Eine globale, digitale, gemeinsame Realität mit 2D-, 3D- und Virtual-Reality-Elementen – so beschreibt Mark Zuckerberg grob seine Vision des Metaversums.

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Bei Facebook hat man ein "next big thing" gefunden. Nachdem man nicht nur das weltgrößte Social Network erschaffen, sondern sich mit dem Zukauf von Whatsapp und Instagram zum nahezu unversenkbaren Riesen für Internet-Kontaktpflege gemacht hat, richtet man den Blick nun auf das "Metaverse".

Als Firmenchef Mark Zuckerberg diese Vision verlautbarte, ließ er deren Ausgestaltung weitestgehend offen. Es soll ein "gestaltgewordenes Internet" werden, so die vage Beschreibung. Alle Bereiche des Lebens umspannend, dezentralisiert betrieben. Eine gemeinsame, vernetzte Realität mit neuen Chancen für Künstler, Telearbeiter und Firmen unabhängig vom Stand- und Wohnort. Alleine in Europa will man für die Verwirklichung der eigenen Ambitionen 10.000 neue Jobs schaffen. Und nun steht der ganze Konzern offenbar vor einer Umbenennung ganz im Zeichen dieser Ausrichtung.

Die Suche nach dem Metaversum

Wie das Metaversum technisch aussehen soll? Dazu hielt sich Zuckerberg in einem Interview mit "The Verge" im Juli noch bedeckt. Man solle sich das Metaversum vorstellen wie einen Hybriden heute bekannter sozialer Plattformen, aber je nach Anwendungsfall mit 2D- und 3D-Elementen, zugänglich von Desktoprechnern wie auch über das Smartphone. Seine Firma solle sich in den nächsten fünf Jahren vom Social-Media- zum Metaverse-Unternehmen weiterentwickeln.

Roblox

Definitionen für diesen Begriff gibt es verschiedene, und so manchen digitalen Angeboten von heute wird bereits zugeschrieben, Elemente eines Metaversums zu beinhalten. Da wäre etwa Fortnite von Epic Games, das von einem Multiplayer-Shooter längst zu einem sozialen Gesamterlebnis geworden ist. Spieler loggen sich dort nicht mehr nur ein, um gegeneinander in Kämpfen in einem stetig schrumpfenden Spielareal anzutreten, sondern auch um gemeinsam mit ihren Spielfiguren virtuelle Konzerte bekannter Künstler und andere Events zu besuchen. Firmenchef Tim Sweeney sprach schon in der Vergangenheit darüber, dass er gerne einen Beitrag zur Umsetzung eines Metaversums leisten würde.

Auch Roblox – einer Plattform, auf der Nutzer ihre eigenen Onlinewelten und Spiele erschaffen, anderen zugänglich machen und damit auch Geld verdienen können – wird Metaversum-Charakter zugeschrieben. Als einen Pionier darf man zudem Second Life ansehen. Die Plattform des US-Studios Linden Labs ist seit 2003 online und setzt ebenfalls stark auf kreative Möglichkeiten für ihre Nutzer, die sich auch vermarkten lassen. Mit Sansar arbeitete man auch mit einem Virtual-Reality-Nachfolger, der mittlerweile an Wookey Project verkauft wurde. Als "virtuelle soziale Erfahrung" mit starkem Fokus auf Live-Events ist Sansar in Sachen Unterhaltung die vielleicht bisher fortgeschrittenste Umsetzung im Sinne eines Metaversums.

Sansar

Facebooks Wette auf Virtual Reality

Mark Zuckerbergs grob umrissene Idee geht aber freilich weit über die Entertainment-Sphäre hinaus und erstreckt sich auf so gut wie alle Bereiche des Lebens. Einen Clou gab der Facebook-CEO mit seinem Verweis auf neue Augmented-Reality- und Virtual-Reality-Technologien bekannt, die man entwickeln möchte. In diesem Kontext bietet das Metaverse dem Konzern große Chancen darauf, seine große Wette auf ebendiese Technologien einzulösen. Zwei Milliarden Dollar steckte man 2014 in das Start-up Oculus, das sich damals mit der ersten Generation seiner VR-Brille Rift einen Namen gemacht hatte. Deren Entwicklung war noch per Crowdfunding finanziert worden und hatte einen Hype ausgelöst. Bei Facebook witterte man Zukunftspotenzial.

Doch in den vergangenen Jahren kam die Technologie trotz bemerkenswerter Fortschritte kaum aus der Nische. Das ändert sich nun aber immer schneller. Kleinere, eigenständig laufende Brillen wie die Oculus Quest und zunehmend bekanntere Games-Produktionen, nicht zuletzt das lang erwartete Half-Life: Alyx, bezeugen einen Umbruch. In einem Metaversum wären VR- und AR-Geräte plötzlich interessant für weit mehr Zielgruppen. Genaueres wird wohl am 28. Oktober zu erfahren sein, wenn das Unternehmen zu seinem jährlichen "Facebook Connect"-Event lädt.

Das Metaversum wird von Technologie-Enthusiasten als die Zukunft des Internets, seine nächste und logische Stufe der Entwicklung gesehen. Skeptiker sehen den nächsten Schritt hin zu einem dystopischen Szenario – nicht zuletzt weil es ausgerechnet Facebook ist, das sich hier führend einbringen will.

Facebook, eine "verbrannte" Marke

Gerade diese Kritik macht auch einen weiteren Grund offensichtlich, der wohl hinter der anstehenden Umbenennung steckt. Wenn Facebook in der jüngeren Vergangenheit genannt wurde, dann geschah das selten in einem positiven Kontext. Cambridge Analytica, immer wieder Probleme mit Fake-News, Desinformation und Hassrede, dubiose interne Entscheidungen, schlechte Arbeitsbedingungen für Moderatoren, negative Effekte auf die Psyche von Nutzern – die Liste an Baustellen und Verfehlungen ist lang. Und sie dürfte bald weiter wachsen, zumal in den USA offen über Marktbeschränkungen und die mögliche Zerschlagung des mächtigen Konzerns diskutiert wird.

Facebook wird als soziales Netzwerk wohl weiterexistieren, eine Umbenennung des Mutterkonzerns verringert aber zumindest die Assoziation mit einer Marke, die in der öffentlichen Wahrnehmung mittlerweile ziemlich "verbrannt" ist. Stattdessen lenkt sie den Fokus auf ein visionäres Projekt, das gleichzeitig auch als unbeschriebenes Blatt für ein neues Kapitel der Firmengeschichte fungieren soll.

Ob das gelingt, wird sich weisen. Fünf Jahre – der geplante Zeitrahmen für die Transformation in eine "Metaverse-Company" – sind in der Tech-Branche eine lange Zeit. Und egal wie viel PR-Rummel man um das Metaverse veranstaltet, werden Facebook, Instagram und Whatsapp mit ihren Milliarden Nutzern und all die daran hängenden Problemen nicht von heute auf morgen verschwinden. Als IT-Konzern kann und soll Facebook sich natürlich mit der Zukunft der digitalen Kommunikation auseinandersetzen, um das Erledigen der eigenen Hausaufgaben wird man aber nicht herumkommen. (Georg Pichler, 20.10.2021)