Die Qualität eines Weines hängt weniger an Traubensorte oder Anbaugebiet. Sie ist vor allem eng mit der Arbeit des Winzers verbunden. Tatsächlich findet sich heutzutage die eine oder andere Perle unter solchen Weinen, die bislang in mehr oder weniger zweifelhaftem Ruf standen. Hier eine Auswahl der prominentesten Vertreter: Beaujolais, Lambrusco, Prosecco und Welschriesling

Frankreich: Beaujolais

Lang vorbei sind die Zeiten, als kurz vor dem Stichtag dritter Donnerstag im November unzählige Kisten aus dem Beaujolais in alle Welt verschifft wurden, um den Planeten mit künstlichem Bananengeschmack zu fluten. Wirte und Händler von New York bis Tokio rissen sich darum, als Erste den schnell erzeugten, tanninlosen Jungwein mit dem blumigen Flaschenetikett auszuschenken. Weltweit erklang der Slogan "Le Beaujolais Nouveau est arrivé". In Folge bemühten sich auch andere Weinregionen, mit originellen Bezeichnungen auf den Zug aufzuspringen – man denke an den "Steirischen Junker", die "Junge Wienerin" oder gar an den "English Nouveau".

Zu "verdanken" war der Rummel einer klugen Marketingstrategie der Beaujolais-Winzer, die sich einige Jahre später als doch nicht so klug herausstellte. Als nämlich der Hype gegen Mitte der 1990er-Jahre zu Ende ging, standen sie nicht nur vor einer gewaltigen Überproduktion an Trauben, es war auch der Ruf des Beaujolais als Wein und Weinbaugebiet stark geschädigt. Inzwischen hat sich die Situation beruhigt. Heute produzieren einige Winzer möglichst unverfälschte Jungweine gänzlich ohne chemische Kirsch- oder Bananenaromen, die bedenkenlos geschüttet werden können und ihrer ursprünglichen Bestimmung gerecht werden: nämlich für wenige Wochen etwas frische, hellrote Frucht und Partystimmung in düstere Herbsttage zu bringen. Unter ihnen David Large mit dem eleganten, dezent nach Beeren duftenden "Massai", den er ganz ohne Schwefelzusatz erzeugt.

www.davidlarge.fr

Italien: Prosecco

Nicht umsonst gilt Prosecco als Traum aller Wirte – die nicht selten ein Glas davon um mehr Geld verkaufen, als sie selbst für die ganze Flasche bezahlt haben. Möglich machen das die vermeintlich glamourösen Perlen im Glas, die offenbar ausreichen, um etwa gestresste Jungmütter in Champagnerlaune zu versetzen. Geradezu unaufhaltsam erscheint der Siegeszug des üblicherweise industriell erzeugten Schaumweins, der im Jahr 2010 auch eine geschützte Gebietsbezeichnung verliehen bekam. Seitdem darf er auch "nur mehr" auf über sagenhaften 20.000 Hektar angebaut werden.

Wegen der stetig steigenden Nachfrage wird die Fläche jedoch alle paar Jahre erweitert – und damit auch die Menge an chemischen Pflanzenschutzmitteln, die in den endlosen Weiten zum Einsatz kommen. Als die globalen Verkaufszahlen vor einigen Jahren gar jene des Champagners überschritten, knallten in Italien die Kronkorken. Und als die Kroaten vor wenigen Wochen einen Gebietsschutz beantragten, für einen (nicht sprudelnden!) Süß(!)wein mit dem nur vage ähnlichen Namen Prošek, setzte sich sogar Premier Mario Draghi für "die Verteidigung der italienischen Exzellenz" ein. Allerdings gab es auch Gegenstimmen wie jene der Tageszeitung Domenica, die titelte: "Liebe Kroaten, behaltet euren Prošek und nehmt euch bitte auch gleich den Prosecco." Tatsächlich gibt es nur wenige Erzeuger, die aus der Masse herausragen. Unter ihnen die Cantina Fidora, die als eine der Ersten einen biodynamisch erzeugten Prosecco aus einem Weinberg bei Venedig anbietet.

