Im Februar dieses Jahres sieht es düster aus für die Wiener Hotels. Im Vergleich zum Vorjahr gibt es satte 93 Prozent weniger Nächtigungen in der Stadt. Wien steckt mitten im dritten Lockdown. Eine andere Zahl bietet noch mehr Anlass zur Sorge: In Wien werden zu diesem Zeitpunkt nur mehr halb so viele Betten angeboten wie vor dem Ausbruch der Pandemie. Bedeutet das, dass nun viele Hotels und Pensionen endgültig das Handtuch schmeißen? Nicht zwangsläufig, wie sich nach und nach herausstellt.

Luxusdestination des Jahres

Schon im Mai 2021 gibt es wieder dreistellige Wachstumsraten bei den Nächtigungen. Das klingt beeindruckend, lässt sich aber mit einem Ausgangsniveau nahe dem Nullpunkt erklären.

Doch blickt man auf die aktuellen Neubauten und Eröffnungen, könnte man meinen, die Stadt rüste sich nun für einen noch größeren Touristenansturm als vor Corona. Alleine in den vergangenen beiden Monaten hat ein halbes Dutzend neuer Wiener Hotels seine Pforten geöffnet (siehe auch die Kurzporträts unten), bis zum Jahr 2023 sollen bis zu 40 weitere entstehen.

In den vergangenen beiden Monaten hat ein halbes Dutzend neuer Wiener Hotels seine Pforten geöffnet.
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Ebenfalls im Mai 2021, als die Gäste wieder in die Stadt zurückkehren, setzt sich Wien gegen Konkurrenten wie Zürich, Japan, Neuseeland, Südkorea und Australien durch und bekommt die begehrte Auszeichnung als Luxusdestination des Jahres verliehen. Das trifft sich gut, denn seit genau zehn Jahren bedient Wien Tourismus verstärkt dieses Segment, was sich auch bei den vielen neuen Hotels im gehobenen Preissegment widerspiegelt.

So soll etwa im Stammhaus der Erste Bank am Graben 21 bis 2022 das Luxushotel Rosewood einziehen, und am Ring wird das ehemalige Handelsgericht zum Fünf-Sterne-Hotel Mandarin Oriental umgebaut. Doch auch jenseits der Inneren Stadt tut sich einiges: Am Donaukanal könnte bis Ende 2021 ein Radisson-Red-Lifestyle-Hotel für hippe Geschäftsleute entstehen, in der Donaustadt wird ein weiteres Hotel Bassena vom Verkehrsbüro errichtet, und in der Seestadt ist ein Hotelbereich im Holzhochhaus Hoho geplant.

Später oder gar nicht

Ob all diese Pläne Realität werden, ist noch unklar. Wien Tourismus rechnet immerhin mit mindestens 20 neuen Hotels bis 2023. Viele Projekte werden wegen der Krise verspätet, manche auch gar nicht mehr umgesetzt werden. Denn vor allem im Bereich der Geschäftsreisen sind auch langfristig Einsparungen zu erwarten. In Deutschland wollen immerhin fast 60 Prozent der Unternehmen berufliche Reisen dauerhaft einschränken, was auch Wien treffen wird.

Die extreme perspektivische Ansicht dieses Korridors legt nahe: Es ist noch ein weiter Weg für die Hotellerie, bis wieder alles so ist wie früher.
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McKinsey veröffentlichte eine Studie zu historischen Statistiken für Geschäftsreisen, in der festgestellt wird, dass sich diese Kategorie deutlich langsamer von Ereignissen wie dem 11. September erholt als Urlaubsreisen. Das kann also für stark von ihren Unternehmen, Messen oder Konferenzen abhängige Städte bedeuten, dass es länger dauert, um wieder auf Vorkrisenniveau zu kommen. Wien ist zum Glück nicht ausschließlich von diesem Segment abhängig.

Kräftiges Revival

Wiener Hotels, die mehrheitlich auf Gäste aus Übersee oder Asien angewiesen sind, werden es auch 2022 noch schwer haben. Stadthotels hingegen, die einen starken Fokus auf Touristen aus der Europäischen Union haben, können deutlich schneller das Vorkrisenniveau erreichen.

