Geld und Moral vertragen sich einfach nicht! Oder etwa doch? Der Satz, der lange Zeit für die Aktienmärkte Gültigkeit gehabt haben mag, wird im Zuge der Klimakrise zusehends aufgeweicht. Alle wollen grün, alle wollen sozial, alle wollen gut sein. Auch in der privaten Pensionsvorsorge. Der Wunsch, aktiv oder auch nur nebenbei etwas für die Umwelt zu tun, ist weitverbreitet. Hilft es, dafür in ein paar Weltverbesserer zu investieren?

Dafür spricht nicht nur das stetig wachsende Angebot, sondern auch eine deutlich gestiegene Nachfrage nach sogenannten ESG-Fonds. Die Abkürzung ESG steht für Umwelt (Environment), Soziales (Social) und gute Unternehmensführung (Governance). Reichte es früher schon, ein paar "böse" Anlagen aus dem Portfolio zu werfen, so wird heute immer öfter penibelst darauf geachtet, dass sich Unternehmen nachhaltig, gerecht und fair verhalten. Wurden global 2019 "nur" 142 Milliarden Euro neu in ESG-Pensionsfonds investiert, waren es im vergangenen Jahr schon 300 Milliarden Euro. Der Trend ist klar.

Das gute Gewissen dürfte sich zudem im Geldbörserl bemerkbar machen, wie das Finanzanalyseunternehmen Morningstar 2020 berechnete. Es nahm 475 europäische "grüne" Fonds unter die Lupe und fand heraus, dass sie über alle untersuchten Zeiträume – von ein bis zehn Jahren – mehrheitlich besser abschnitten als solche, die sich nicht den ESG-Regeln verschrieben hatten.

Make My Money Matter

Wie stark die tatsächliche Auswirkung eines Wechsels zu grünen Anlageformen ist, lässt sich freilich etwas schwieriger berechnen – was aber einige Firmen trotzdem nicht davon abhält. The Path etwa, eine auf grüne Investments spezialisierte Beraterfirma aus dem Vereinigten Königreich, vergleicht die Umstrukturierung eines klassischen 100.000 Pfund dicken Pensionsinvestments auf eine grüne Alternative mit der Eliminierung von fünf bis sechs Benzin-Pkws von der Straße.

Grüne Pensionsvorsorge wird immer beliebter.
Foto: istock, Collage: Standard.

Die ebenfalls britische Kampagne Make My Money Matter geht sogar noch weiter und sieht in grünen Pensionen "die wirkungsvollste Waffe" im Kampf zur Rettung des Planeten. Ein grüner Pensionsfond sei klimatechnisch gar 21-mal effektiver als eine Kombination aus vegetarischem Lebensstil, Flugverzicht und Nutzung erneuerbarer Energie, behauptet die Kampagne. Eine durchschnittlich gefüllte Pensionskasse in Höhe von 30.000 Pfund habe das Potenzial, 19 Tonnen CO2 einzusparen, bei Wechsel zu einem ESG-Fond. Das entspräche in etwa dem jährlichen CO2-Fußabdruck von drei Österreicherinnen.

Kampf den Greenwashern

Jeannie Boyle von der Vermögensverwaltungsfirma EQ Investors erklärte die enorme Diskrepanz zwischen den Fußabdrücken in der Financial Times kürzlich so: Noch vor zehn Jahren sei ein gutes Gewissen beim Anlegen nur möglich gewesen, indem man die "Sünder", die Öl-, Tabak-, Alkohol- oder Waffenfirmen, handverlesen aus dem Portfolio schmiss. In den letzten Jahren habe sich das aber gewandelt, sodass man heute "das Kapital aktiv in Richtung jener fließen lässt, die tatsächlich positive Veränderungen in Umwelt und Gesellschaft anstoßen".

Der Aufstieg grüner Fonds bot wenig überraschend viel nachhaltigen Windschatten, in den sich einige Firmen reinschwindeln wollen. Sogenanntes Greenwashing, das Imitieren einer nachhaltigen, ökologischen Unternehmensstrategie, ist weitverbreitet und für Laien meist nur schwer zu erkennen. Susanne Hasenhüttl von der Österreichischen Gesellschaft für Umwelt und Technik rät deshalb unbedingt dazu, auf entsprechende Zertifizierungen zu achten. Hierzulande sind dies das Österreichische Umweltzeichen und das FNG-Siegel, die ethisch orientierte Projekte und Unternehmen, die Gewinne durch nachhaltige Investitionen erzielen, verifizieren. Rund 200 solche Finanzprodukte gibt es aktuell. Ein EU-Label soll 2022 kommen, sagt Hasenhüttl.

Bleibt die Frage, was genau man erreichen möchte: Eine Reduktion auf die Nachhaltigkeitsgurus kann freilich das Risiko durch mangelnde Streuung des Portfolios erhöhen. Manche setzen deshalb auf die "Guten" innerhalb "böser" Branchen, die zumindest glaubhaft einen Umbruch eingeleitet haben wollen. (Fabian Sommavilla, 4.11.2021)