Der Versuch, die Auslagenscheibe eines Juweliergeschäfts einzuschlagen, scheiterte in der ersten Stunde des neuen Jahres am Sicherheitsglas.

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Wien – "Kriegsähnliche Zustände" hätten kurz nach dem Jahreswechsel in Wien-Favoriten geherrscht, hielt ein Polizist in einem Aktenvermerk fest. Ausgelöst durch junge Männer, die mit pyrotechnischen Gegenständen nicht nur Mistkübel in die Luft jagten und Knallkörper in Richtung der einschreitenden Exekutive warfen, sondern auch versuchten, die Schaufensterscheibe eines Juweliers am Reumannplatz einzuschlagen, um Uhren zu stehlen. Drei von ihnen müssen sich deshalb vor einem Schöffengericht unter Vorsitz von Alexandra Skrdla verantworten.

Den 21-jährigen Erstangeklagten Ihsan A. kennt die Vorsitzende bereits. "Es ist ja nicht das erste Mal, dass Sie vor mir sitzen", merkte sie gegenüber dem dreifach vorbestraften Syrer an. "Wie kommt es dazu, dass Sie den Reumannplatz verwüsten?", will Skrdla von A. wissen. "Ich war nicht bei Sinnen und habe einfach mitgemacht", versucht der Erstangeklagte zu erklären. Er habe damals seinen Geburtstag mit Freunden gefeiert, eine Ecstasy-Tablette genommen und Alkohol getrunken.

Erstangeklagter wollte mit Einbruch Schulden begleichen

Die Vorsitzende reagiert gelinde gesagt unfroh auf diese Verteidigungsstrategie. "Ich kann auch ein Sachverständigengutachten einholen. Wenn Sie zurechnungsunfähig waren, werden Sie aber längere Zeit in eine Anstalt eingewiesen!", stellt Skrdla in den Raum. Das hilft der Erinnerung A.s auf die Sprünge. Ja, er habe eine mit Benzin gefüllte PET-Flasche aus der Wohnung mitgenommen und mit dem Treibstoff einen Christbaum auf der Straße übergossen. Ja, er habe einen Mistkübel gesprengt. Ja, er habe mit den Resten des demolierten Abfallbehälters versucht, die Scheibe des Juweliers einzuschlagen, gibt A. zu. "Ich habe das gemacht, weil ich bei jemandem 3.000 Euro Schulden habe, den Namen möchte ich aber nicht nennen", lässt A. übersetzen. Tatsächlich handelt es sich dabei um den 19 Jahre alten Zweitangeklagten Alaa A., der das aber bestreitet.

Skrdla zeigt dem Erstangeklagten eine alternative Möglichkeit auf, seine Schulden zu begleichen: "Man hätte auch einfach arbeiten gehen können?" – "Ich habe schon einmal gearbeitet, bin aber entlassen worden, als ich einen Joint rauchte", sagt der 2015 nach Österreich Gekommene dazu. "Das ist genau das, was ich Ihnen auch letztens gesagt habe: Dann hören Sie auf mit den Drogen!", kann sich die Vorsitzende nicht verkneifen.

Beisitzer missfällt Suderei

Auch der Zweit- sowie der Drittangeklagte versuchen sich zunächst auf ihre Alkoholisierung auszureden. "Ich war enthemmt und wusste nicht, was so ein Böller bewirkt", beginnt Zweitangeklagter A., stößt damit bei Beisitzer Daniel Rechenmacher aber auf Widerspruch. "Ich mache Sie darauf aufmerksam, dass ein Geständnis nur ein Milderungsgrund ist, wenn es reumütig ist. Und das ist es nicht, wenn man herumsudert, dass man enthemmt war."

Der einmal Vorbestrafte nimmt sich das grundsätzlich zu Herzen, bestreitet aber zunächst, einen Böller der Klasse F3 in Richtung Polizei geschleudert zu haben. "Ich habe es auf den Boden geworfen. Nicht auf Leute", sagt er. Außerdem sei es dunkel gewesen, er habe die Beamten gar nicht als Polizisten erkannt. Nachdem allerdings Handyvideos vorgespielt werden, auf denen zu sehen ist, wie A. den Knallkörper bewusst in Richtung der Beamten schleudert, bekennt A. sich auch zu diesem Anklagepunkt schuldig.

Unglaubwürdige Alkoholmengen

Drittangeklagter Bilal A., ein im Libanon geborener 21-jähriger Staatenloser, der nur drei Tage vor den angeklagten Vorwürfen seine erste Vorstrafe ausgefasst hat, behauptet, die anderen hätten ihn unter Druck gesetzt, dass er das "Dynamit" in einen Mistkübel werfe. Außerdem sei er betrunken gewesen – ein Sachverständiger kam zu dem Schluss, dass A. 3,2 Promille gehabt haben müsste, wenn er tatsächlich die von ihm behauptete Alkoholmenge getrunken hätte. "Da würden Sie auf dem Boden liegen", glaubt die Vorsitzende dem Drittangeklagten seine Berauschung nicht.

Ihsam A. hält in seinem Schlusswort fest, dass er sich bei der Republik Österreich entschuldigen möchte, die ihm Asyl gewährt habe. Die im Namen ebendieser Republik von Skrdla verkündete Verurteilung zu drei Jahren Haft nimmt er an. Zusätzlich werden eine bedingte Strafe von acht Monaten widerrufen und zwei Monate einer bedingten Entlassung aufgehoben. Der Zweitangeklagte muss zwei Jahre in Haft, der Dritte drei. Die Entscheidungen sind nicht rechtskräftig, da der Staatsanwalt keine Erklärung abgibt. (Michael Möseneder, 20.10.2021)