Andreas Hanger ist in der ÖVP der Mann fürs Grobe. Wenn die Volkspartei die Opposition, Medien, den Koalitionspartner oder die Justiz angreifen will, ohne gleich eine Ministerin, einen Minister oder Parteichef Sebastian Kurz selbst auszuschicken, kommt Hanger zum Zug. Der Abgeordnete gilt in seiner Partei als etwas ungehobelt und schmerzbefreit – in Parteistrategen-Denke eine ideale Kombination für politische Attacke. Donnerstagvormittag rückt er aus, um die SPÖ zu treffen. Es ist ein Angriff aus der Defensive.

Andreas Hanger erklärte am Donnerstag die Begriffe "Scheinheiligkeit" und "Doppelmoral".
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Gegen die ÖVP als Partei, ihren Chef Kurz und einen Großteil dessen engster Mitarbeiter laufen derzeit bekanntlich Ermittlungen. Die Staatsanwaltschaft wirft ihnen vor, mit Steuergeld aus dem Finanzministerium gefällige Umfragen und begleitende Berichterstattung für Kurz im Boulevardblatt Österreich gekauft zu haben. Über die sichtbargewordenen Praktiken der Türkisen empört sich – neben vielen anderen – auch die SPÖ. In einer eigens dafür anberaumten Pressekonferenz nennt Hanger die entrüsteten Sozialdemokraten nun scheinheilig. Es handle sich um "Doppelmoral".

Hohe Ausgaben für Inserate

Scheinheilig sei es, führt er aus, wenn man etwas kritisiere, aber selbst praktiziere. Von Doppelmoral könne man sprechen, wenn jemand etwas kritisiere, davon jedoch "seit Jahren selbst profitiert". Beides treffe auf die SPÖ zu, erklärt der Türkise. Im nächsten Atemzug ruft er zu mehr "Sachlichkeit" auf.

Dann versucht Hanger zu illustrieren, warum die SPÖ in Sachen Inserate die gleichen Methoden anwende, die der ÖVP vorgeworfen werden. Das ganze System sei vom früheren roten Kanzler Werner Faymann eingeführt worden – bis heute werde es in der Stadt Wien praktiziert, trägt er vor. Während die Bundesregierung für Inserate 5,3 Euro pro Einwohner ausgebe, seien es in Wien 19 Euro pro Kopf.

Hanger erinnert auch an die Top-Team-Affäre um den roten Kärntner Landeshauptmann Peter Kaiser. Ihm war vorgeworfen worden, dass über falsche Rechnungen öffentliche Gelder an die frühere SPÖ-Partei-Werbeagentur Top Team geflossen seien. Die Ermittlungen wurden eingestellt. Zudem verweist Hanger auf eine Umfrage, die vor dem SPÖ-Parteitag im Juni erschien und in der die SPÖ unrealistisch hoch eingeschätzt worden sei.

Deutsch: "Absurde Verschwörungstheorien"

Es handelt sich dabei um eine Umfrage der Institute Market und Lazarsfeld, die Ende Mai durchgeführt wurde. Auch der STANDARD hatte darüber berichtet. "Diese Studie wurde mit Sicherheit weder von uns beauftragt noch bezahlt", sagt SPÖ-Kommunikationschef Stefan Wenzel-Hirsch auf Anfrage des STANDARD.

Der rote Bundesgeschäftsführer Christian Deutsch spricht in einer Aussendung von einem "erbärmlichen Ablenkungsmanöver" und "absurden Verschwörungstheorien" der ÖVP. "Die türkisen Handlanger können noch so wild um sich schlagen, die Skandale und Vorwürfe rund um Korruption, Bestechlichkeit, Amtsmissbrauch, Veruntreuung von Steuergeld und die niederträchtigen Chats werden nicht verschwinden", wehrt sich der Sozialdemokrat. (Katharina Mittelstaedt, 21.10.2021)