Klare, transparente Regeln gibt es in vielen Firmen für die Mitarbeitenden nicht, und häufig verdient der mehr Gehalt, der es lautstark einfordert.

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Gerade habe ich beim Mittagessen in einer Art konspirativen Sitzung herausgefunden, was meine Kollegen verdienen, die – so wie ich – insgesamt fünf bis sieben Jahre Berufserfahrung haben und mehr oder minder die gleiche Tätigkeit ausüben.

Und die schreckliche Wahrheit ist: Ich verdiene um ganze 24 Prozent weniger. Ich hatte bei Einstieg das angebotene Gehalt um fünf Prozent nach oben verhandelt, war eigentlich damit zufrieden, und seither habe ich über die Kollektivvertragsabschlüsse mehr oder minder die Inflation abgegolten bekommen, so wie alle anderen auch.

Kein Einzelfall. Erstens verdienen Frauen in Österreich unbereinigt um 18,5 Prozent weniger als ihre männlichen Kollegen, und zweitens ist Gehalt immer noch ein Tabuthema. Klare, transparente Regeln gibt es in vielen Firmen für die Mitarbeitenden nicht, und häufig verdient der mehr Gehalt, der es lautstark einfordert.

Keine negativen Emotionen

Was also tun, wenn man herausfindet, dass man schlecht verhandelt hat und viele andere bei gleichem Job Level und – gefühlt – allerhöchstens gleicher Leistung mehr verdienen? Natürlich besteht die Gefahr, dass man stinksauer ist, sich betrogen oder hintergangen fühlt und die Vorgesetzten bei der nächsten Begegnung wutentbrannt damit konfrontiert, dass andere mehr verdienen.

Aber Achtung: Das sind gleich drei absolute No-Gos!

  • Niemals in emotionalem Zustand wichtige Themen verhandeln. In einer Gehaltsverhandlung möchte ich einerseits das angestrebte Gehalt bekommen und andererseits weiterhin ein gutes Arbeitsverhältnis mit meinen Vorgesetzten haben. In dieser Situation werde ich schwierig mit sachlichen Argumenten punkten können.
  • Die Vorgesetzten nicht zwischen Tür und Angel mit dem Thema konfrontieren, sondern um einen separaten Termin bitten und Zeit für das Gespräch einplanen.
  • In Gehaltsverhandlungen nicht das Gehalt anderer Kolleginnen oder Kollegen als Referenz zitieren – denn es geht nicht um die anderen, sondern um meinen Job und meine Leistung. Viel eher dieses Wissen klug und diskret nützen, wenn's um den eigenen Marktwert geht.

Mit Vorbereitung punkten

Gründliche Recherche bleibt einem nicht erspart, ist aber heutzutage wesentlich einfacher, da viele Webseiten einen sehr guten Überblick über die marktüblichen Gehälter geben. Hilfreich ist, nicht nur Kollegen und Freundinnen mit vergleichbaren Jobs zu befragen, sondern auch Mentoren um einen Ratschlag zu bitten. Sie mögen Ihnen bitte mitteilen, welches Gehalt sie für Ihre Position angemessen empfänden. Und unbedingt beachten, dass der Marktwert einer Position nicht eine einzige Zahl ist, sondern eine Gehaltsbandbreite. Wo in dieser Bandbreite das eigene Gehalt angesiedelt ist, kann man durch sein Potenzial, seine Kompetenzen und seine Leistungsbereitschaft durchaus beeinflussen.

Das neue Gehaltsziel sollte man SMART definieren, das heißt, man überlegt sich genau, wie viel man jährlich brutto mehr verdienen möchte. In absoluten Zahlen und in Prozent – und bitte ein realistisches und gleichzeitig lohnendes Ziel anstreben, sonst macht das Verhandeln keinen Sinn: Wer nur ein Prozent Erhöhung anstrebt, der sollte besser auf die nächste Kollektivvertragsverhandlung warten. Genauso gilt: Wer weiterhin den gleichen Job macht, wird schwerlich mehr als fünf bis zehn Prozent Erhöhung bekommen – und auch das nur, wenn es gut argumentiert wird.

SMART bedeutet auch: termingebundene Ziele definieren – also nicht abwimmeln oder vertrösten lassen, wenn die Vorgesetzten im ersten Termin zwar den Argumenten folgen, aber meinen, es sei nicht der richtige Zeitpunkt oder kein Budget vorhanden. Unbedingt nächste Schritte schriftlich festhalten und einen neuen Besprechungstermin ausmachen, um deutlich zu machen, wie ernst einem dieses Thema ist.

Was haben Firmen davon?

Wer diese Frage nicht schlüssig beantworten kann, sollte besser kein Gespräch beginnen. Hier ein paar Anregungen: Vielleicht hat man als absoluter Junior begonnen und befindet sich immer noch im gleichen Job, obwohl man längst die Arbeit einer gestandenen Spezialistin macht und das Unternehmen eigenständig nach außen vertreten kann. Vielleicht hat sich der eigene Verantwortungsbereich in den letzten Jahren deutlich vergrößert, und man ist zuständig für die Einarbeitung aller Neuen im Bereich, vielleicht leitet man mittlerweile zusätzlich zum eigentlichen Aufgabengebiet ein für das Unternehmen wichtiges Projekt. Oder man hat vor Jahren begonnen als noch wenig beachtete Datenanalystin und gehört mittlerweile zur Riege der heißbegehrten Big-Data-Spezialistinnen – und hat damit einen deutlich erhöhten Marktwert gegenüber dem Einstiegszeitpunkt.

Spätestens nach der Recherche sollte einem nicht nur der veränderte Marktwert bewusst sein, sondern auch der erhöhte Nutzen, den die eigene Tätigkeit für das Unternehmen stiftet. Und warum sollte man als Unternehmen eine Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter nicht fair entlohnen wollen, die man ansonsten womöglich teurer vom Markt einkaufen müsste? (Martina Ernst, 27.10.2021)