Auch im Spiel müssen sich die Guardians oftmals brenzligen Situationen stellen.

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Angenommen, mein Chef würde mir sagen: Schreib einen Artikel zum Thema "Guardians of the Galaxy", aber so richtig motivieren kann er mich dazu nicht. Gut, ich überlege mir eine Einleitung, damit die Leute dranbleiben, schreibe ein paar Informationen in den Text, die die Leute interessieren könnten, und beenden würde ich das Ganze mit einem schmissigen Fazit. Am Ende ist der Text eigentlich ganz gut geworden, aber aufmerksame Leser merken dann doch an einzelnen Formulierungen und an manchen Tippfehlern, dass das letzte bisschen Liebe doch gefehlt hat. Man merkt es vielleicht – ich rede hier gar nicht von meinem Text, sondern vom neuen Videospiel zu der illustren Superheldentruppe, das dieser Tage erscheint.

Marvel Entertainment

Holding out for a hero

Fangen wir mit dem Positiven an. Wer das lustige Quintett aus den Filmen oder den Comics kennt, der wird von den gesprochenen Zeilen im Spiel gewohnt gut unterhalten werden. Ständig fliegen die Fetzen zwischen den Protagonisten, deren ungewöhnliche Charaktere auch bisherigen Guardians-Verweigerern schnell ans Herz wachsen sollten. Diese Guardians of the Galaxy bestehen aus dem Menschen Peter Quill, auch bekannt als Starlord, der Attentäterin Gamora, dem Baumwesen Groot, dem einfältigen, aber liebenswerten Drax und natürlich dem technikbegeisterten Rocket Racoon.

Im Spiel kennen sich die Figuren teilweise noch nicht lange – so wird etwa Gamora, die Stieftochter des Bösewichts Thanos, von Drax noch immer als potenzielle Gefahr für das Team geoutet. In den zahlreichen Dialogen im Spiel muss der Spieler, der sich ausschließlich in der Haut von Peter Quill wiederfindet, oftmals verbal die Wogen glätten. Das geschieht durch das Auswählen von vorgegebenen Antworten, die jedoch wenig Einfluss auf die Geschichte selbst haben. Manchmal kann man zwar Kämpfen ausweichen oder kleine Rätsel anders lösen, grundsätzlich bleibt die Erfahrung allerdings für alle Spieler recht ähnlich.

Das Raumschiff dient als Basis und Fortbewegungsmittel zwischen den Abschnitten.
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Die Kontrolle über das Team zu behalten gilt nicht nur für die zahlreichen Dialoge, auch in den Kämpfen, dem anderen Herzstück des Spiels, muss man mit Kommandos die Spezialfertigkeiten der einzelnen Figuren aktivieren. So kann Groot etwa Gegner festwurzeln, Racoon verschießt explodierende Granaten. Im späteren Verlauf kommen zusätzliche Fähigkeiten hinzu: Quill kann etwa mit seinen Waffen einen Eisstrahl auf Widersacher loslassen. So ergeben sich zahlreiche Fertigkeitskombinationen, die speziell bei größeren Gegnergruppen sinnvoll eingesetzt werden müssen.

Leider enden diese Kämpfe aufgrund verschiedenster Faktoren oftmals im Chaos. Bei einem Dutzend Gegnern geht die beste Taktik meist vor die Hunde, und man feuert einfach auf alles, was sich bewegt. Auch aufgrund mangelnder Deckungen fliegt man mit Quill ständig im Kreis, um nicht vom nächsten Gegner überrollt zu werden. Dazwischen zaubert man mit verschiedenen Tastenkommandos Angriffe der Begleiter hervor und lässt alle heiligen Zeiten auch eine Superattacke vom Stapel, die allen Guardians mehr Kraft verleiht. Die meiste Zeit denkt man sich jedoch, wie lustig könnte das mit Freunden zusammen sein, die selbstständig denken oder sich im Chat eine Taktik zurufen, die man versuchen könnte.

