Henryk Galeen war einer der Drehbuchautoren der "Golem"-Verfilmung von 1914.

Foto: Viennale

Das alte Prag war im frühen deutschen Kino für eine Weile die unerklärte Hauptstadt. Es traf sich wohl eher zufällig, dass zwei der wirkmächtigsten Stoffe aus den 1910er-Jahren auf die Atmosphäre der engen Altstadt setzten: Gustav Meyrinks Roman Der Golem und Der Student von Prag von Hanns Heinz Ewers.

Ewers war ein Okkultist, der es schon damals mit dem später legendären Aleister Crowley (dem "master of the unholy") hielt.

Man kann dem Kino in diesen Jahren beim Staunen über seine Wirkung förmlich zusehen. Und besonders geeignet waren dafür Geschichten mit Doppelgängern, mit Menschen ohne Seele, mit Spiegelungen – oder mit der unerklärlichen Abwesenheit des zu erwartenden Gegenbilds.

Mehr Titel zugänglich

Unter den vielen Abenteurern der neuen Kunst war damals auch Henryk Galeen, geboren 1881 in einer Kleinstadt unweit des habsburgischen Lemberg.

Er war über Wien nach Berlin gekommen und hatte beim Theater, unter anderem bei Max Reinhardt, Karriere gemacht. Als er 1914 mit dem imposanten Schauspieler Paul Wegener zum ersten Mal den Golem verfilmte, nannte er sich eingedeutscht Heinrich.

Allerdings liebte das Publikum eben gerade alles, was exotisch oder fremd wirkte, und so kehrte er bald zu dem Namen Henrik Galeen zurück. Dass das Filmarchiv und die Viennale ihm unter dem Titel Der Schattenspieler in diesem Jahr eine historische Monografie widmen, hat wohl auch damit zu tun, dass sich inzwischen die Zahl der zugänglichen Filme von Galeen ein wenig über die geläufigen Titel hinaus erweitert hat.

Golem als Transformer

Ankerpunkt bleibt das Golem-Fragment aus dem Jahr 1914/15, die Reste eines verschollenen Films, der erste Anlauf zu der jüdischen Superhelden-Geschichte, in der Wegener eine Art Transformer aus dem Mittelalter spielt.

1920 folgte auch schon die heute kanonische Fassung – Wegener hatte 1917 sogar noch einen weiteren Golem gemacht –, bei der Galeen nur als Drehbuchautor dabei war.

Für seine Bedeutung als Regisseur ist der andere Prager Stoff wichtiger. 1913 erschien Der Student von Prag, eine romantische Geschichte, zu der Guido Seeber mit seinen Doppelbelichtungen einen bedeutenden Spezialeffekt lieferte.

Galeen war damals noch nicht dabei, wohl aber Hanns Heinz Ewers und Paul Wegener. 1926 erschien eine Neubearbeitung, nun unter Galeens Leitung. Er holte aus dem Stoff alles heraus, was er bieten hatte, auch große Landschaftsszenen mit historischen Kostümen.

Wildwuchs der Sujets

Im Zentrum aber steht die Szene, in der ein Spiegel wie ein Abgrund wirkt, in den die Geliebte sich förmlich stürzen möchte, um nach dem Bild des Studenten zu greifen, das dort doch unbedingt zu sehen sein müsste.

Heute könnte diese Geschichte über die körperliche Verwundbarkeit von Avataren durchaus wieder aktuell sein. Galeen konnte jedenfalls nach seinem Studenten von Prag mit einer weiteren Großproduktion seinen Stellenwert bestätigen: Alraune beruht ebenfalls auf einem Buch von Ewers und geht von dem Schauerbild eines Gehenkten aus.

In dem Erdreich darunter wächst eine Wurzel heran, die – nach dem Erbgesetzen einer verwegenen Biologie – zu einem Sacré-Coeur-Mädchen wird, gespielt von Brigitte Helm, dem Superstar aus Fritz Langs Metropolis.

Auch bei Alraune gibt es in zeitlicher Nachbarschaft eine andere Bearbeitung von Richard Oswald, die sogar ein bisschen berühmter ist, man sieht daran sehr gut den Wildwuchs, der damals bei erfolgreichen Sujets herrschte.

Gespannt darf man im Rahmen der Viennale nun auf die Galeen-Filme Stadt in Sicht (1923) und After the Verdict (1929) sein, zu denen es bisher wenig Material gibt. 1933 verließ Galeen Deutschland, im Exil hat er nicht mehr für das Kino gearbeitet. 1949 starb er in Amerika. (Bert Rebhandl, 23.10.2021)