"Patriarchat" gefällt auch vielen nicht, trotzdem leben wir in einem solchen. Die Gewalt gegen Frauen ist nur ein Hinweis.

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Es waren brutale Tage. Mehrere Frauen wurden wieder einmal innerhalb kurzer Zeit – am Montag und am Dienstag – von ihren Partnern oder Ex-Partnern unfassbar gewalttätig angegriffen, auch mutmaßliche Mordversuche waren darunter.

In Oberösterreich attackierte ein Mann trotz eines Betretungsverbots seine Ehefrau, glücklicherweise wurde diese "nur" leicht verletzt. In Wien verprügelte ein Mann seine Ex-Partnerin bis zur Bewusstlosigkeit, sie musste mit lebensgefährlichen Verletzungen ins Spital gebracht werden. Nochmals in Oberösterreich hat ein 23-Jähriger seine Freundin mit zahlreichen Messerstichen attackiert. Sie konnte über ein Vordach flüchten, der Mann zündete daraufhin das Haus an. Und ein 59-Jähriger hat am Nationalfeiertag in Vorarlberg seine 47-jährige Lebensgefährtin zu erwürgen versucht.

Trotzdem gibt es eine gute Nachricht, mag sie auch nur wenig tröstlich sein. Und auch ein paar schlechte. Aber zuerst zur guten: Vor rund fünf Jahren wussten die meisten Menschen um diese und auch sonst zu keiner Jahreszeit nicht, wie viele Frauen im laufenden Jahr ihr Leben aufgrund eines gewalttätigen Mannes verloren hatten. Heute ist das anders. Wenn ein Frauenmord passiert, wird in Zeitungsberichten und sozialen Medien inzwischen fast immer an die vielen anderen brutalen Frauentötungen erinnert. Heuer sind es 22 Frauen, die bisher getötet wurden. Bei zweien davon ist noch nicht restlos geklärt, ob es sich um einen Femizid handelt.

"Femizid"? Mag das nicht

Femizid. Mit diesem Begriff haben wir nun auch eine schon recht bekannte Beschreibung dessen, was hier eigentlich passiert: dass Frauen getötet werden, weil sie Frauen sind. Dass es geschlechterspezifische Gewalt ist, dass Frauen und Mädchen – etwa durch Partnerschaftsgewalt – in besonderem Ausmaß von Gewalt betroffen sind. Bedroht werden sie meist von Männern in ihrem nahen sozialen Umfeld. Dieser Begriff verweist also auf verbleibende patriarchale Strukturen. Dass Medien seit kurzem vermehrt diesen Begriff benutzen, auch das ist ein kleiner Fortschritt.

Damit sind wir aber auch schon bei den schlechten Nachrichten. Denn wie so oft bei frauenpolitischen Themen verbeißen sich viele in das begriffliche Instrumentarium. Es scheint eine willkommene Ablenkung vom eigentlichen Thema zu sein. Ob manchen der Begriff "Femizid" nun gefällt oder nicht – auch im STANDARD-Forum nimmt das bei aktuellen schrecklichen Nachrichten über Gewalt durch Männer an Frauen erschreckend viel Raum ein. Wirklich? Das sollte uns beschäftigen?

Dabei ist der Begriff Femizid auch vor dem Hintergrund eines internationalen Diskurses über Gewalt an Frauen nützlich. Vor allem in Lateinamerika wurde er als wichtiges Instrument begrüßt, um die alarmierende Eskalation brutaler Morde an Frauen und Mädchen adäquat benennen zu können. Ja, im Deutschen haben wir mit "Frauenmord" eine Bezeichnung, die fast dasselbe beschreibt wie "Femizid". Aber nochmals: Es ist symptomatisch, dass so vielen wirklich nichts Besseres einfällt, als angesichts der andauernden Gewalt herumzumäkeln, man möge doch bitte anders über tödliche Gewalt an Frauen und Mädchen reden.

Eine Frage des Wertes

Und noch eine andere schlechte Nachricht – und weil wir gerade Equal Pay Day hatten: Trotz der höheren Aufmerksamkeit für Gewalt gegen Frauen ist noch viel zu wenig auf dem Radar, dass der unterschiedliche Wert von Geschlechtern schon beim Wert dessen, wofür und wie sie in unserer Gesellschaft arbeiten, anfängt. Gewalt gegen Frauen basiert auf dem über tausende Jahre gepflegten Glauben, Frauen seien weniger wert. Und das drückt sich eben auch bis heute darüber aus, wie viel Geld Frauen dafür bekommen, was sie tun. Nichts für Sorgearbeit, nichts für Kinderbetreuung, deutlich weniger für ihre Lohnarbeit. Denn erst wenn selbstverständliche Gleichwertigkeit zwischen den Geschlechtern herrscht, erst, wenn keiner mehr auf die Idee kommt, dass Frauen weniger wert seien, erst dann werden Frauen nicht mehr Opfer von Gewalt, weil sie Frauen sind. (Beate Hausbichler, 27.10.2021)