Der "Marsch fürs Leben" in Wien wurde von Protesten begleitet.

Foto: Markus Sulzbacher
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Am vergangenen Samstag hieß es in der Wiener Innenstadt: "Eure Kinder werden so wie wir." Mit "wir" waren jene gemeint, die gegen den "Marsch fürs Leben" auf die Straße gingen, einer Demonstration von Abtreibungsgegnern und Abtreibungsgegnerinnen. Im Vergleich mit früheren Jahren waren die Gegenproteste heuer besonders stark.

Blockaden sorgten dafür, dass der Marsch eine Ausweichroute nehmen musste und der Demozug mehrmals zum Stehen kam. Im Zuge der Blockaden kam es auch zu Rangeleien zwischen der Polizei und den Demonstrierenden, einige Protestierende wurden für einige Stunden in Gewahrsam genommen. Die Initiatoren und Initiatorinnen des Marsches reagierten betont gelassen auf die Vorfälle, kündigten aber Anzeigen an.

Auf ihrer Homepage wurden der Gegenprotestierenden später dann als "ungewaschene und unrasierte Figuren, die meisten in Schwarz gekleidet, alle ein wenig müffelig, viele entstellend tätowiert" bezeichnet.

Der Marsch.
Foto: Markus Sulzbacher
Stand-off zwischen Polizei und Gegendemo.
Foto: Markus Sulzbacher

Laut den Veranstaltern nahmen 2.500 Menschen an ihrer Demonstration teil, tatsächlich dürften es aber weniger gewesen sein. Schätzungen liegen zwischen 1.000 und 1.200 Personen.

Identitäre mit dabei

Auffällig dabei: Neben strengkatholischen Lebensschützern und Vertretern anderer christlicher Kirchen nahm auch eine Gruppe von organisierten Rechtsextremen teil. Darunter waren Personen aus dem Umfeld der Identitären, deren Sprecher Martin Sellner zuvor via Telegram den Marsch beworben hatte. Sellner selbst tauchte bei dem Marsch nicht auf. Seine Werbung kam nicht von ungefähr. Rechtsextreme und ultrakonservative Christen eint die Ablehnung des Rechts auf Abtreibung. Sie wollen nicht, dass Frauen selbst entscheiden können, ob sie Kinder haben wollen – oder eben nicht.

ÖVP-Nationalratsabgeordneter ist nichts aufgefallen

Der ÖVP-Nationalratsabgeordneten Gudrun Kugler, die ebenfalls am "Marsch fürs Leben" teilnahm, sind "keine dem rechtsextremen Umfeld zuzuordnenden Personen aufgefallen", wie sie dem STANDARD sagt. Allerdings könnte "man jede gute Sache dadurch diskreditieren, indem man so eine Behauptung aufstellt. Problematisch finde ich die linksextremen Gegendemonstranten der Antifa, die sich als 'Schwarzer Block' bezeichnen und durch Sitzblockaden Menschen an ihrem demokratischen Recht zu demonstrieren hindern", so Kugler. Sie betont im Gespräch mit dem STANDARD jedenfalls, dass sie sich "seit eh und je" von "rechtsextremen Positionen" distanziere.

ÖVP-Nationalratsabgeordnete Gudrun Kugler (Mitte) bei der Kundgebung vor dem Stephansdom.
Foto: Markus Sulzbacher

Kugler, die seit Jahren als vehemente Gegnerin von Schwangerschaftsabbrüchen auftritt, gilt als erzkatholisches Aushängeschild der Volkspartei. Dementsprechend hält sie auch wenig von Ehen gleichgeschlechtlicher Partnerinnen und Partner. So führte die Politikerin in einem Artikel in der Zeitschrift des Mittelschüler-Kartell-Verbands aus, die Homo-Ehe führe "unweigerlich zu schrittweisen Erweiterungen", etwa einer "Ehe unter Geschwistern".

ÖVP gegen Identitäre-Umtriebe

Dass sich auch Identitäre an dem Marsch der Abtreibungsgegner und Abtreibungsgegnerinnen beteiligten, passt nicht zur aktuellen Linie der ÖVP, die regelmäßig gegen die rechtsextreme Gruppierung auftritt. Zuletzt fand Innenminister Karl Nehammer am vergangenen Sonntag scharfe Worte, nachdem die Gruppe zuvor an der burgenländischen Staatsgrenze patrouilliert hatte, um Grenzübertritte zu verhindern. Für Nehammer sind derartige Aktionen "nicht tolerierbar." Allerdings wurde sie nicht von den Behörden unterbunden, sondern lediglich vom Verfassungsschutz und der Polizei beobachtet.

Personen aus dem Umfeld der Identitären nahmen an dem Marsch teil.

Neben Kugler nahmen auch weitere Politiker aus den Reihen der ÖVP und der FPÖ an der Demonstration teil.

Wenig Berührungsängste

Ein anderer Teilnehmer des "Marsches fürs Leben" hat hingegen offensichtlich wenig Berührungsängste mit Rechtsextremen. Alexander Tschugguel, einer der Organisatoren, plauderte im Podcast der Zeitschrift "Info Direkt" über die Demonstration und die Blockadeaktionen. Er kündigte Klagen an und bezeichnete "die Antifa" als "Terroristen", die treu zum Staat stehen würden.

Eine Erzählung, die derzeit in rechten Kreisen zirkuliert, um Antifaschismus zu diskreditieren. "Info Direkt" gilt als eine Art Zentralorgan des rechtsextremen Milieus, in dem Blatt kommen FPÖ- sowie AfD-Politiker, Identitäre, ehemalige Südtirol-Attentäter und einstige Mitglieder verbotener Parteien zu Wort. Dabei wird darauf geachtet, dass Ereignisse der Jahre 1933 bis 1945 nicht groß erwähnt werden, wie der Chefredakteur unlängst bei einem Vortrag in Deutschland ausführte. (Markus Sulzbacher, 21.10.2021)