Das spätbronzezeitliche Gräberfeld von Gusen im unteren Mühlviertel gehört zu den bedeutendsten Friedhöfen der Zeit um 1200 v. Chr. in Österreich – nicht zuletzt durch die kostbaren Beigaben wie Keramik, Schwerter oder Bronzegefäße. Eine kostbare Bronzetasse dient der archäologischen Forschung sogar als Typusexemplar – die Bronzetassen Typ Gusen sind eine Leitform für eine bestimmte Zeit und Region.

Funde aus dem spätbronzezeitlichen Gräberfeld Gusen.
Foto: Trnka 1992, Taf 1 und 2

Das Gräberfeld dürfte aufgrund der Schilderungen ursprünglich um die 200 Gräber umfasst haben, von denen ungefähr ein Drittel zumindest teilweise dokumentiert werden konnte. Die Gräber wurden von der frühen bis zur älteren Urnenfelderzeit (1300–1100 v. Chr.) angelegt. Das älteste Grab – es enthielt sowohl eine Körperbestattung als auch bereits die für die Urnenfelderkultur typische Brandbestattung – dürfte sogar vom Ende der mittleren Bronzezeit stammen. Ein Kriegergrab aus der mittleren bis späten Bronzezeit enthielt neben einer kleinen Bronzeschale auch ein Schwert, eine Lanzenspitze und ein Rasiermesser. Den Beschreibungen nach könnte der Körper des Toten verbrannt worden sein. Der Schädel ist unverbrannt erhalten. Die Frauen wurden in ihrer Tracht mit Armreifen und Bronzenadeln beigesetzt. Die Funde aus dem Gusener Gräberfeld zeigen Einflüsse aus dem Osten. Die Bronzetasse weist auf Kontakte zum Karpatenraum hin. Aus den Grabungen in Gusen von 1941 bis 1943 gibt es aber auch jungsteinzeitliche Funde, ein Grab der Hallstattkultur sowie verstreute frühmittelalterliche Funde.

Die Geschehnisse bei der Ausgrabung während des Zweiten Weltkriegs

Im Jahr 1941 kamen die Überreste dieses Friedhofes durch Erdarbeiten beim Bau einer Schleppbahn zwischen dem KZ Gusen und dem Bahnhof St. Georgen an der Gusen wieder ans Tageslicht. Für die Ausgrabungsarbeiten an der archäologischen Fundstelle und die Dokumentation der Funde wurden, unter der Betreuung der damals jungen Denkmalamtsmitarbeiterin Hertha Orel, Häftlinge des nahegelegenen KZ Gusen, Außenlager von Mauthausen, herangezogen. Der Priester Johann Gruber erhielt ab 1942 den Auftrag zur Verwahrung und Bestimmung der archäologischen Funde. Die Funde wurden nach der Restaurierung in einer "Museumsbaracke" im KZ ausgestellt.

Während Gruber hauptsächlich für das Lagermuseum und die Aufstellung der Funde zuständig war, waren bei den Ausgrabungen, die vom Bundesdenkmalamt begleitet wurden, vor allem polnische Gefangene beschäftigt. Am häufigsten wird dabei der Name Kazimierz Gelinek erwähnt, der schon archäologische Erfahrung hatte und den Grabungstrupp anführte. Es gibt aber auch Quellen, in denen die polnischen Gefangenen Wladyslaw Gębik, Tadeusz Murasewisz und Józef Iwinski, der einen großen Teil der Zeichnungen anfertigte, erwähnt werden. Das achtköpfige Museumskommando katalogisierte und restaurierte die Funde. Besondere Funde wurden nach Wien gebracht und dort restauriert. Bereits Ende 1941 wurde ein Kalender mit Handzeichnungen der Funde gemacht. Für 1943 wurde ein Kalender in größerer Stückzahl angefertigt, die Exemplare waren als Geschenk für hohe SS-Führer vorgesehen.

