Ein warmer, strahlend schöner Herbsttag mit kaum einem Wölkchen am berühmten, vielbedichteten und vielbesungenen Himmel von Paris. Pünktlich um 15.30 Uhr betritt Sarah Biasini die dem Louvre zugewandte Terrasse des Café Marly in der Rue de Rivoli, eine zierliche Frau, cool und mit sympathischem Lächeln, die sich dem Gesprächspartner sogleich offen und freundlich zuwendet.

Daten zu ihrer Person: 1977 als Tochter von Romy Schneider und deren damaligem Ehemann Daniel Biasini geboren. Theater-, Film- und TV-Schauspielerin. Verheiratet mit dem Regisseur Gil Lefeuvre, seit 2018 Mutter einer Tochter namens Anna und seit 2021 auch Buchautorin: La beauté du ciel ist im Jänner in Frankreich erschienen, ab kommendem Montag, dem 23. Oktober, liegt das Buch unter dem Titel Die Schönheit des Himmels auch in österreichischen Buchhandlungen auf.

Mutter und Tochter: die Schauspielerin und Autorin Sarah Biasini.
Foto: AFP / Guillaume Souvant

Im November wird Biasini ihr Werk an fünf Tagen in Folge in fünf Städten im deutschen Sprachraum präsentieren (am 25. November im Metro Kulturhaus in Wien). Biasini selbst spricht ("Schande über mich") kein Deutsch; in Wien, dem Geburtsort ihrer Mutter, hat sie früher einmal ein paar Tage mit Dreharbeiten verbracht.

Sie ist der Stadt emotional zugetan, hat aber keine Freunde oder Bekannte hier. Die Unterhaltungen in Deutschland mit ihrer Großmutter Magda Schneider – sie starb, als Biasini 18 Jahre alt war – fanden in einer Melange aus Englisch und Italienisch statt, eine nicht unkomplizierte Angelegenheit. "Sie war auch schon sehr betagt. Wir haben uns irgendwie durchgewurstelt."

Abteilung "Roman"

In der Buchabteilung der Pariser Fnac im Forum des Halles findet man La beauté du ciel in der Abteilung "Roman", und das ist keine schlechte Positionierung. Mit einer für eine Debütantin erstaunlichen Stil- und Formsicherheit vermengt Biasini Elemente der Autobiografie, des Tagebuchs und des Briefromans zu einem souverän komponierten, stimmigen, und, wenn man so will, romanhaften Ganzen.

"Ich hatte schon seit der Geburt meiner Tochter, seit ungefähr drei Jahren, den Impuls, zu schreiben, mit der Idee im Kopf, dass das Freiheit und Unabhängigkeit bedeutet. Was ich nicht schreiben wollte, war eine dieser Geschichten über das Leben einer werdenden Mutter: Ah, wie süß, ich bin schwanger, oh, mein Bauch ist gewachsen, oh, là, là, jetzt setzen die Schmerzen ein, ah, jetzt ist das Kind da." Der Versuch einer chronologisch angeordneten Autobiografie – Kindheit, Jugend etc. –, an der sie sich versuchte, befriedigte sie ebenso wenig.

Grabschändung

Schließlich war es die spezifische Verkettung von einem makabren und einem glückhaften Ereignis, die ihr bei der Suche nach dem "Fond", dem Grund dessen, was sie eigentlich erzählen wollte, bei der Konzeption des Buches zu Hilfe kam. 2017 hatten sich Unbekannte am Grab ihrer Mutter in Boissy-sans-Avoir, einem 50 Kilometer von Paris entfernten Flecken mit ein paar Hundert Einwohnern, zu schaffen gemacht.

"Solche Dinge kommen immer wieder vor, bei jüdischen Friedhöfen passiert das häufig, aber man spricht wenig darüber. Das ist keine banale Sache. In mir hat das eine Reihe von Gefühlen ausgelöst und mich vor eine Reihe von Fragen gestellt."

Eine Betonplatte verhinderte, dass die Grabschänder bis in die Grabkammer vordringen konnten, aber der Schock saß tief. Geklärt wurde das Verbrechen bis zum heutigen Tag nicht.

Drei Wochen nach dem Ruchbarwerden der Grabschändung wurde Biasini plötzlich schwanger, nachdem sie dies über lange Jahre hinweg erfolglos angestrebt hatte (ihre Erklärungsversuche: sie Raucherin, der Mann Raucher, beide nicht mehr ganz jung). Sie sah darin den Akt einer geheimnisvollen Verbindung zwischen ihrer Mutter, sich selbst und ihrer Tochter und wusste mit einem Mal, was sie wollte: aus ihrer Sicht zu schreiben über "die Beziehung zu meiner Mutter, das Leben, den Tod, die Liebe, ihre Abwesenheit, die Beziehung zwischen den Generationen und darüber, wie die Erfahrungen zwischen ihnen weitergegeben werden".

