"Mutantenjäger" Ulrich Elling mit Blick auf das Spike-Protein von Sars-CoV-2. Delta Plus weist im Vergleich zu Delta in diesem Bereich zwei Mutationen auf, die diese Untervariante infektiöser machen dürften.

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Seit Monaten dominiert die Delta-Variante nicht nur bei uns, sondern – als erste Mutante von Sars-CoV-2 – weltweit das Pandemiegeschehen. Doch nun dürfte sie Konkurrenz quasi aus dem eigenen Stamm bekommen, nämlich durch die Untervariante AY.4.2, oder eben: Delta Plus. "Diese Untervariante dürfte noch einmal um zehn bis 15 Prozent infektiöser sein als Delta", sagt der Genetiker Ulrich Elling vom IMBA Wien.

Delta Plus (nicht zu verwechseln mit der früheren Variante aus Nepal, die ebenfalls so bezeichnet wurde) könnte damit mittelfristig die ursprüngliche Delta-Variante ablösen, die um rund 60 Prozent infektiöser ist als ihre Vorgängerin Alpha und vermutlich auch für mehr schwere Verläufe sorgt. Dass sich AY.4.2 durchsetzen könnte, schließt man vor allem aus den epidemiologischen Daten aus Großbritannien, erklärt Elling, der am Donnerstagvormittag bei einem Expertengespräch der WHO mit seinen Kollegen die neuesten Erkenntnisse über Delta Plus besprach.

Zunahme in Großbritannien

Wichtigster Anhaltspunkt, warum Delta Plus nun auch von der WHO ernst genommen wird: Bei den Briten nahm der Anteil von Infektionen mit AY.4.2 (insgesamt gibt es bisher mehr als 40 Untervarianten, die alle mit AY beginnen) in den letzten Wochen langsam, aber beständig zu und beträgt nun bereits mehr als zehn Prozent. Die Tendenz ist weiter steigend – allerdings viel langsamer, als das etwa bei Delta im Vergleich zu Alpha im Laufe des Sommers der Fall war.

Anstieg der gemeldeten – also im Detail sequenzierten – Fälle von AY.4.2 in Europa.
Grafik: Ulrich Elling (IMBA)

In Österreich, wo nicht zuletzt dank der Anstrengungen von Elling und seinem Team ein sehr guter Überblick über die Virenvarianten gegeben ist, wurden bis jetzt erst rund 30 Fälle registriert. Ähnliche Größenordnungen gebe es bislang in den meisten westeuropäischen Ländern. Der Sequenzierexperte vermutet allerdings, dass die Zahlen in Südosteuropa deutlich höher sein könnten, weil da wenig sequenziert wird, aber dennoch bereits etliche Fälle registriert wurden.

Fehlende Labordaten

Was der Grund für die erhöhte Infektiosität ist, wird von den Experten noch diskutiert. "Vermutlich liegt das an den beiden Mutationen im Spike-Protein, Y145H und A222V", erklärt Elling. Delta habe bereits besonders viele Mutationen in dieser Region aufgewiesen, durch diese beiden Veränderungen, die zum Teil schon aus anderen Varianten bekannt sind, dürfte AY.4.2 noch einmal ansteckender sein.

Die beiden Mutationen von Delta Plus (im Vergleich zu Delta) im Spike-Protein, mit dem das Virus an unsere Zellen andockt.
Grafik: Ulrich Elling (IMBA)

Brauchbare Labordaten liegen allerdings noch nicht allzu zahlreich vor – und so lässt sich auch noch nicht sagen, ob Delta Plus auch virulenter ist (also für mehr schwere Verläufe sorgt) und ob die Variante die Wirkung der Impfung besser unterlaufen kann als Delta. (Deutsche Studien, die in den Medien in dem Zusammenhang zuletzt immer wieder zitiert wurden, beziehen sich auf Delta Plus aus Nepal.)

"Keine unnötige Panik"

Was bedeuten diese Erkenntnisse nun für die weitere Pandemie? Elling warnt jedenfalls vor unnötiger Panik und sieht den aktuellen Anstieg der Infektionszahlen in Großbritannien und weiten Teilen Europas definitiv nicht mit Delta Plus begründet: "Diese jüngsten Anstiege auch in Österreich sind auf die saisonalen Effekte wegen des kalten Wetters zurückzuführen, die für rund 40 Prozent mehr Infektionen sorgen und nicht auf die neue Variante."

Für Elling ist AY.4.2 – nach allem, was wir bisher wissen – entsprechend nicht der große "Gamechanger", wie das noch die ursprüngliche Delta-Variante mit ihrer um 60 Prozent höheren Infektiosität war. "Wichtig ist jetzt zum einen, AY.4.2 und andere Varianten weiter genau zu beobachten, und zum anderen die Bevölkerung weiter durchzuimpfen. Denn die Impfung schützt vor allen bekannten Mutanten." (Klaus Taschwer, 21.10.2021)