Elton John im Freizeitanzug: Heute erscheint sein Album "The Lockdown Sessions".

Foto: Gregg Kemp

Sucht man mit der Suchmaschine seines Vertrauens den Begriff "Lockdown Sessions" spuckt sie zurzeit knapp 50 Millionen Ergebnisse aus. Es ist kein Begriff, der ein Alleinstellungsmerkmal besäße. Dennoch: Hoch oben in den Ergebnissen erscheint ein vertrautes Antlitz. Ein freundlich grinsendes Gesicht mit einer zur Trademark gewordenen Brille mit bunten Gläsern. Das Gesicht dahinter gehört Elton John. Er veröffentlicht heute sein Album The Lockdown Sessions, es ist das 32. Studioalbum des britischen Popstars, der als Reginald Kenneth Dwight geboren wurde, sich heute allerdings Sir Elton Hercules John nennt.

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Den Hercules verdiente er sich wohl mit der Kraft in seinen Fingern: Jahrzehntelanges Klavierspiel hat ihm das Vermögen eingebracht, mit einem Stinkefinger ein ganzes Stadion voller Menschen beleidigen zu können – was er als freundlicher Sir natürlich nie tun würde.

Illustre Gäste

Für seine Lockdown Sessions hat der heute 74-Jährige sich, wie er sagt, aus seiner Komfortzone herausgewagt. Das stimmt insofern, als er mit einer Reihe von Stars kollaboriert, die rein stilistisch oft wenig mit den meist klaviergetriebenen Popsongs des Sirs zu tun haben. Zu den Gästen zählen die Gorillaz, Eddie Vedder, Brandi Carlile, Charlie Puth, Stevie Wonder, Nicki Minaj, Young Thug, Stevie Nicks und Dua Lipa.

Das mit Dua Lipa eingespielte Cold Heart wurde im Remix von PNAU ein Nummer-eins-Hit in Little Britain. Ein zeitgenössisch pumpender Popsong, dessen Damenchor dem Lied gegen Ende eine gospelmäßige Erhabenheit verleiht und in dem Elton John sich auf die Hände setzte: kein Klavier.

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Das hält er natürlich nicht lange durch, wobei anzumerken gilt, dass sein fröhliches, mitunter aufdringliches Spiel (Morbus Jools Holland!) bei Versuchen mit Trap-Künstlern wie Young Thug eher seltsame Blüten hervorbringt, zumal das natürlich nicht ohne Auto-Tune abläuft, da winkt Mickey Mouse mit dem Zaunpfahl.

Es ist eine Sünde

Mit Eddie Vedder von Pearl Jam klavierrockt er, mit Miley Cirus bombastet er und lässt die Geigen schmachten, mit Olly Alexander alias Years & Years interpretiert er It’s a Sin von den Pet Shop Boys. Das Ergebnis ist – schwierig. Der Song ist so gut, dass ihn wahrscheinlich nichts umbringt, mit seiner an den deutschen Showtenor Peter Hofmann erinnernden Interpretation übertreibt es der Sir aber.

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Am schönsten ist es am Schluss. Nicht weil es dann aus ist, sondern weil am Ende ein Song von Glen Campbell steht. Der dahingegangene Country-Star litt an Alzheimer und glitt langsam in den Nebel des Vergessens. Das diese Sessions beendende I’m Not Gonna Miss You stammt aus dem Soundtrack einer Doku über Campbells letzte Jahre – und John setzt damit einen würdigen Schlusspunkt. (Karl Fluch, 22.10.2021)