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Nur zur Mama, nur zum Papa: Solche Phasen können für Eltern anstrengend und herausfordernd sein. Aber seien sie nicht gekränkt, sagt der Familienrat.

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Frage

Unser zweijähriges Kind will derzeit nur die Mama. Wir verstehen überhaupt nicht, wieso. Wir waren beide in Karenz und arbeiten aktuell beide Teilzeit – verbringen also gleichermaßen Zeit mit unserem Kind, geben ihm Sicherheit und Nähe. Wir würden also gerne wissen, woran seine Fokussierung auf die Mama liegt, denn sie belastet uns sehr. Meine Partnerin, weil sie keine freie Minute hat und oft ein schlechtes Gewissen, wenn sie unserem Kind keine Aufmerksamkeit geben kann. Und mich belastet es, weil es sie belastet und ich es ehrlicherweise auch als ein wenig kränkend empfinde.

Bei Freunden bekommen wir mit, dass auch ihre (älteren) Kinder immer wieder Phasen haben, in denen nur die Mama "in" ist. Oder, umgekehrt, in denen nur der Papa angesagt ist. Woran kann das liegen, und wie verhält man sich als Eltern?

Antwort von Linda Syllaba

Anhänglichkeit und Fremdelphasen wechseln sich ab in der kindlichen Entwicklung, das ist völlig "normal", schließlich haben wir Menschen sowohl das Bedürfnis nach (Ver-)Bindung als auch nach Selbstbestimmung in uns. Damit sich ein Kind sicher, geborgen und dennoch frei in seiner Entfaltung fühlen kann, braucht es Eltern, die ihm beides ermöglichen. Auch wenn ich gut verstehen kann, dass es sich wie eine Art Zurückweisung anfühlt, die Sie da gelegentlich von Ihrem eigenen Kind erfahren, will ich Sie dringend ermutigen, es keineswegs persönlich zu nehmen. Es gibt einfach Momente und auch Phasen, da ist die sichere Basis bei Mama und dann mal wieder bei Papa. Von beiden Elternteilen braucht Ihr Kind Halt und muss sich gleichzeitig ablösen – so nach und nach. So gesehen ist es doch toll, dass der jeweils andere Elternteil Sicherheit gibt, während das Kind sich löst. Ihr Kind liebt und braucht Sie beide, daran besteht kein Zweifel.

Linda Syllaba ist diplomierte psychologische Beraterin, Familiencoach nach Jesper Juul und Mutter. Sie ist Autorin der Bücher "Die Schimpf-Diät" (2019) und "Selfcare für Mamas" (2021).
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Es handelt sich vielmehr um einen von vielen Lernprozessen, die wichtig sind. Ein kleines Kind lernt, "wenn meine Eltern weggehen und sagen, dass sie wiederkommen (zum Beispiel im Kindergarten), dann kommen sie auch verlässlich wieder", indem es genau das erfährt. Gönnen Sie dem Kind also diese Erfahrung, auch wenn es wechselhaft stattfindet.

Gleichzeitig, so schmeichelhaft das Nähesuchen Ihres Kindes auch sein mag, so anstrengend kann es auch sein. Sie beschreiben ja, wie es für Ihre Partnerin ist, wenn ohne sie gar nichts geht. In so einem Moment sollte sie daran denken: Das Kind ist nicht manipulativ, sondern hilflos. Es hat möglicherweise Angst und braucht jetzt Sicherheit. Solange es diese bekommt, kann es weiter Wurzeln schlagen, die es für den Rest seines Lebens brauchen wird. Um Freiheit genießen zu können, die Flügel weit schwingen zu lassen, ist diese Grundsicherheit im Leben unerlässlich. Es ist also wichtig, einfühlsam, geduldig und nötigenfalls selbstfürsorglich zu bleiben.

Und das mit dem schlechten Gewissen kann ihre Partnerin ruhig bleiben lassen, denn so viel Aufmerksamkeit, wie Kinder manchmal gerne hätten, brauchen sie gar nicht. Da ist es konstruktiver, eigene Bedürfnisse klar zu kommunizieren, bevor etwas eskaliert. Oder gegebenenfalls an den anderen Elternteil zu übergeben und dann, natürlich mit Verabschiedung, woanders hinzugehen. Das macht es erfahrungsgemäß leichter damit klarzukommen, dass Mama/Papa mal nicht zur Verfügung steht. (Linda Syllaba, 27.10.2021)

Antwort von Hans-Otto Thomashoff

Mir scheint, dass bei dieser gar nicht selten gestellten Frage mehrere Punkte zusammenkommen.