www.fidorawines.com

Österreich: Welschriesling

Foto: i

Allein beim Gedanken an die Traubensorte Welschriesling zieht es vielen die Wangen ein und den Magen zusammen. Geweckt werden Erinnerungen an Aromen von grünen Äpfeln, Limetten und Stachelbeeren gleichermaßen wie Sehnsüchte nach Rennie oder Alka-Seltzer. Mit dem namensverwandten "echten", auch Rheinriesling genannten, Riesling hat der Welsche oder Wösche bekanntlich überhaupt nichts gemein. (Bis auf – in den schlimmsten Fällen – besagte Säure.)

Lange Zeit wurde der gerne und stark euphemistisch als "resch" bezeichnete Weiße aus der ertragsreichen Sorte in erster Linie an massenabfertigende Heurigen- oder Buschenschankbetriebe geliefert. Dort fand er in Form von aggressiv perlendem, eiskaltem Sodawasser einen idealen Verbündeten für seinen Frontalangriff auf die Magenschleimhäute. Doch das sei alles in Begriff, sich zu ändern, versichert Hannes Sabathi. "Der Welschriesling hat ein weit größeres Potenzial, als die meisten glauben", sagt der Winzer aus der Südsteiermark, "unsere Großeltern bauten ihn noch viel körperreicher aus. Erst danach machte man einen Massenwein daraus, der eine Art steirischer Grüner Veltliner sein sollte." Seit ein paar Jahren aber bemühten sich einige Winzer, wieder edleren Stoff anzubieten. Was, dank steigender Temperaturen und des damit einhergehenden höheren Zuckergehalts, nun auch etwas leichter falle, so Sabathi. Zu besagten Winzern zählen außer ihm selbst noch Manfred Tement oder, im Burgenland, Gernot Heinrich.

www.hannessabathi.at
www.tement.at
www.heinrich.at

Italien: Lambrusco

Beim Namen Lambrusco erinnern sich nicht wenige an feuchtfröhliche Partys in verrauchten Studentenbuden, an Soletti und süßlichen Schaumwein in weißen Plastikbechern – sowie ans Reiben ums Großhirn am Tag danach. Das dickflüssige, dunkelrote, Himbeerkracherl-ähnliche Gschloder gibt es zwar nach wie vor, doch bemüht sich heute eine stetig wachsende Zahl an Erzeugern, der uralten Traubensorte wieder zu Respekt zu verhelfen. Und zwar indem sie auf naturnahe Anbau- und Kellermethoden setzen, auf natürliche – beziehungsweise spontane – Vergärung, bisweilen auch auf Flaschengärung durch "méthode ancestrale" oder gar "méthode classique" (also Champagnerverfahren).

Um sie aufzuspüren, sollte man sich in erster Linie an die vier offiziellen Gebietsbezeichnungen halten. Die da wären: Lambrusco di Sorbara, Lambrusco Maestri, Lambrusco Grasparossa und Lambrusco Salamino. In seiner besten Ausführung ist ein trockener, leichter, sanft sprudelnder Lambrusco mit ausgewogener Säure der ideale Begleiter etwa zu Prosciutto und Salumi, für die seine Heimat, die italienische Region Emilia-Romagna, berühmt ist. Zum Pasta- oder Hauptgang kann man dann ja auf andere Weine umsteigen. Ein idealer Vertreter dieser neuen und charmanten Spielart des Lambrusco ist etwa der leicht trübe, lachsrosa Lambrusco di Sorbara namens Radice vom Weingut Paltrinieri mit seiner feinen Perlage und den nur elf Prozent Alkoholgehalt.

www.cantinapaltrinieri.it

(Georges Desrues, RONDO, 21.10.2021)