Cobra-Beamte simulieren ein Szenario im Rahmen eines "Active-Shooter-Einsatzes".

Foto: APA / Robert Jäger

Wiener Neustadt – Eine Stichflamme schießt in die Höhe, Schüsse knallen, zwei Hubschrauber knattern, dann sind die vier Verdächtigen gefasst. Die Sondereinheit Cobra nutzte den bevorstehenden Jahrestag des Wiener Anschlags für eine Pressevorführung ihrer Einsatztechnik in der Zentrale in Wiener Neustadt und einen Rückblick auf die Geschehnisse am Abend des 2. November.

Eine Bilanz, die positiv ausfällt. Cobra-Direktor Bernhard Treibenreif zollt seinen Kollegen der Wiener Polizei Respekt: "Die haben einen tollen Job gemacht", sagt er über die beiden Streifenpolizisten, die als Erste die Schüsse des Angreifers erwiderten, und jene Beamten, die den 20-jährigen Schützen schließlich töteten. Neun Minuten nach dem ersten Notruf seien aber auch die ersten Cobra-Kräfte des Stützpunkts Wien vor Ort gewesen, lobt Hannes Gulnbrein, Operativer Leiter der Sondereinheit, die rasche Reaktionszeit.

Arbeit gab es genug: Hunderte Notrufe gingen in den ersten beiden Stunden nach dem Anschlag, der vier Menschen das Leben kostete, bei der Polizei ein. Da zu diesem Zeitpunkt unklar war, ob es sich um einen Einzeltäter oder den koordinierten Angriff einer Zelle handelte, mussten alle Meldungen – von der Sichtung eines Bewaffneten in der U-Bahn bis zu Geiselnahmen auf der Mariahilfer Straße – überprüft werden. Dafür sei die Bundeshauptstadt in einen West- und einen Ostsektor geteilt worden: In dem einen rückte die Cobra aus, im anderen kontrollierte die Wega.

Im Vorfeld des Jahrestages des Wiener Terroranschlages nutze die Sondereinheit Cobra in ihrer Zentrale in Wiener Neustadt die Möglichkeit, der Presse eine Übung vorzuführen. Die Annahme: Vier Verdächtige planen einen Angriff und müssen festgenommen werden, zwei versuchen am Ende noch mit ihrem Auto zu flüchten
DER STANDARD

Armbinden in der Freizeit

Für Treibenreif zeigte der Einsatz aber auch, dass die Exekutive aus früheren Anschlägen in Europa die richtigen Lehren gezogen habe. Bei den Anschlägen in Paris vom November 2015 hätten beispielsweise französische Polizisten angesichts der unübersichtlichen Lage beim Bataclan-Theater zunächst auf anrückendes Feuerwehrpersonal gefeuert. Daher sei in Österreich ein Einsatzhandbuch für alle Blaulichtorganisationen – Polizei, Rettung, Feuerwehr – ausgearbeitet worden, das die Koordinierung verbessern sollte.

Auch aus dem Attentat vor dem Olympia-Einkaufszentrum in München im Juli 2016, bei dem neun Passanten erschossen wurden, zog die heimische Exekutive Schlüsse, berichten die beiden Cobra-Beamten. Einerseits erkannte man den Nutzen sozialer Medien, um auf offiziellen Kanälen den grassierenden Gerüchten zu begegnen. Andererseits änderte man einen weiteren Punkt: Da zivile Polizisten mit gezückter Dienstwaffe in München für Attentäter gehalten wurden, haben die österreichischen Beamten mittlerweile auch in der Freizeit Armbinden dabei, die sie als Bundesbedienstete kennzeichnen.

Auch mit Blick auf die Zukunft und die Zusammenarbeit der Sondereinheiten mit der neu geschaffenen Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst, der Nachfolgeeinheit des in Verruf geratenen Bundesamts für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung, zeigt Treibenreif sich optimistisch. Man stehe mit dem künftigen Führungspersonal der Dienststelle, die am 1. Dezember ihre Arbeit beginnt, bereits in Kontakt. (Michael Möseneder, 26.10.2021)