtsmissbrauch.

"Pauschale Angriffe und Abwertungen sind in der Kommunikation ein Eigentor."

Diese Äußerungen waren eine Fortsetzung von Angriffen auf die Justiz im Ganzen und die WKStA im Speziellen. Kritik an diesem Vorgehen begegnete Kurz mit einem fragwürdigen Vergleich: Auch die katholische Kirche sei früher nie hinterfragt worden, Missbrauchsfälle gar vertuscht worden, und stellte damit Staatsanwälte auf eine Stufe mit pädophilen Priestern. Es sei dahingestellt, ob es taktisch besonders klug ist, den beteiligten Staatsanwälten und Richtern in der Öffentlichkeit niedere Motive und Straftaten zu unterstellen. Es darf aber jedenfalls bezweifelt werden, dass Auftritte und Aussagen dieser Art von der breiten Öffentlichkeit positiv wahrgenommen werden. Die Justiz genießt in Österreich hohes Vertrauen. Pauschale Angriffe und Abwertungen sind in der Kommunikation ein Eigentor.

Trotz dieses Vorspiels schlagen die Hausdurchsuchungen medial ein wie eine Bombe. Grund ist die richterlich genehmigte Anordnung der Hausdurchsuchungen, in der auf 104 Seiten die Verdachtsmomente minutiös aufgezeigt werden. Hier geht es um Untreue und Bestechung, den Beschuldigten drohen bis zu 15 Jahre Haft. Das ist eine völlig andere Größenordnung als eine mögliche Falschaussage vor dem U-Ausschuss.

Fokus auf Banalitäten

Die Gegenoffensive in der Kommunikation geht danach unbeirrt weiter. Kurz weist jede Verantwortung von sich. Es gehe um Vorwürfe gegen Mitarbeiter des Finanzministeriums, die er kaum gekannt habe. Tatsächlich sieht ihn die Staatsanwaltschaft aber als zentrale Figur des Geschehens. In der Folge wird die Kommunikation immer diffuser und reicht von blinden Treueschwüren bis zu Distanzierungen aus der eigenen Partei. Es wird versucht, von den strafrechtlichen Implikationen abzulenken und den Fokus auf Banalitäten wie Schimpfworte zu legen.

Auch der vermeintlich geschickte Schachzug des "Schritts zur Seite" führt nicht zu einem klaren Schnitt. Kanzler Alexander Schallenberg bezeichnet die Vorwürfe gegen Kurz als falsch und verknüpft seine politische Glaubwürdigkeit mit dessen Schicksal. Aussagen des Strafrechtsprofessors Robert Kert in der ZiB 2 zur Bestimmungstäterschaft werden von Kurz als Absolution für sich vermarktet, was Kert umgehend dementiert.

Im Ergebnis bleibt eine verfehlte Kommunikationsstrategie, die allen Beteiligten mehr geschadet als genutzt hat. Die vielzitierte Message-Control ist außer Kontrolle geraten. Litigation-PR hat ihre Berechtigung und kann für die Betroffenen immens wichtig sein, um ihr berufliches Fortkommen abzusichern. Wenn die Kommunikation aber, wie im Fall Kurz, nicht strukturiert erfolgt, sondern in erratischen Rundumschlägen, wird sie ins Gegenteil verkehrt. So haben Kurz und Co schon vor einer möglichen Anklage viel Glaubwürdigkeit verspielt. (Martin Kollar, Johannes Kaiser, 19.10.2021)