Der Zukunftsforscher Andreas Reiter fasst es so zusammen: "Am längsten braucht immer der internationale Städtetourismus für die Erholung. Hier gehe ich erst für 2022 oder 2023 von einem Revival aus, dann aber kräftig und nachhaltig." Auch Norbert Kettner, der grundsätzlich optimistisch gestimmte Chef von Wien Tourismus, gibt sich derzeit noch vorsichtig für den gesamten Markt: "Das Niveau vor Corona wird der globale Städtetourismus nicht vor 2024 erreichen."

Businesstrip mit Freizeitgarnitur

Erstmals seit 20 Jahren waren österreichische Hotels auf dem Land 2020 wieder erfolgreicher als die Häuser in Wien. Man verbrachte seinen in der Pandemie schwierig zu planenden Urlaub lieber erholsam außerhalb der Großstadt. Der Schweizer Tourismus- und Freizeitforscher Norbert Hörburger ist zudem der Auffassung, dass die Stadthotellerie schon vor Beginn der Pandemie in der Krise war. Am naheliegendsten sei es deshalb für ihn, in Zukunft auch neue Segmente im Bereich des städtischen Freizeittourismus zu erschließen und dieses Angebot auszubauen.

Durch die Arbeitsflexibilisierung seit Corona sind Geschäftsreisende nun wenigstens in der Lage, einen Businesstrip zu verlängern und gewissermaßen mit Freizeit zu garnieren, Stichwort: Bleisure. Schaut so aus, als müsste die ohnehin schon stark diversifizierte Stadthotellerie in Zukunft also auch noch auf Freizeitpark machen. (Sascha Aumüller, RONDO, 28.10.2021)

Hier eine Handvoll Hotels, die in Wien neu eröffnet haben:

Hotel Motto: Kein Kummer in Paris

Nach Restaurants, Cateringservice und einer Bäckerei hat Szenegastronom Bernd Schlacher nun auch ein Hotel in seinem Portfolio. Das Gebäude zwischen Mariahilfers Straße und Schadekgasse, in dem sich früher das Hotel Kummer befand, wurde umgebaut und Anfang Oktober als Hotel Motto eröffnet. Dass es sich dabei um ein Herzensprojekt Schlachers handelt, ist an den vielen liebevoll kuratierten Details abzulesen. Eigens gestaltete Tapeten, handgefertigte Türgriffe sowie Lampen, Möbel und Accessoires aus dem alten Pariser Hotel Ritz sorgen für ein stimmig-nostalgisches Flair, ohne altmodisch zu wirken.

Hotel Motto
Foto: Hotel Motto

Auf den 83 Zimmern und acht Suiten erwartet die Gäste eine Cocktailbar inklusive Rezeptbooklet zum Selbermixen. Wer das lieber den Fachleuten überlässt, fährt in den siebenten Stock ins Chez Bernard. Dort gibt es neben Drinks auch französisch inspirierte Gerichte. Ein Besuch lohnt sich also auch für Wiener Publikum. (mich)

www.hotelmotto.at


Theaterhotel & Suites Wien: Plüschige Darbietung

Ups, war das die falsche Tür? Wer nach dem Betreten des Theaterhotels auf ein Kassahäuschen und viel roten Stoff blickt, ist schon richtig.

Theaterhotel & Suites Wien
Foto: Theaterhotel / jones-art.com

Die seit 1886 unmittelbar neben dem Theater in der Josefstadt liegende Herberge orientiert sich beim Interieur nur voll und ganz am Nachbarn. Nach einer achtmonatigen intensiven Renovierung hat das Traditionshaus mit 54 Zimmern und Suiten gerade wieder aufgesperrt. Es wird seit 2019 von der deutschen Libertas-Hotelgruppe und nunmehr als nischig-plüschiges Themenhotel geführt.