An erster Stelle geht es darum, dass Ihr Kind mit der Fähigkeit zu laufen in das Alter gekommen ist, wo überall Grenzen lauern. Es darf dies nicht und jenes nicht, nicht auf die Straße laufen und vieles mehr. Zugleich geschieht vieles nicht so, wie es sich das vorstellt. Um die Welt zu begreifen, haben Kinder gerade in jungen Jahren sehr rigide und starre Vorstellungen davon, wie die Dinge gehören. Und wenn da etwas aus der Reihe tanzt, kann das ganz schön ärgerlich sein. Dazu gehört auch die dämmernde missliche Einsicht, dass die anderen einen eigenen Willen haben und nicht immer genau das tun, was sie aus der Sicht der Kleinen sollten. Diese unweigerlichen frühen Frustrationen sind ein ganz natürlicher Lernprozess.

Insofern ist es völlig in Ordnung, wenn das Kind nicht immer den Elternteil als Aufpasser bekommt, den es sich gerade wünscht. Und es darf dann auch darüber wütend sein – mancher erinnert sich: Gefühle entstehen spontan, blitzschnell im Gehirn und lassen sich daher nicht verbieten, vielmehr muss der Umgang mit ihnen in der steten Wiederholung gelernt werden. Dazu gehört auch im Laufe der weiteren Lebensjahre die Einsicht, dass Eltern eigene Bedürfnisse und Wünsche haben und dass das Miteinander mit anderen es notwendig macht, sich mit unterschiedlichen Bedürfnissen zu arrangieren.

Hans-Otto Thomashoff ist Psychiater, Psychoanalytiker, zweifacher Vater und Autor. Zuletzt veröffentlichte Bücher: "Das gelungene Ich" (2017) und "Damit aus kleinen Ärschen keine großen werden" (2018).
Foto: Andrea Diemand

Erschwert wird dieser ganz normale Entwicklungsschritt in Ihrem Fall möglicherweise durch zweierlei:

1. Ihre Frau hat ein schlechtes Gewissen, weil sie befürchtet, zu wenig Zeit mit dem Kind zu verbringen. Das ist nicht förderlich und scheint mir angesichts der Tatsache, dass Sie als sein Vater sich ja genauso gut um ihn kümmern, auch überflüssig. Denn dadurch entsteht bei ihr ein Druck, besonders viel und besonders gut für ihr Kind da zu sein, den es intuitiv spürt und sich darauf einstellt, indem es die Mama dafür belohnt, wenn sie sich in ihrer kostbaren Zeit ganz ihm widmet. Und das Kind hält es dann gar nicht aus (weil auch die Mutter es kaum aushält), wenn sie weg muss.

2. Sie selbst als Vater sind gekränkt durch die Ablehnung, die sich jedoch nicht wirklich gegen Sie persönlich richtet, sondern sich wie geschildert aus der Situation heraus ergibt. Auch das ist nicht günstig, weil Sie dadurch in eine Konkurrenz zu Ihrer Frau gelangen, wer denn der bessere Elternteil sei. Nicht nur ist das für die Partnerschaft problematisch, sondern zugleich kommt Ihr Kind dadurch über kurz oder lang in die Lage, dass es seine beiden Elternteile gegeneinander ausspielen kann, ein Spiel, bei dem am Ende des Tages keiner gewinnt.

Fazit: Ihre Frau sollte ihr schlechtes Gewissen an den Nagel hängen, und Sie beiden sollten sich einig darin sein, dass Sie beide Ihrem Kind gute Eltern sind. Es sollte, kann und muss lernen, dass es ihm bei beiden von Ihnen gutgeht und dass nicht das Kind bestimmt, wer sich wann um es kümmert. Seine Gefühle sind dann erlaubt – alle! (Hans-Otto Thomashoff, 27.10.2021)