Die Pandora Papers werfen erneut ein Schlaglicht auf die massive weltweite Steuerhinterziehung. Die Behörden könnten viel mehr dagegen tun, wenn sie nur wollten.

Illustration: Davor Markovic

Das größte Leak über Vermögende und ihre Steueroasen – fast zwölf Millionen Dokumente im Ausmaß von 2,94 Terabyte – wurde vom Internationalen Netzwerk investigativer Journalisten (ICIJ) offengelegt. Betont wird dabei häufig, dass die darin erwähnten Personen sich nicht zwingendermaßen strafbar gemacht haben. Viele Offshore-Gesellschaften – und vermutlich viele der 27.000 nun erwähnten Offshore-Unternehmen – sind nämlich unter gewissen Voraussetzungen legal.

Ein näherer Blick ist jedoch gerechtfertigt, denn häufig dienen Offshore-Gesellschaften der Steueroptimierung, womit den Staaten wichtige Einnahmen entgehen, die letztlich in vielen Bereichen fehlen. Nicht selten dienen Offshore-Gesellschaften auch zur Verschleierung krimineller Aktivitäten. Warum sind daher trotz großer Enthüllungen in den vergangenen Jahren Offshore-Gesellschaften nach wie vor im Einsatz?

Wo bleiben die Behörden?

Es ist aller Ehren wert, dass sich Journalisten in jahrelanger, kleinteiliger Recherchearbeit für die Einhaltung der Regeln einsetzen. Verwunderlich dabei ist jedoch, dass ihnen allein die Aufdeckungsarbeit zukommt und die internationalen Behörden nicht tätig werden – und dies trotz bestehender umfangreicher gesetzlicher Instrumentarien, Meldepflichten und Amtshilfeübereinkünfte.

Der Einsatz von Offshore-Gesellschaften fällt behördlicherseits immer nach Betriebsprüfungen oder Prüfungen von Aufsichtsbehörden auf. Wenn man Steuersünder erwischen will, muss man schnell handeln. Dafür reichen aber häufig die personellen und finanziellen Ressourcen der Behörden bei weitem nicht aus. Dies insbesondere angesichts der komplexen Gesetze, der verschachtelten, international gelagerten Fälle und letztlich auch aufgrund der Tatsache, dass in solchen Fällen häufig "mächtige" oder "gefährliche" Personen involviert sind.

Die Grenzen zwischen Legalität und Illegalität sind bei Offshore-Gesellschaften ehrlicherweise recht eindeutig – zumindest auf dem Papier. Grundsätzlich gibt es mit oder ohne solche Konstrukte Steuergesetze, die Einkünfte und Gewinne sowie die Steuern daraus den hinter den Gesellschaften stehenden Personen zurechnen und somit die Offshore-Gesellschaft nicht anerkennen.

Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Gesellschaften keine wirtschaftliche Substanz haben. Etwa wenn sie keine bezahlten lokalen Mitarbeiter aufweisen, Letztere keine tatsächlichen wirtschaftlichen Funktionen übernehmen, es kein repräsentatives Büro gibt etc.

Personal- und Ressourcenmangel

Für ein Mindestmaß an Aktivität, aber nicht unbedingt für Legalität sorgen teilweise Serviceprovider wie Rechtsanwälte gegen Gebühr, um auf dem Papier die weiße Weste zu wahren – indem sie etwa lokale Geschäftsführer zur Verfügung stellen. Wer vor diesem Hintergrund nicht genug Sorgfalt an den Tag legt, begeht eine grob fahrlässige Abgabenverkürzung. Wer sogar vorsätzlich handelt, begeht eine Steuerhinterziehung.

Einige derjenigen, die ihr Geld in Offshore-Gesellschaften angelegt haben, nehmen aber Grenzüberschreitungen wissentlich in Kauf, weil die Aufgriffswahrscheinlichkeit aus den oben genannten Gründen – Personal- und Ressourcenmangel – sehr gering ist. Hinzu gesellt sich auch noch eine gewisse Bequemlichkeit mancher behördlicher Mitarbeiter.

Das Kernproblem ist, dass die Offshore-Gesellschaften zugrunde liegende Substanz und die wirtschaftliche Notwendigkeit schlichtweg nicht ausreichend überprüft werden – aus Bequemlichkeit und weil die internationalen Werkzeuge für eine effektive internationale Steuerzusammenarbeit fehlen.

Wer Geldwäsche kontrolliert

Die Geldwäschebestimmungen sind das zweite Instrumentarium neben den steuerlichen Melde- und Substanzvorschriften. Die einzigen Akteure, die derzeit in Bezug auf Offshore-Gesellschaften intensiv in praktischer Hinsicht überwacht werden, sind die Banken – durch die Finanzmarktaufsicht.

