Bild nicht mehr verfügbar.

Foto: Gonzalo Fuentes/Reuters

Über mangelnde (mediale) Aufmerksamkeit kann sich Apple nun wahrlich nicht beschweren. Ausgerechnet die folgenschwere Entscheidung, nach iPhones und iPads auch die Macs mit eigenen Chips auszustatten, blieb im Vergleich zu den massentauglichen iPhone-Launches bisher aber ein wenig unterbelichtet. Spätestens mit der Präsentation der neuen Macbook-Pro-Serie und der leistungsstarken Chips M1 Pro und M1 Max ist klar, dass für bisherige Marktführer wie Intel, AMD, Qualcomm oder Nvidia düstere Zeiten anbrechen dürften.

Ein Jahrzehnt Vorbereitung

"Apple erntet jetzt die Früchte für eine strategische Entscheidung, die bereits vor zehn Jahren getroffen wurde", erklärt Technologie-Analyst Horace Dediu im STANDARD-Interview. Was mit den eigenen energieeffizienten Chips in mobilen Geräten wie iPhones und iPads begonnen habe, finde jetzt im klassischen PC-Bereich die logische Fortsetzung.

Die Integration von Prozessor, Grafikeinheit und diversen anderen Komponenten in einem Chipsystem sorgt in Kombination mit der perfekt darauf abgestimmten Software nicht nur für enorme Leistungssteigerungen und Energieeffizienz mit bisher unerreichten Akkulaufzeiten. Sie macht Dediu zufolge auch das Geschäftsmodell von Intel und Co zunichte, die ihre Prozessoren und Grafikkarten vorgefertigt, sozusagen von der Stange, für die diversen Hersteller zum Einbau in ihre Produkte anbieten.

Warum Intel mit dem Rücken zur Wand steht

"Intel konnte mit diesem modularen System, das ein Vermächtnis der Windows-PC-Ära ist, definitiv nicht mehr liefern, was Apple sich für seine Produkte und die neue Computing-Ära wünschte", sagt Dediu. "Da Intel wie auch andere Chiphersteller diesen Pfad jedoch nicht verlassen konnten, stehen wir nun vor der paradoxen Situation, dass die ehemaligen Marktführer plötzlich in den Seilen hängen und ihre Existenz infrage gestellt ist."

Die Spezifikationen des neuen Chips M1 Max, der im Macbook Pro verbaut ist.
Foto: Apple

Wie ernst die Situation ist, wurde erst am Dienstag wieder bei der Google-Präsentation der neuen Pixel-Smartphones deutlich. Denn Google hat ebenfalls den Apple-Weg eingeschlagen und einen eigenen Prozessor bzw. ein Chipsystem (SoC) im Pixel 6 verbaut, das durch das optimierte Zusammenspiel von Hardware und Software hohe Performance und gute Akkulaufzeiten verspricht. Neben dem Smartphone-Hersteller Oppo, der am Mittwoch ebenfalls eigene Prozessoren für seine Geräte ankündigte, will auch Microsoft künftig eigene Chips für seine Surface-Geräte und Datenzentren verbauen.

Ende der "Wintel"-Ära

"Wir erleben gerade einen totalen Dogmenwechsel, wie man einen Computer baut. Jahrzehntelang ging es – Stichwort Wintel – um das modulare Zusammensetzen von Hardware-Komponenten und Software. Google trieb dies auf die Spitze, indem ihnen nicht nur die Hardware, sondern zunächst auch das Betriebssystem komplett egal war. "Sie fokussierten ausschließlich auf die oberste Ebene, nämlich Internet-basierte Services und Apps", sagt Tech-Analyst Dediu.

Apples Weg, alles optimal abgestimmt in ein System zu integrieren, sei genau das Gegenteil davon – und bringe mittlerweile auch Google und Microsoft unter Zugzwang. Die großen Techkonzerne, die über entsprechende Finanzmittel verfügen, würden künftig auf die In-house-Entwicklung von Prozessorarchitekturen setzen. Denkbar sei auch, dass Google Herstellern von Android-Geräten, die sich das nicht leisten können, nicht nur das mobile Betriebssystem, sondern darauf abgestimmt optimierte Chips anbieten werde.

Ferrari und Porsche als Vorbild

Die Macbook-Chips M1 Pro und M1 Max, die mit zehn CPU-Kernen und bis zu 32 GPU-Kernen die Herzen der Apple-Fanbase und vieler Pro-User erobern sollen, dürften zudem nur ein erster Vorgeschmack darauf sein, was Apple noch vorhat. Auch Dediu rechnet damit, dass der noch nicht vorgestellte Chip für den Desktoprechner Mac Pro, der im Gegensatz zu den Macbooks auf Energieeffizienz und Temperaturentwicklung weniger Rücksicht nehmen muss, diverse Leistungsrekorde sprengen könnte. Profitieren könnten dabei vor allem Anwendungen, die stark auf künstliche Intelligenz aufbauen.

Die integrierten System-Chips (SoC) garantieren hohe Akkulaufzeiten.
Foto: Apple

Dass Apple sich nach einigen Jahren, in denen die Pro-Linie sträflich vernachlässigt wurde, nun doch wieder dieser Nische widmet, mag überraschen. Dediu zufolge gehe es dabei weniger ums Geldverdienen als um das eigene Image.

"Apple macht das, weil sie es können und sich dabei gut fühlen. Das mag wie ein trivialer Beweggrund klingen, aber Entwicklerteams besitzen einen gewissen Stolz und Ehrgeiz. Das ist vergleichbar mit Autoherstellern wie Porsche oder Ferrari. Auch wenn sich die Porsche-SUVs besser verkaufen, wird der Luxussportwagen 911 immer das Auto sein, mit dem die Marke in Verbindung gebracht wird", sagt der Tech-Analyst zum STANDARD.

Der Rest ist Marketing

Hier komme Apples hervorragendes Marketing ins Spiel. Denn auch wenn die neuen leistungsstarken Pro-Geräte in erster Linie für professionelle Video- oder Audioeditoren sowie Software- und Grafikentwickler einen wirklichen Mehrwert bringen würden, schaffe es Apple auch, herkömmlichen Usern einzureden, dass sie diese Geräte brauchen – etwa um Videos für Youtube oder Instagram zu produzieren, sagt Dediu: "Es gibt nur wenige erfolgreiche Filmemacher, aber Zehntausende, die davon träumen. Diese holt Apple mit seinem Marketing ab." (Martin Stepanek, 21.10.2021)