Ähnliche Gedanken finden sich im eigenen Kopf, wenn man regelmäßig Gamora dazu ermutigen muss, störende Ranken zu zerschnippeln, damit man durch die schlauchförmigen Levels kommt. Auch Drax schwere Blöcke von A nach B tragen zu lassen, um an höher gelegene Stellen zu gelangen, artet mittelfristig in Arbeit aus. Irgendwie wird man das Gefühl nicht los, die Entwickler wollten dem Spieler ganz viele Features bieten, die auf einem Blatt Papier super geklungen haben, aber am Ende des Tages alles vermitteln, aber nicht unbedingt Spielspaß.

Das Einsetzen der Fertigkeiten ist wichtig, dennoch herrscht in den Kämpfen oft Chaos.
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Hit me with your best shot

Reden wir über die optischen Qualitäten. Getestet wurde das Spiel auf einer Xbox Series X, und man muss sagen, auf Standbildern sieht "Guardians of the Galaxy" wirklich beeindruckend aus. Leider hinken so manche Animation und diverse Effekte, allen voran das wirklich hässliche Zerplatzen von irgendwelchen Schleimgegnern, diesem Eindruck meilenweit hinterher. Dass die Figuren nicht genau wie ihre Vorbilder in den Kinofilmen aussehen – speziell beim menschlichen Protagonisten Starlord sehr auffällig –, übersieht man nach wenigen Spielstunden. Das Design der Figuren ist wirklich gelungen und funktioniert in jeder Situation des Spiels wunderbar.

Ansonsten hat man die Pflichtarbeit eines modernen Action-Titels absolviert. Auf Werkbänken dürfen wir uns zusätzliche Verstärkungen verpassen, etwa schnelleres Nachladen, mit Levelaufstiegen erhalten unsere Heldinnen und Helden neue Fähigkeiten, die sie im Kampf variabler einsetzbar machen. Alternative Outfits lassen sich freispielen – auf mit Echtgeld kaufbare Gegenstände verzichtet Hersteller Square Enix nach den letzten Fehltritten.

Eine besondere Erwähnung hat noch der Soundtrack verdient, der ganz im Stil der Vorlage vollgestopft ist mit Hits der 1980er-Jahre. Egal ob Rick Astley mit "Never Donna Give You Up" oder Pat Benatar mit "Hit Me With Your Best Shot" – als älterer Videospieler ertappt man sich schnell dabei, immer wieder summend in die Songs einzusteigen. Zugegeben, wenn sie in den ohnehin mit viel zu vielen Farben und Sounds unterlegten Kämpfen auch noch im Hintergrund zu hören sind, dann wird es auch dem größten Mötley-Crüe-Fan bald zu viel, aber das muss wohl jeder für sich entscheiden.

Im Laufe des Spiels lernen eure Heldinnen und Helden neue Fertigkeiten, die sie im Kampf flexibler und effektiver machen.
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Fazit

Ich will dem Spiel wirklich nicht unrecht tun. Immer wieder habe ich mich dabei erwischt, wie ich trotz eintretender Langeweile über die Dialoge im Spiel schmunzeln musste. Wenn etwa Gamora bei einem schmalen Weg am Rande eines Abgrunds Quill fragt, ob nicht Anführer immer vorangehen würden, und der Angesprochene antwortet: "Nicht wenn es gefährlich ist," dann fängt das gut ein, warum auch die Kinofilme so erfolgreich waren. Leider fügt sich der Rest des Spiels nicht nahtlos in diese gute Vorarbeit ein. Die Kämpfe sind chaotisch, und auch im späteren Verlauf sind eher eine gute Reaktionszeit als taktisches Vorgehen wichtig.

Nach dem missglückten "Marvel’s Avengers", das zumindest noch immer mit neuen Inhalten ausgestattet wird und im Gegensatz zu "Guardians of the Galaxy" einen Multiplayer-Modus besitzt, ist leider auch dieses ambitionierte Projekt meiner Meinung nach kein Hit geworden. Ähnlich wie bei "Marvel's Avengers" hätte ich allerdings gerne einen zweiten Teil, der die Missgeschicke des ersten Teils geradebügelt. Wer nach einem Solo-Spiel sucht, das nichts wirklich falsch macht und knapp 20 Stunden unterhält, der kann einen Blick riskieren.(Alexander Amon, 26.10.2021)

Disclaimer: Das Testmuster wurde von Square Enix zur Verfügung gestellt.