Der Rechnungshof hat auf rund 80 Seiten einen detailreichen Gesetzesentwurf für mehr Parteientransparenz erarbeitet.

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Es war eine ungewöhnliche Ankündigung, mit der Rechnungshof-Präsidentin Margit Kraker Anfang September aufhorchen ließ. Weil die türkis-grüne Koalition trotz entsprechender Ankündigung im Regierungsprogramm noch immer kein Paket für mehr Parteientransparenz vorgelegt hat, werde der Rechnungshof (RH) selbst zur legistischen Feder greifen und einen Gesetzesentwurf schreiben, gab Kraker bekannt. Um der Politik eine "Diskussionsgrundlage" zu bieten – und mit dem Effekt, sie unter Zugzwang zu bringen.

In der Zwischenzeit ist das Thema durch die ÖVP-Inseratenaffäre aktueller denn je. Immerhin wird Türkisen rund um Ex-Kanzler Sebastian Kurz von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, staatliches Geld – getarnt in Scheinrechnungen für Auftragsstudien – zu parteipolitischen Zwecken in Gestalt frisierter Umfragen missbraucht zu haben. Es gilt die Unschuldsvermutung. Der Rechnungshof will die ÖVP-Finanzen unter diesem Gesichtspunkt genauer prüfen, wie er nach den ÖVP-Razzien erklärte. Und nun haben die obersten Finanzkontrolleure der Republik am Freitag auch den versprochenen Gesetzesentwurf publiziert, der generell mehr Licht in die bisher weithin dunklen Parteikassen bringen soll. Ein Überblick:

Bücher der Parteien prüfen

Der Entwurf sieht vor, dass der Rechnungshof echte Prüfrechte für die Geldflüsse der Parteien bekommt. Derzeit kann der RH ja nicht in die Bücher der Parteien inklusive der Belege für Einnahmen und Ausgaben hineinschauen. Er kann nur die jährlichen – eher oberflächlichen – Berichte der Wirtschaftsprüfer einsehen, die von den Parteien jeweils selbst bestellt werden. Demgegenüber will der RH künftig aus eigenem Antrieb bei den Parteien prüfen, wenn er "Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben hat und die Parteien diese zuvor nicht mit Stellungnahmen ausräumen konnten".

Rascher Bericht über Wahlkampf, sonst Strafe

Zudem will der RH von den Parteien einen gesonderten Bericht über die Wahlkampfkosten bereits sechs Monate nach einer Nationalratswahl oder EU-Wahl bekommen. Das soll eine raschere Kontrolle der Wahlkampfkosten ermöglichen, in den Berichten sollen die Ausgaben im Wahlkampf detailliert aufgedröselt werden müssen.

Momentan ist es so, dass die Wahlkampfkosten nur in den jährlichen Rechenschaftsberichten abgebildet werden. Bis die Zahlen dann veröffentlicht werden, dauert das Prozedere oft mehrere Jahre. So weiß die Öffentlichkeit erst seit dieser Woche, dass die SPÖ 2019 die Wahlkampfkostenobergrenze eingehalten hat; von FPÖ und ÖVP weiß man es rund zwei Jahre nach der Wahl immer noch nicht.

Für die Bewertung, ob eine Wahl mit finanziell fairen Mitteln geschlagen wurde, kommt die Information also reichlich spät; die vorgeschlagene Sechsmonatsfrist für den eigenen Wahlkampfbericht würde auch diesem Problem entgegentreten. Wenn die Parteien den Wahlkampfkostenbericht lückenhaft, verspätet oder gar nicht abliefern, schweben dem RH saftige Strafen vor: Bis zu 100.000 Euro an Sanktionen sollen dann fällig werden.

Geldbuße nicht aus Parteienförderung

Apropos Sanktionen: Immer wieder müssen Parteien – für 2017 waren das etwa ÖVP, SPÖ und FPÖ – Strafe zahlen, wenn sie die gesetzlichen Wahlkampfkosten von rund sieben Millionen Euro sprengen. Wenn es nach dem RH geht, sollen derartige Geldbußen – die vom Unabhängigen Parteien-Transparenz-Senat verhängt werden – künftig nicht mehr aus den Mitteln der öffentlichen Parteienförderung bezahlt werden dürfen.