Das ist aber nicht nur optisch an roten Samtvorhängen, den Theaterspiegeln und Zimmern mit Namenspaten aus der Josefstadt zu erkennen. Es kann einem dort auch passieren, dass es zum Frühstück eine spontane Darbietung gibt – weil das Haus seit jeher mit Schauspielschulen und Wiener Künstlern kooperiert. Günstige Last-Minute- und Tagespreise fürs Doppelzimmer, für jede Buchung wird ein Baum gepflanzt. (saum)

www.theaterhotel-wien.at


The Weekend: Lugner, sexier in the City

Zwei Hotels, die er nicht selbst betreibt, hat Richard Lugner schon. Kürzlich kam The Weekend als drittes dazu. Das neue Haus liegt nun etwas sexier, weil ferner der Lugner City und tiefer drin im Hipsterbezirk Neubau. Konzept und Interieur sind durchaus gelungen, vor allem in den gemeinschaftlich genutzten Bereichen.

The Weekend
Foto: The Weekend / Schiehser Hotels

In dem klassischen Hotel Garni, das zwar Frühstück, aber eben keinen Restaurantbetrieb anbietet, gibt es viele gemütliche Ecken, die dank fescher Fauteuils und Holzhängelampen zum Herumlungern einladen. Der große Innenhof in der Halbgasse ist herrlich grün und ruhig. An der Einrichtung der Zimmer werden sich die geschmäcklerischen Geister wohl scheiden – am ehesten trifft es "Lugner meets XXX Lutz". Das "Wochenend"-Preissystem ist einfach zu durchschauen: Kleine "Freitag"-Zimmer kosten weniger (ab rund 65 Euro), die großen "Sonntag"-Räume und Suiten schon etwas mehr. (saum)

www.hoteltheweekend.at


Die Josefine: Madame Josephines Notizen

Auch das ehemalige Hotel Fürst Metternich in der Esterházygasse wurde nach einem Umbau in die 1920er versetzt. Die Josefine heißt das Hotel seit Anfang September. Namensgeberin ist Josephine de Bourblanc, die mit dem Haus seit ihrer Geburt 1895 verbunden war, schließlich Hoteldirektorin wurde und über die Jahre hinweg zahlreiche Künstler und Intellektuelle beherbergte.

Die Josefine
Foto: Die Josefine

Immer mit dabei – ihr Notizbuch, das sie mit Geschichten, Anekdoten und Skizzen aus dem Alltag des Hotellebens füllte. Ein solches Büchlein erhalten auch die Hotelgäste beim Check-in. Es enthält wichtige Informationen und reichlich Platz für eigene Notizen und Geschichten. Auch die legendäre Hotelbar Barfly’s wurde stilvoll umgestaltet. Aber Achtung: In dem schummrigen Lokal mit kleinen Sitznischen versumpert man nur allzu leicht. Ob das Erlebte in einem Notizbuch dokumentiert oder lieber genüsslich verschwiegen wird, bleibt jedem Gast selbst überlassen. (mich)

www.hoteljosefine.at


Jo & Joe Wien: Nachts im Ikea

Wer an der Rezeption dieses hippen Hostels über die eigene Schulter blickt, weiß schon alles: Man wohnt hier echt im Ikea. Nicht nur ist das karge Foyer mit reichlich Spanplatten garniert, vom Hotel führt doch tatsächlich eine Rolltreppe direkt in die oberste Etage des schwedischen Einrichtungshauses. Was dem gelernten Grandhotel-Gast vielleicht befremdlich anmutet, erscheint Menschen, die in eine Mall auch zum Essen gehen, völlig normal: Man nutzt die ganze Infrastruktur eines Konsumtempels zu seinem persönlichen Vorteil.

Jo & Joe Wien
Foto: Jo & Joe / Philipp Lipiarski / Oliver Jiszda / Tina Herzl

So können denn auch Gäste dieses französischen Beherbergers die Dachterrasse des schwedischen Möblierers mitnutzen und von dort eine sagenhafte Aussicht über Wien genießen. Wer wirklich nur zum Schlafen in eines der 345 Betten in diesem ideal am Westbahnhof gelegenen Haus kommt, sollte nicht sudern. Immerhin gibt es die Nacht im Schlafsaal ab 22 Euro und dennoch lässige Doppelzimmer mit eigenem Bad. (saum)

www.joandjoe.com