Niemand kann dazu verpflichtet werden, am assistierten Suizid mitzuwirken.

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Frage: Die Sterbehilfe wird neu geregelt. Was bedeutet das genau?

Antwort: Bisher war es nicht erlaubt, im Falle eines Suizidwunsches Hilfe zu erhalten. Das wird sich ab kommendem Jahr ändern: Ab dann soll es eine gesetzliche Regelung für den sogenannten "assistierten Suizid" geben. Das bedeutet, dass sich die hilfeleistende Person nicht mehr strafbar macht. Betroffene können eine Sterbeverfügung errichten, die als Nachweis für den eigenen, dauerhaften Entschluss gilt, sein Leben beenden zu wollen. Das Schriftstück ist vergleichbar mit der Patientenverfügung.

Frage: Wieso gibt es diese Pläne?

Antwort: Die Regierung ist hier nicht von sich aus tätig geworden. Vielmehr stand sie unter Zugzwang, weil der Verfassungsgerichtshof (VfGH) vor bald einem Jahr eine bahnbrechende Entscheidung getroffen hat. Die Höchstrichter hoben einen entscheidenden Teil des Paragrafen 78 des Strafgesetzes auf: Die Verleitung zum Suizid bleibt untersagt, die Beihilfe jedoch nicht. Es widerspreche dem Recht auf Selbstbestimmung, "jede Art der Hilfe zur Selbsttötung ausnahmslos zu verbieten", hieß es.

Frage: Und wer darf diese neue Regelung nun in Anspruch nehmen?

Antwort: Eine Sterbeverfügung kann nicht von jedem errichtet werden. Konkret muss jemand eine Krankheit haben, die unheilbar ist und zum Tod führt oder an einer "schweren, dauerhaften Krankheit" leiden, deren Folgen die betroffene Person in ihrer "gesamten Lebensführung dauerhaft beeinträchtigt", wie es im Gesetzesentwurf heißt. Es darf zudem nicht möglich sein, dass das Leiden anderweitig abwendbar wäre. Auch Personen mit einer psychischen Krankheit werden die Regelung in Anspruch nehmen können. Voraussetzung ist außerdem, dass man volljährig und entscheidungsfähig ist. Ist eine Verfügung vom Notar oder der Patientenanwaltschaft beglaubigt, können die Betroffenen – oder eine berechtige Person – ein tödliches Präparat aus der Apotheke holen. Das Präparat muss dann aber von der Person selbst eingenommen werden, denn Töten auf Verlangen bleibt weiterhin verboten. Die Regierung habe mit dem vorliegenden Entwurf den Vorgaben des VfGH "im Wesentlichen entsprochen", sagt Verfassungsjurist Peter Bußjäger. "Präzisierungsbedarf" sieht der Jurist allerdings noch bei der Definition, was zum Beispiel als schwere Krankheit und was als Beeinträchtigung gelte.

Frage: Welche Bedenken gibt es bei der Ermöglichung von Sterbehilfe?

Antwort: Der heikelste Punkt ist wohl die Frage, ob Betroffene die Entscheidung zum Suizid unbeeinflusst von äußerem Druck treffen können – und ob das überhaupt möglich ist. So könnten Entscheidungen zum Beispiel aus dem Grund getroffen werden, weil man Angehörigen nicht zur Last fallen wolle oder keine Möglichkeit auf hochwertige palliative Versorgung habe. Darum gab der VfGH der Regierung damals auch einen Auftrag mit auf den Weg: Es müssen Maßnahmen vorgesehen werden, um eine unbeeinflusste Entscheidung möglich zu machen. Das sei auch der "heikelste Punkt", in der Angelegenheit, meint Bußjäger. Hier hätte man theoretisch auch strenger sein dürfen.

Frage: Wie soll die freie Entscheidung denn sichergestellt werden?

Antwort: Am Beginn ist die Aufklärung durch zwei Ärzte Pflicht. Einer davon kann der Hausarzt oder behandelnde Arzt sein. Der zweite muss eine Qualifikation im Bereich der Palliativmedizin aufweisen können. Hegt nur einer von beiden Zweifel daran, ist eine Beurteilung durch Psychiater oder Psychologen vorgesehen. Dann müssen zwölf Wochen vergehen, bevor die Verfügung errichtet werden kann – außer der Tod steht bereits kurz bevor: Dann wird diese Frist auf zwei Wochen verkürzt.

Frage: Wie verhält es sich mit anderen Formen der Sterbebegleitung?

Antwort: Gleichzeitig mit der Neuregelung der Sterbehilfe soll die Hospiz- und Palliativversorgung ausgebaut werden. Die derzeitige Förderung von sechs Millionen soll ab kommendem Jahr auf 21 Millionen wachsen, 2023 auf 36 Millionen und 2024 auf 51 Millionen Euro. Mitzahlen sollen hier allerdings auch die Länder, wofür es noch keine Zusage gibt.

Frage: Wie reagieren Kritikerinnen und Kritiker auf den neuen Entwurf?

Antwort: Ablehnung in Bezug auf die Ermöglichung von Sterbehilfe kommt traditionell immer aus dem kirchlichen Umfeld. Dort waren die Reaktionen durchwachsen. Für die katholische Kirche erklärte Bischof Hermann Glettler, dass auch in Zukunft "die Vermeidung von Selbsttötungen oberste Priorität" haben müsse, er sehe aber auch das Bemühen, eine "sensible und verantwortungsvolle Regelung" vorzulegen. Maria Katharina Moser, Direktorin der Diakonie, bezeichnete die kurze Begutachtungsfrist – es sind lediglich drei Wochen vorgesehen – als "skandalös." Durchgehend positiv aufgenommen werden die Pläne zur Aufstockung der Palliativversorgung: Der Dachverband Hospiz bezeichnete die Initiative als "sehr positiv". Moser forderte darüber hinaus jedoch einen Rechtsanspruch auf palliative Versorgung. Das von der Regierung geplante Werbeverbot dürfe nicht verhindern, dass Sterbehilfevereine Homepages betreiben dürfen, warnt hingegen Wolfram Proksch, der Anwalt hinter dem erfolgreichen VfGH-Antrag. (Vanessa Gaigg, Gerald John, 24.10.2021)