In den letzten Tagen nahm das Infektionsgeschehen in Österreich an Dynamik zu. Die große Frage ist, wie stark die Welle diesmal ausfallen wird und ob die hohen Infektionszahlen in den nächsten Wochen auch zu einem ähnlichen Anstieg bei den Spitalsbehandlungen wegen Covid-19 führen werden wie 2020.

Grafik: Der Standard

Am Mittwoch vermeldeten Innen- und Gesundheitsministerium mit 3.727 Neuinfektionen einen Fast-Rekordwert für 2021. Zuletzt hatten wir höhere Zahlen nur am 26. März dieses Jahres, ein einmaliger "Ausreißer" der dritten Welle, und zwischen Ende Oktober und Ende November 2020, also während der zweiten Welle. Die aktuelle Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner kletterte damit österreichweit auf den Wert von 195,4.

Dass eine "Corona-Herbstwelle" kommen wird, war für alle Experten nur eine Frage der Zeit. Denn die kühlere Jahreszeit mit all ihren Begleiterscheinungen führt zu mehr Ansteckungen. Dieser sogenannte Saisonalitätseffekt dürfte "rund 40 Prozent betragen", erklärt Komplexitätsforscher Peter Klimek, "doch die Schwankungsbreite ist relativ hoch".

Nur ein einmaliger Ausreißer?

Was bedeuten diese Zahlen für den möglichen weiteren Trend? Laufen wir Gefahr, einen ähnlichen Anstieg bei den Neuinfektionen und Spitalsbehandlungen wegen Covid-19 zu erleben wie im Herbst 2020, als wir am 22. Oktober – also zwei Tage später als heuer – erstmals die 3.000er-Marke überschritten? Oder wird die Winterwelle weniger schlimm ausfallen, weil ja doch schon fast 62 Prozent aller Menschen in Österreich gegen Covid-19 geimpft sind und 70 Prozent der impfbaren Bevölkerung?

Grundsätzlich steigen die Zahlen wieder seit einigen Wochen in vielen anderen Ländern Europas wegen der Saisonalität an. In Österreich passiert das außerdem regelmäßig im Wochentakt von Dienstag auf Mittwoch besonders stark – denn am Montag werden in den Schulen und vielen Betrieben PCR-Testungen durchgeführt, deren Ergebnisse am Dienstag bekannt werden und in die Mittwochszahlen einfließen.

Sind es also in erster Linie die Kinder, die für den Anstieg der Neuinfektionen verantwortlich sind? Das wäre im Hinblick auf die Auslastung der Krankenhäuser günstig, da jüngere Personen bekanntlich nur sehr selten schwer an Covid-19 erkranken. Doch Peter Klimeks genauer Blick auf die aktuellsten Zahlen bestätigt diese Hoffnung nicht: "Die Altersgruppen sind ziemlich gleichmäßig verteilt. Unterrepräsentiert sind aktuell anteilsmäßig nur die ganz Alten und die Kleinkinder unter fünf Jahren."

Unterschiedliche Modellrechnungen

Was das für den weiteren Trend bedeutet – und konkret: wie hoch die Zahlen in den nächsten Wochen noch nach oben gehen werden –, ist auch für den Komplexitätsforscher schwer vorherzusagen. Gemeinsam mit seinen Kolleginnen und Kollegen vom Complexity Science Hub Vienna hat er bereits im August mehrere Szenarien durchgerechnet – unter anderem auch mit einer Durchimpfungsrate der Gesamtbevölkerung einmal von 60 Prozent und einmal von 70 Prozent.

Wie die Modellrechnungen zeigten, machen diese zehn Prozentpunkte einen großen Unterschied: "Im Extremfall kann bei der vergleichsweise niedrigen Impfquote in Österreich auch 2021 zu einer ähnlichen Belastung der Krankenhäuser führen wie im Herbst 2020", sagt Klimek.

Impfquote als wichtiger Faktor

Zu recht ähnlichen Ergebnissen kam auch das Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) bei seiner Prognosestudie, die Ende September erschien. Die Expertinnen und Experten des EDCD rechneten ebenfalls mehrere Szenarien je nach Impfquote und Genesenenrate durch.

Für Länder, deren Gesamtbevölkerung nur zu 55 und 65 Prozent geimpft ist (wie eben Österreich), ergeben die Hochrechnungen, dass im Extremfall auch in der Herbstwelle 2021 ähnlich hohe Maximalzahlen bei den Spitalsbelegungen wegen Covid-19 erreicht werden könnten wie bei Herbstwelle 2020. Die vor ziemlich genau einem Jahr so richtig begann. (Klaus Taschwer, 20.10.2021)