Um das auch sicherzustellen, soll der Förderungszweck der Parteienförderung eingegrenzt und ein separater Rechnungskreis für die entsprechenden Gelder geschaffen werden. Dahinter steht der Gedanke, dass sich ein Überschreiten der legalen Wahlkampfbudgets nicht lohnen soll. Theoretisch kann eine Partei derzeit damit kalkulieren, durch überzogene Wahlkampfausgaben mehr Stimmen und damit mehr Parteienförderung für die fünfjährige Legislaturperiode zu lukrieren, womit man dann auch die Strafe gerne zahlt. Derartigem Kalkül will der RH offenbar den Riegel vorschieben.

Parteinähe nicht mehr als Eigendefinition

Eine folgenreiche begriffliche Festlegung regt der Rechnungshof für die sogenannten "nahestehenden Organisationen" von Parteien an. Momentan obliegt es einer Organisation ja selbst, sich als parteinah zu identifizieren. Das bietet naturgemäß Schlupflöcher für Vereine, die zwar de facto mit einer Partei verbandelt sind, das aber nicht offiziell in ihren Statuten zugeben. Künftig soll die Definition laut RH-Entwurf im Parteiengesetz objektiviert werden. Es müsse dann bei der Verortung von Parteinähe auf die "faktische Ausprägung der Unterstützung und parteipolitischen Zusammenarbeit" ankommen. Die Organisationen würden damit auch in die Spendenlimits der Parteien eingerechnet, denen sie nahestehen.

Türkis-Grün schreibt auch

Überdies drängt der RH auf eine Vermögensbilanz, die die Parteien ihrem Rechenschaftsbericht beilegen sollen. Sprich: eine aufgeschlüsselte Darstellung der Vermögenswerte und Schulden. Die soll dann auch publik gemacht werden. Momentan ist für die Öffentlichkeit vor allem die Verschuldungslage der Parteien sehr undurchsichtig.

Letzteres Ansinnen einer Vermögensbilanz, ebenso wie eine Ausweitung der RH-Prüfrechte und der separate Wahlkampfkostenbericht, findet sich auch im türkis-grünen Regierungsprogramm von Anfang 2020. Im September sagte Grünen-Klubobfrau Sigrid Maurer dem STANDARD, dass die Koalition mit ihrem eigenen Gesetzesentwurf schon "fast fertig" sei – vorgelegt wurde aber bis dato noch nichts.

Sollte man sich tatsächlich an der Initiative des Rechnungshofs orientieren, wäre allerdings eine Zweidrittelmehrheit im Nationalrat für einen Beschluss nötig, da der Entwurf einige Verfassungsbestimmungen aufweist. So sollen etwaige Konflikte zwischen RH und einer Partei über die Zulässigkeit einer Finanzüberprüfung vom Verfassungsgerichtshof geklärt werden. Auch die vorgesehene Entscheidungsbefugnis des Transparenzsenats über die Feststellung einer widmungswidrigen Verwendung von öffentlicher Parteienförderung bedürfte einer Verfassungsbestimmung.

Wobei RH-Präsidentin Kraker zum 80-seitigen RH-Papier festhält: "Es mag auch bessere Lösungen geben. Aber diesen Vorschlag halten wir für den richtigen Impuls zur Stärkung der Demokratie."

Gemischte Reaktionen der Parteien

Die Neos begrüßten den Entwurf als "grundvernünftig". Es sei aber ein "Armutszeugnis" für die Regierung, dass es ihn überhaupt brauche. Für eine Verfassungsmehrheit wären die Neos allerdings nicht maßgeblich, die SPÖ oder die FPÖ sehr wohl. Die Sozialdemokraten wollten sich am Freitag jedoch nicht inhaltlich zum Entwurf äußern und fordern Gespräche im Parlament. Die FPÖ lehnt die geplanten direkte Rechnungshofprüfung der Parteien ab und verweisen dabei auch auf die (biografische) ÖVP-Nähe von RH-Präsidentin Kraker, die einem überparteilichen Vertrauen in das Kontrollorgan entgegenstehe.

Die Grünen sehen "viele Überschneidungen" mit ihrer Programmatik und jener der Regierung – ein Koalitionsentwurf solle nun "in den nächsten Wochen" präsentiert werden. Die ÖVP kommentierte die RH-Vorschläge vorerst nicht. (Theo Anders, 22.10.2021)