Als die Erde noch jung war, wurde sie von Asteroiden regelrecht bombardiert – womöglich sogar schlimmer als bisher gedacht.
Illustr.: SwRI/Dan Durda, Simone Marchi

Vor rund drei Milliarden Jahren war unser Heimatplanet einem heftigen Asteroidenbombardement ausgesetzt – das zumindest lässt sich aus Untersuchungen von Mondgestein schließen. Während sich auf dem Erdtrabanten recht eindeutige Spuren dieses Beschusses ausmachen lassen, trifft dies auf die Erde selbst nicht zu. Hier blieb aus dieser Ära aufgrund von Erosion und plattentektonischen Vorgängen nur sehr wenig Gestein übrig. Daher wurde bisher auch darüber gerätselt, wie stark dieses Late Heavy Bombardment tatsächlich war und wie lange es angehalten hat.

Einem internationalen Wissenschafterteam, dem auch Forscher der Universität Wien angehörten, gelang es nun, mehr Licht in diese dramatische Frühzeit der Erde zu bringen. Was die Forscher dabei herausfanden, erwies sich als veritable Überraschung: Die Erde wurde demnach vor rund 3,5 bis 2,5 Milliarden Jahren deutlich häufiger von Brocken aus dem All getroffen, als man bislang angenommen hatte, wie die Wissenschafter im Fachjournal "Nature Geoscience" berichten. Diese höhere Zahl an Impakten könnte die Anreicherung von Sauerstoff in der Atmosphäre verzögert haben.

Spherule liefern entscheidende Hinweise

Während man lange Zeit ausschließlich auf Mondproben oder Kraterzählungen auf dem Mond angewiesen war, um sich ein Bild vom Late Heavy Bombardment zu machen, liefern mittlerweile auch spezielle Überbleibsel von Einschlägen auf der Erde Hinweise darauf: "Beim Aufprall großer Asteroiden oder Kometen auf die frühe Erde wurde Gesteinsmaterial der Erdkruste geschmolzen und verdampft", erklärte der Geochemiker Christian Köberl, Professor für Impaktforschung und planetare Geologie an der Universität Wien. Dieser Gesteinsdampf kondensierte dann und verfestigte sich, wodurch runde, glasartige Teilchen in Millimetergröße, sogenannte Impaktkügelchen, weltweit auf die Erde zurückfielen.

Diese Kügelchen lagerten sich ab und bildeten mehrere dünne "Spherulen-Lagen" in der Erdkruste, deren Alter mit 2,4 bis 3,5 Milliarden Jahren bestimmt wurde. In den vergangenen Jahren seien in Bohrkernen und Aufschlüssen vor allem in Südafrika, aber auch in Australien zahlreiche bisher noch nicht bekannte derartige Schichten identifiziert worden. Doch es sei sehr schwierig, diese einem bestimmten Impaktereignis zuzuordnen, betonte Köberl. In der aktuellen Arbeit hat er gemeinsam mit seinem Kollegen Toni Schulz von der Uni Wien viele dieser Impaktablagerungen untersucht und vor allem anhand isotopengeochemischer Analysen versucht, deren Gesamtzahl abzuschätzen.

Ablagerungen mit winzigen Impaktkügelchen, sogenannte Spherulen-Lagen, verraten viel über das Late Heavy Bombardement. Dieses rund fünf Zentimeter große Stück mit einem Alter von 2,6 Milliarden Jahren stammt aus Australien.
Foto: UCLA/Scott Hassler and Oberlin/Bruce Simonson

Zehnmal mehr Einschläge

"Wir kommen auf wahrscheinlich 16 Spherulen-Lagen, bei einem Minimum von elf und einem Maximum von 35", sagte Köberl. Selbst der konservative Ansatz zeige, dass es deutlich mehr solcher Schichten sind, als man bisher angenommen hat, "ob das um den Faktor fünf oder zwanzig höher ist, können wir noch nicht sagen". Jedenfalls geht der Hauptautor der Studie, Simone Marchi vom Southwest Research Institute in Boulder (US-Bundesstaat Colorado), anhand dieser Zahl davon aus, dass im späten Archaikum, also vor rund 3,5 bis 2,5 Milliarden Jahren, die Zahl der Einschläge zehnmal höher war, als bisher angenommen wurde.

Dieses verstärkte Bombardement dürfte massiven Einfluss auf den Sauerstoffgehalt der Erdatmosphäre gehabt haben. Der Grund sind die Gase, die bei Einschlägen von Objekten mit mehr als zehn Kilometern Durchmesser freigesetzt werden. Das führte zu chemischen Reaktionen, die den wenigen, aus geologischen und biologischen Prozessen stammenden Sauerstoff in der Atmosphäre gleich wieder verbrauchten. Wie die Forscher in ihrer Arbeit schreiben, haben die großen Einschläge im späten Archaikum wahrscheinlich zu drastischen Schwankungen des atmosphärischen Sauerstoffs geführt, wobei die durchschnittliche Zeit zwischen aufeinanderfolgenden Kollisionen bei etwa 15 Millionen Jahren lag.

Die Große Sauerstoffkatastrophe

Als das Bombardement aus dem Weltall langsam nachließ und die Menge an Gasen zurückging, die Sauerstoff aus der Atmosphäre entfernten, kam es vor rund 2,4 Milliarden Jahren zur Großen Sauerstoffkatastrophe (Great Oxidation Event, GOE). Verbunden mit anderen Prozessen stieg dabei die Konzentration des molekularen Sauerstoffs in der Atmosphäre stark an. Diese Phase habe aber wahrscheinlich nur kurz gedauert, weil es bald wieder einen großen Impakt gab, so Köberl. "Erst später, als dann diese Bombardements vorbei waren, konnte sich langsam mehr Sauerstoff in der Atmosphäre sammeln und die Entwicklung nahm ihren Lauf, die zum heutigen sauerstoffreichen Planeten geführt hat." (tberg, red, APA, 22.10.2021)