Glück und Unglück

Damit war eine Stoßrichtung des Buches festgelegt, die im Einklang mit dem stand, was sie in einer delikaten Lebenssituation fühlte und dachte. Und mit einem Anliegen, das sie seit langem umgetrieben hatte: "Ich wollte schon immer erzählen, welche Folgen glückliche und unglückliche Ereignisse im Leben eines Menschen haben können." In ihrem Fall schlägt sich die biografisch gut begründete Angst vor dem Tod in einer ausgeprägten Sorge um ihr Kind nieder.

Die Fragen, die Biasini sich stellt – Wie stehe ich zu meiner Mutter? Wie zu meinem Kind, meinen Kindern? Was gebe ich weiter und weswegen gerade das, was ich weitergebe? –, sind keineswegs nur Frauenfragen, sondern geschlechterübergreifende, existenzielle.

"Ich wollte kein Buch mit Frauengeschichten schreiben, Frauenproblemen, Schwangerschaft und so fort." Die vielen Reaktionen von Männern, die sich in diesen Fragen wiedererkannten, haben Biasini dann auch nachträglich in dieser Haltung bestärkt.

Für die Tochter eines Weltstars ist ein solches Buchunterfangen etwas anderes als für Menschen, deren Eltern keine Weltstars sind. Romy Schneider, ihr Leben, ihr Werk, ihr Schicksal sind überlebensgroße Themen mit dem Potenzial – und der Gefahr –, alles, was in ihren Orbit gelangt, zu absorbieren: Schneider, die neben Marlene Dietrich und Hildegard Knef in der winzigen Liga weiblicher deutscher Weltstars mitspielte.

Schneider, die sich ihr Leben lang mit der Schuld der Deutschen herumschlug (Das alte Gewehr, Die Spaziergängerin von Sanssouci). Und Schneider, die mit transgressiven Frauenrollen (Nachtblende, Trio Infernal) ausgewiesene Feministin war, ohne sich aufdringlich als solche zu präsentieren. Die Frage nach ihrer Einstellung zu #MeToo und den Auswirkungen auf Frankreich erheitert Biasini: "Männer haben Frauen oft schlecht behandelt, das müssen sie jetzt eben ausbaden."

Offenheit und Diskretion

Mit der Schönheit des Himmels hat Biasini ein Buch geschrieben, das nicht im Schatten ihrer Mutter, sondern, in seiner Durchdachtheit und warmherzigen Ehrlichkeit, voll und ganz auf eigenen Beinen steht.

Bei der Schilderung ihrer Gefühle tariert sie völlige Offenheit und Diskretion aus, Diskretion auch bei und mit sich selbst: "Es gibt keine Verpflichtung, alles über seine Eltern zu wissen", meint sie. Und schon gar nicht die Verpflichtung, das, was man weiß, mit allen zu teilen. Etwaige voyeuristische Erwartungen, sensationelle Romy-News präsentiert zu bekommen, unterläuft Biasini elegant und konsequent.

Das Foto auf dem Umschlag des Buches spiegelt einen Moment puren Glücks wider: Romy Schneider und ihre kleine Tochter küssen einander auf den Mund, sonnenbeschienen und wie zeitentrückt, im Meerwasser oder einem Swimmingpool, so genau erkennt man das nicht.

Gut vier Jahre alt war Sarah Biasini, als Romy Schneider 1982 starb. "Ich habe ihren Tod natürlich nicht intellektuell begriffen, dazu war ich zu klein, sondern als eine Abwesenheit. Es gibt die These von der Erinnerungsfähigkeit der menschlichen Zellen, mit der ich nicht so viel anfangen kann. Aber ich hatte immer das Gefühl, dass ich meine Mutter gut gekannt habe."

Eine große Heldin

Wie hat sie versucht, sich später ein Bild von dieser dennoch fehlenden, abwesenden Mutter zu machen? Ganz entschieden nicht aus fernerliegenden Quellen. Über Alice Schwarzer und deren Romy-Buch verliert sie das einzige Schimpfwort in unserem Gespräch, und das Biopic Drei Tage in Quiberon verabscheut sie aus ganzem Herzen. Dass ihre Mutter als eine vom Leben gebeutelte, haltlose Polytoxikomanin dargestellt werde, habe mit der Wirklichkeit rein gar nichts zu tun.

Mittels ihrer Filme? "Meine Mutter hat in diesen Filmen Rollen gespielt, die man nicht mit ihrem wahren Selbst gleichsetzen kann. Aber ich habe mich mit Michel Piccoli oder dem Regisseur Claude Sautet getroffen. Piccoli! Sautet! Was für unglaubliche Leute."

Das Wissen, das sie über ihre Mutter besitzt, verdankt sie aber in erster Linie ihrer Familie, vor allem von der väterlichen Seite her, die sich nach dem Tod ihrer Mutter um sie gekümmert hat. Ihre Großmutter Monique ist eine der großen Heldinnen des Buchs. Und, nebenbei, eine große Raucherin: dreißig Jahre die roten Rothmans, eineinhalb Schachteln pro Tag. (Christoph Winder, ALBUM, 24.10.2021)