Gedreht auf der Original-Finca: Johann Gudenus (Julian Looman) und Heinz-Christian Strache (Andreas Lust) treffen die Oligarchennichte (Anna Gorshkova, Mitte). Frau Gudenus (Cosima Lehninger) und Detektiv Julian H. (Nicholas Ofczarek) beobachten die Szenerie, jeder für sich, argwöhnisch.

Foto: EPO FILM/ PETRO DOMENIGG / FILMS

Bei der Schlüsselszene der Ibiza-Affäre stehen alle im Wald. Es ist ein österreichischer Wald, der Weg dorthin war holprig und das Auto hart gefedert. Das hat den Protagonisten der Szene merklich zugesetzt, das Schaukeln des Wagens ist ebenso wie das harmlose Geplauder des Försters nach einer durchzechten Nacht schwer auszuhalten.

Im Wald stehen also Johann Gudenus, seine Frau sowie "die Oligarchennichte" und "der Detektiv". Eigentlich stehen sie, schlecht gelaunt, in einer Höhle. Denn draußen schüttet es wie aus Kübeln. Die Oligarchennichte sieht nur für sehr gutgläubige Menschen so aus, als wäre sie tatsächlich interessiert, den Wald von Gudenus zu kaufen. Aber Gudenus will glauben, will vertrauen – denn längst glaubt er, einen größeren, noch dickeren Fisch an der Angel zu haben.

Psychologie hinter der politischen Geschichte

Den Köder ausgelegt hat der Detektiv Julian H., gespielt von Nicholas Ofczarek. Die Oligarchennichte, sie sprechen von ihr nur als der "Makarová", soll Interesse haben, die Kronen Zeitung zu kaufen. Gudenus ist elektrisiert, in der Höhle im Wald macht der Detektiv Druck: "Alles, was ihr Einfluss verschafft und etwas abwirft, ist interessant für sie." Gudenus verspricht, ein Treffen mit FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache auf Ibiza zu arrangieren, um über den Verkauf der Krone – gegen FPÖ-freundliche Berichterstattung – und ein paar Staatsaufträge zu sprechen. Der Rest ist österreichische Innenpolitik-Geschichte.

Die Verfilmung des spektakulären Politskandals von Regisseur Christopher Schier ist am 21. und am 28. Oktober in Doppelfolgen ab 20.15 Uhr auf Sky Atlantic zu sehen. Alle vier Episoden sind ab dem 21. Oktober auch auf dem Streamingservice Sky X und über Sky Q auf Abruf verfügbar. Man wird diese Serie nicht deshalb sehen, weil man unbedingt wissen wollte, was hinter dem Symbolwort "Ibiza" steckt. Mittlerweile kann man davon ausgehen, dass die meisten Menschen in Österreich das wissen. Man wird Die Ibiza-Affäre streamen, weil das Verhältnis der handelnden Personen zueinander, weil die Psychologie hinter der politischen Geschichte interessant ist.

Gier nach Geld und Einfluss

Regisseur Schier ist es gut gelungen, die Hybris hinter den balearischen Fantasien der beiden FPÖ-Ex-Granden herauszuarbeiten – genauso aber auch das üble Spiel um Macht und Unterordnung, das Gieren nach Geld und Einfluss.

Neben Ofczarek als Privatdetektiv Julian H. tritt David A. Hamade als Wiener Anwalt auf, der als Drahtzieher hinter dem heimlich aufgezeichneten "Zack-zack-zack"-Korruptionsvideo gilt. Die Rolle des ehemaligen österreichischen Vizekanzlers und FPÖ-Chefs Strache spielt Andreas Lust, der den Politiker grantig und latent aggressiv anlegt. In dieser Hinsicht schafft er eine ebenso amüsante wie gruselige Ähnlichkeit mit dem Privatdetektiv, dessen Laune permanent zwischen zur Schau getragener Lässigkeit, schlechter Laune und offener Panik und Verzweiflung wechselt.

Ofczarek als Julian H. gibt der Serie auch den Rahmen als Erzähler, der immer wieder auch dramaturgische Unterbrechungen einleitet. So werden etwa Antworten auf Fragen wie "Was ist das Geheimnis der Parteispende?" von Gudenus- und Strache-Kasperlfiguren im Urania-Puppentheater-Format eingeflochten.

Aufarbeitung

Großartig ist Julian Looman als Gudenus. So, wie er Straches besten Freund spielt, kann man die Beziehung der beiden im besten Fall als ungesund bezeichnen. Stefan Murr und Patrick Güldenberg als die "SZ"-Journalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier, die das Video als Erste veröffentlicht haben, bringen schließlich auch die Ebene der Aufdeckung in die gesamte Affäre. Anna Gorshkova schließlich, vermeintliche Nichte eines Oligarchen, spielt die widerstrebende "Bekannte" des Detektivs, die diesem leider einen Gefallen schuldet.

Die Aufarbeitung der Ibiza-Affäre wird wohl noch Jahre dauern, Sky ist es jedenfalls gelungen, mit einem herausragenden Ensemble der politisch und moralisch degoutanten Staatsaffäre rund um die türkis-blaue Regierung wenigstens einen künstlerischen Stellenwert zu geben. Der Zeitpunkt der Veröffentlichung jetzt könnte passender nicht sein. (Petra Stuiber, 21.10.2021)