Das Bundesheer hat tatsächlich schon bisher in vielen Kooperationen gezeigt, was es militärisch einzubringen hat.

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Eurofighter über der Innenstadt, die Spitzen der Republik bei der Angelobung auf dem Heldenplatz, feierliche Ausmusterung der Leutnante in Wiener Neustadt und umfassende Berichterstattung über das Bundesheer im ORF-Fernsehen: Der heurige Nationalfeiertag hat die militärische Bedeutung des Bundesheers wieder in den Mittelpunkt gerückt – mit einer Deutlichkeit, die man lange nicht mehr gesehen hat.

Droht denn ein Krieg? Ist nicht geradezu lächerlich, was das Bundesheer einem Angriff auf Österreich entgegenzusetzen hätte? Sind wir nicht ohnehin durch unsere Neutralität geschützt?

Nein, nein, nein

Dreimal: Nein. Nein, es droht kein unmittelbarer Angriff einer Großarmee auf unser Territorium, wie ihn frühere Generationen erleben und erleiden mussten. Nein, es ist nicht lächerlich, was das Bundesheer einem Angriff entgegenzusetzen hätte, wie er derzeit am ehesten durch hybride Bedrohungen zu erwarten wäre. Und nein: Unsere Neutralität bietet keinerlei Schutz – das einzig Sichere an ihr ist, dass niemand verpflichtet wäre, Österreich im Ernstfall zu Hilfe zu kommen.

Das klingt sehr theoretisch – und das populäre Sicherheitsverständnis der österreichischen Bevölkerung lautet ja auch, dass wir von lauter befreundeten Staaten umgeben sind, weshalb schon nix passieren wird. Es sind aber diese befreundeten Staaten, die sich trotz Nato-Mitgliedschaft nun vermehrt Sorgen um die eigene Sicherheit machen. Denn die Nato ist ohne ihr stärkstes Mitglied USA wenig wert – und die USA haben seit geraumer Zeit andere globale Prioritäten als die Sicherheit auf dem reichen europäischen Kontinent. Dieser könnte nach amerikanischer Auffassung durchaus eigenständig für seine Sicherheit sorgen.

Tut er aber nicht. In eine eigenständige Verteidigung zu investieren, wäre zwar nicht unfinanzierbar – aber es ist allenfalls in Staaten mit einer EU-Außengrenze halbwegs populär.

Großzügige Interpretation der Neutralität

Daher wird zwar seit Jahrzehnten über eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik gesprochen. Herausgekommen ist aber nicht viel mehr als das 2017 aufgelegte Pesco-Programm – die permanente, strukturierte Zusammenarbeit der EU-Staaten in Verteidigungsfragen. Österreich macht da – in einer sehr großzügigen Interpretation seiner Neutralität – engagiert mit. Österreichs Generalstabschef Robert Brieger wird ab kommendem Jahr Vorsitzender des Militärausschusses der Europäischen Union und damit höchster EU-Offizier.

In seiner Rede in Wiener Neustadt machte Brieger am Dienstag klar, dass die Bedrohungen des 21. Jahrhunderts nur in Kooperation mit anderen Nationen bewältigt werden können. Ministerin Klaudia Tanner schlug auf dem Heldenplatz in dieselbe Kerbe: "Das gilt nicht nur für uns, sondern für jedes Land in der EU." Zusammenarbeit mit anderen Ländern heißt aber auch: Österreich muss in die europäische Verteidigung etwas einbringen können. Fesche Militärmusik wird da nicht reichen. Reine Katastrophenhilfe oder die vielgerühmte Corona-Assistenz auch nicht.

Den Bürgern nahebringen

Tatsächlich hat das Bundesheer schon bisher in vielen Kooperationen – Alpinausbildung oder Spezialeinsätze im Ausland – gezeigt, was es militärisch einzubringen hat. Mit dem Krisensicherheitsgesetz und einer selbstbewussten Kommunikation muss die Politik das nun auch einer in Neutralitätsillusionen verhafteten Bevölkerung nahebringen. (Conrad Seidl, 26.10.2021)