Gediegener Alpinschrein in den Outskirts von Erdberg: Die Luxuswohntürme bei der Tangente haben jetzt auch ein Lokal.

Foto: Gerhard Wasserbauer

Wien baut sich schön langsam eine Art Skyline, speziell an der Kreuzung Ostautobahn/Südosttangente wird seit Jahren spektakulär in die Höhe gebaut – dass die nobel hochgezogenen Glasfassaden bemerkenswert oft für Büros stadtnaher Fast-Beamter (Gemeinde Wien, Wien Energie ...) genutzt werden, macht aber stutzig.

Anderswo werden in so etwas doch trostlos hoch bezahlte Banker und sonstige Rechtsverdreher reingepackt? Man darf gespannt sein, ob die skandinavisch anmutende Idee, den Staatsdienern auf Steuerkosten ganz explizit etwas zu gönnen, auch bei uns als Umwegrentabilität mit Gute-Laune-Bonus ankommen kann.

Wie in den Alpen

Jetzt sind noch drei fette Wohntürme dazugekommen, um 6.000 Euro pro Quadratmeter ist man dem Vernehmen nach dabei. Wer aber tatsächlich von oben auf die meistbefahrene Autobahnkreuzung des Landes schauen will, sollte gar bis zum Doppelten in die Hand nehmen. Nominell kann es bei diesen Preisen kein Problem sein, auch ein zugehöriges Nobellokal vollzubekommen, in der Gegend ist schließlich diesbezüglich noch gar nichts los.

Man wird sehen, wie es dem neuen Schakko (heißt so nach dem Spitznamen des Betreibers) geht, wenn die vielen Quadratmeter einmal wirklich bewohnt werden. Außenstehende tun sich jedenfalls nicht leicht, das im Mezzanin gelegene, über eine nicht beschilderte Außentreppe zu erreichende Lokal ausfindig zu machen.

Drinnen erinnert vieles auf ebenso kuschelige wie überraschende Weise an die herausragend zünftig hergerichteten Interieurs der noblen Hotelkomplexe unserer Alpen. Zirbenholz und blauer Samt bestimmen die Einrichtung, an den Wänden hängt vielerlei Blümerl- und Herzerlschmuck, der entfernt an indianische Traumfänger gemahnt – in autochthon schluchtiger Interpretation natürlich.

Weil Betreiber Christian Schadl zuvor Restaurantleiter in der auf edlen Protz spezialisierten Hospiz Alm in St. Christoph war, gibt es auch im Schakko einen eigenen Schrein für ganz noble Bordeaux, gern auch in größeren Gebinden. Die Weinkarte, generell sehr klassisch sortiert, verspricht richtig gute Jahrgänge zu durchaus nicht überzogenen Preisen. Dass offene Weine auch bei leerem Lokal aus Prinzip nicht am Tisch eingeschenkt werden, verwundert aber.

Und das Essen?

Für den Zwiebelrostbraten übt man sich in Neuinterpretation.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Die Website verspricht "außergewöhnliche kulinarische Erlebnisse und traditionelle Genussmomente am Puls der Zeit". Saibling, drei fest gebeizte Scheibchen, wird etwa mit zweierlei Oberscreme und etwas Senfkaviar kombiniert, dazu gibt es fein geschnittenen Radicchio und Quitte, die nur ganz kurz angegrillt und in harter Grießligkeit quasi roh zu Tisch darf – eine ebenso mutige wie ungewöhnliche Paarung widerstrebender Elemente.

Jakobsmuschel wird gegrillt und nicht gesalzen, in der Kombination mit einem an veganen Brotaufstrich gemahnenden Mus aus Sonnenblumenkernen samt Sepia-Chip wird man sich auch an sie noch länger erinnern.

Karfiol wird für ein vegetarisches Zwischengericht extradick paniert und auf eine blassgrüne, laut Speisekarte mit Estragon angereicherte Creme gesetzt – obendrauf gibt es scheibchenweise Räucherkäse. Der Preis von zwölf Euro erhebt auch diese vier Röschen zur Kreation.

Für den Zwiebelrostbraten übt man sich in Neuinterpretation: Die Braterdäpfel sind als bunte Chips auf weißem Püree ausgeführt, das Gurkerl gibt’s als Relish, die Knusperzwiebeln sind aus der Bretagne. Und das Fleisch? Die Verwendung von Hanger-Steak (Nierenzapfen) statt Rostbraten ist originell, Sous-vide-Garung führt bei diesem Cut aber unweigerlich zu dumpfer, deutlich lebriger Aromenentwicklung. (Severin Corti, RONDO, 29.10.2021)

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