"Bei einer Wanderung durch die Nockberge kann man Pflanzenvertreter für Höhen zwischen 1500 und mehr als 2000 Metern kennenlernen." Susanne Glatz-Jorde, Landschaftsplanerin

Foto: Getty Images / iStock / batak1

Die Nockberge in Kärnten beherbergen eine enorme Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten. Das liegt einerseits an ihrem speziellen Untergrund, andererseits an der jahrhundertelangen Nutzung des Gebiets durch den Menschen und seine Weidetiere. Heute sind die Nockberge einer von vier Unesco-Biosphärenparks in Österreich und haben damit eine besondere Stellung zwischen Natur, Kulturlandschaft und Regionalentwicklung inne.

Nachdem eine Bürgerinitiative in den 1970er-Jahren die Entstehung eines riesigen Skigebiets in den Nockbergen erfolgreich verhindert hatte, hätte das Gebiet ein Nationalpark werden sollen. Allerdings entsprach die Kulturlandschaft, die den größten Teil des Areals ausmacht, nicht den nötigen Vorgaben. Stattdessen wurde es ein Unesco-Biosphärenpark, was den Gegebenheiten der Nockberge besser entspricht.

Biosphärenparks sind spezielle Landschaftstypen, in denen Natur und menschliche Nutzung beispielhaft in Einklang gebracht werden. Weltweit gibt es 714 davon. Sie alle bestehen aus der Naturzone, in der ausschließlich pflegende und traditionelle Nutzung erlaubt ist, der Pflegezone, in der vorsichtige Eingriffe vorgenommen werden dürfen, und der Entwicklungszone, in der der Fokus auf der nachhaltigen menschlichen Nutzung liegt.

Als erste Fachhochschule in Österreich erhielt die nahe gelegene FH Kärnten einen Unesco-Lehrstuhl für Schutzgebiete, durch den auch der Biosphärenpark Nockberge beforscht wird.

Almwirtschaft

Die Landschaft der Nockberge ist seit Jahrhunderten durch die Almwirtschaft geprägt. Würden die Almen nicht beweidet oder gemäht, würden mit der Zeit Büsche und Sträucher aufkommen, denen über kurz oder lang Bäume folgen würden. So aber findet man hier zahlreiche Pflanzenarten, die unter geschlossenem Baumbestand nicht vorkommen.

Die prominenteste davon ist der Echte Speik (Valeriana celtica): Die fünf bis 15 Zentimeter hohe Pflanze ist optisch recht unauffällig, spielt aber in den Nockbergen seit Jahrhunderten eine besondere Rolle. Verantwortlich dafür ist das Baldrianöl, das in ihren Wurzeln enthalten ist und ihr einen intensiven Geruch verleiht.

Die Wurzeln des Speiks waren schon in der Antike als Heilmittel gegen diverse Beschwerden, Räucherwerk und Seifenbasis in Verwendung. Selbst Kleopatra soll sie als Badezusatz verwendet haben. Der Speik, der nur in Österreich, Frankreich, der Schweiz und Italien vorkommt, stellte ein wertvolles und entsprechend begehrtes Handelsgut dar, das bis in den Orient verschifft wurde.

In der Folge gingen seine Bestände deutlich zurück, bis er 1936 unter Naturschutz gestellt wurde. Im Biosphärenpark Nockberge wird er heute noch von zwei Bauernfamilien schonend genutzt: Sie dürfen maximal 25 Kilogramm pro Saison per Hand ausgraben.

Beliebter Wintervorrat

Eine andere Charakterart der Nockberge ist die Zirbe (Pinus cembra) oder Arve. Die bis zu 30 Meter hohen Nadelbäume kommen nur in den Alpen und den Karpaten vor, wobei die Nockberge den größten Bestand der Ostalpen beherbergen. Die Bäume sind extrem widerstandsfähig gegen Frost: Selbst Temperaturen von minus 40 Grad Celsius überstehen sie problemlos.

Ihre Samen werden vom Tannenhäher verbreitet: Die Vögel holen sie aus den Zirbenzapfen hervor und fressen sie entweder gleich oder verstecken sie für den Winter. Rund 10.000 solcher Vorratslager legt ein Häher im Laufe einer Saison an; etwa 80 Prozent davon findet er wieder, aus dem Rest entstehen neue Zirben.

Die Menschen der Nockberge machen aus den Zapfen Likör oder Schnaps und verwenden das Holz der Zirbe unter anderem für den Möbelbau. Da die Zirbe eine geschützte Art ist, erfolgt ihre Nutzung unter Auflagen und in sehr geringem Ausmaß.

Neben diesen emblematischen Arten gibt es in den Nockbergen noch viele andere Pflanzen, wie zahlreiche Orchideen oder das nach Schokolade duftende Kohlröschen. Die Vielfalt der Flora ist einer geologischen Besonderheit des Gebiets geschuldet: Eine Kalkstörung zieht sich quer durch den von Urgestein gebildeten Untergrund, wodurch Spezies mit sehr unterschiedlichen Standortansprüchen oft nah nebeneinander vorkommen.

"Bei einer Wanderung von drei Stunden kann man hier alle Pflanzenvertreter für Höhen zwischen 1500 und mehr als 2000 Metern kennenlernen", sagt Susanne Glatz-Jorde vom Klagenfurter E.C.O. Institut für Ökologie.

Endemische Arten

Da manche Gipfel der Nockberge in der letzten Eiszeit nicht vergletschert waren, findet man hier viele Endemiten, also Arten, die nur in einem sehr kleinen Areal vorkommen. So hat etwa der Mornellregenpfeifer (Charadrius morinellus), einer der seltensten Brutvögel Österreichs, hier eines seiner inselartigen Restvorkommen außerhalb der nördlichen Tundren.

Auch alle vier heimischen Arten der Raufußhühner – Schnee-, Birk-, Auer- und Haselhuhn – brüten in den Nockbergen. Das Auerhuhn, die mit einer Flügelspannweite von bis zu 1,3 Metern größte Art, ist das Wappentier des Biosphärenparks.

Als Standvogel braucht das Auerhuhn – wie viele andere Tiere – vor allem im Winter störungsfreie Gebiete. In den vergangenen Jahren wimmelte es im Biosphärenpark jedoch von Skitourengehern und Schneeschuhwanderern.

Um diese Entwicklung einzudämmen, soll ein Besucherleitsystem mit ausgewiesenen Routen entstehen. Wie Biosphärenpark-Leiter Dietmar Rossmann betont, brauche es "Rücksichtnahme jedes Einzelnen und Respekt vor der Natur", damit die Artenvielfalt der Nockberge erhalten bleibt. (Susanne Strnadl, 2.11.2021)