Allerdings handelt es sich dabei nur um Papier- und Schreibtischarbeit und nicht um konkrete Ermittlungen vor Ort im Ausland. Für andere Berufsgruppen wie Rechtsanwälte oder Steuerberater gibt es zwar strenge Vorschriften, nur werden diese nicht von einer staatlichen Behörde, sondern von den eigenen Berufsvertretungen kontrolliert, und diese Kontrollen sind eher selten und nicht unbedingt in die Tiefe gehend.

Jedes Land hat darüber hinaus seine eigenen lokalen Regeln, doch wir leben in einer globalen Wirtschaft, im Rahmen derer man mit rein lokalen Interpretationen und lokal tätigen Behörden kaum weiterkommen wird.

Weiters ist es schwierig, die Geldflüsse in Echtzeit zu überwachen. Im Bereich Geldwäsche wird in der EU derzeit die Einführung einer Geldwäschebehörde diskutiert. Auch wenn diese umgesetzt und es technisch gute Gesetze geben wird, muss die Feldarbeit letztlich von Personen erledigt werden. Man gewinnt Kriege nicht nur mit Generälen, sondern mit Truppen. Und diese fehlen nach der Auffassung des Autors.

Begleitende Kontrolle

Man stelle sich vor, die Straßenverkehrsordnung soll ohne Polizisten umgesetzt werden. Es wäre notwendig, eine geeignete Infrastruktur und topmotivierte und -ausgebildete – und natürlich auch gut entlohnte – Betriebsprüfer bzw. Ermittler zu rekrutieren.

Im Steuerrecht gibt es seit jüngstem die sogenannte "begleitende Kontrolle" (Horizontal Monitoring). Unternehmen verpflichten sich selbst, Transaktionen und steuerliche Tatbestände gemeinsam mit der Finanzverwaltung zu überprüfen bzw. begleitend aufzubereiten.

Damit könnten Unternehmen Reputationsrisiken und finanzstrafrechtliche Risiken bereits präventiv, also im Vorfeld, abfedern. Dies könnte man auch im Bereich der Geldwäscheregelungen andenken. Letztlich geht es ja dort darum, insbesondere den operativen Banker, der die Transaktion durchführt, die Compliance-Abteilung der Bank und die Finanzmarktaufsicht an einen Tisch zu bringen und den Austausch zu optimieren sowie Fälle mit Offshore-Gesellschaften zu diskutieren.

In Österreich wird die begleitende Kontrolle von großen Unternehmen bereits sehr gut aufgenommen, von kleineren Unternehmen weniger. Was hier im Steuerbereich gut funktioniert, könnte man auch für Geldwäsche oder generell im Falle des Einsatzes von Offshore-Strukturen andenken.

Wir und die Amerikaner …

Wenn man an Steueroasen denkt, fallen häufig Namen wie Cayman Islands oder Monaco, die Schweiz oder Liechtenstein. Wir sollten jedoch auch vor der eigenen Tür kehren. Es ist kein Zufall, dass so viele Deutsche in Österreich nahe der Grenze leben.

Das hängt nicht nur mit den schönen österreichischen Bergen, sondern auch mit diversen Steuervorteilen wie dem Fehlen von Erbschaftssteuern zusammen. Auch das deutsche Steuerrecht kennt nicht wenige spezifische Vorteile. Über den Ozean entwickelt sich darüber hinaus die USA – die Geburtsstätte der Compliance – immer mehr zum Offshore-Paradies.

Letztlich verfolgt fast jedes Land eine individuelle Steuerpolitik, die gewisse Bereiche fördert. Für einige der "typischen" Steuerparadiese geht es allerdings – im Gegensatz zu Deutschland oder Österreich – um die Existenz, weil es schlichtweg weder Industrie noch andere starke Wirtschaftssektoren gibt.

Ziehen wir beispielsweise Dominica heran. Der Karibik-Inselstaat mit 72.000 Einwohnern wäre ansonsten rein vom Bananenexport abhängig. Durch die Eignung als Offshore-Destination erreicht er immerhin das Wohlstandsniveau von Bulgarien. Auch darüber müsste man sich – wenn man ein generelles Offshore-Verbot fordert – Gedanken machen und diesen Ländern einen Ausgleich dafür anbieten.

Würde man in solchen Steueroasen lediglich den Hahn zudrehen, würde das existenzielle Fragen nach sich ziehen. Ein genaueres, zeitnahes Monitoring von Offshore-Gesellschaften in Kombination mit finanziellen Ausgleichsmaßnahmen für die Offshore-Jurisdiktionen hingegen würde das Übel bei der Wurzel packen. (Dimitar Hristov, Magazin "Wirtschaft & Recht", 28.10.2021)