Kalenderblätter zu den Ausgrabungen im Gräberfeld Gusen, angefertigt von den KZ-Häftlingen.
Foto: Trnka 1992, Abb. 2.

Im menschenverachtenden System des KZ gelang es Gruber durch Tätigkeiten rund um die archäologischen Ausgrabungen, zumindest für einige Insassen die Lebenssituation etwas menschlicher zu machen – die Alternative war die mehr oder weniger todbringende Arbeit in der Rüstungsindustrie und in Steinbrüchen (Mauthausen-Todesstiege). Gruber nutzte die Arbeit außerhalb des Lagers, vor allem die Transporte der archäologischen Gegenstände nach Wien, um Geld und Zigaretten für seine Hilfsaktionen zu schleusen. Die Zigaretten wurden im Lager gesammelt und dann auf dem Wiener Schwarzmarkt verkauft.

Die archäologischen Artefakte gelangten nach dem Zweiten Weltkrieg über Umwege nach Wien ans NHM in die Prähistorische Abteilung und werden seitdem im Tiefspeicher des Museums aufbewahrt. Eine konkrete Auseinandersetzung mit diesem schweren Erbe wurde erst 2019 wieder durch das Kunstprojekt von Christian Kosmas Mayer angestoßen, was zu einer guten und gegenseitig befruchtenden Zusammenarbeit mit dem NHM führte.

Funde aus Gusen in den Depoträumlichkeiten des Naturhistorischen Museums Wien.
Foto: : Chr. Kosmas Mayer

Zeichen setzen durch Kunst

In Erinnerung an Gruber, der am Karfreitag 1944 im KZ Gusen ermordet wurde, wurde am 15. Oktober 2021 ein Gedenkort mit einem Kunstwerk von Christian Kosmas Mayer im Eingangsbereich der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz der Öffentlichkeit präsentiert. Gruber ist eine herausragende Persönlichkeit des österreichischen Widerstandes gegen das NS-Regime. Selbst inhaftiert im Konzentrationslager Gusen, organisierte er eine Art Häftlingshilfsorganisation und einen Nachrichtendienst. Wichtige Teilbereiche seines Wirkens flossen in die künstlerische Intervention mit ein. Ein Teil des Memorials behandelt dabei archäologische Objekte aus Gusen und involviert somit das Naturhistorische Museum Wien, in dem diese Artefakte aufbewahrt werden.

Das Naturhistorische Museum Wien stellt sich durch die Unterstützung dieses Kunstwerks der Verantwortung, auch mit schwierigem Erbe umzugehen. Es setzt sich auch mit den dunklen Zeiten der österreichischen Geschichte auseinander – etwa kürzlich mit der Ausstellung "Der kalte Blick" im Haus der Geschichte oder der Restitution von unrecht erworbenem Kulturgut, das sich in den Sammlungen befindet.

"Denkmalkunst"

2019 wurde vom Kunstreferat der Diözese Linz ein Wettbewerb für eine künstlerische Gestaltung des Gedenkorts Grubers an der PH Linz ausgeschrieben. Eine Fachjury kürte aus den Vorschlägen der fünf eingeladenen Künstlerinnen und Künstler das Projekt "Wetterleuchten am Horizont" von Mayer zum Siegerprojekt. Mayers Entwurf überzeugte mit dem Konzept einer dreiteiligen Intervention, die sehr direkt mit der Architektur und der sozialen Struktur der Hochschule interagiert. Die den Treppenaufgang zum Haupteingang hinaufführenden Handläufe zieren nun taktile Schilder, wie sie für blinde Menschen im öffentlichen Raum angebracht werden. Dies ist ein biografischer Hinweis auf Grubers Position als Direktor der Linzer Blindenschule vor seiner Inhaftierung. Auf den Schildern werden, in Braille- und Lateinschrift, Fragmente eines Gedichts von Jean Cayrol wiedergegeben, das er Gruber 1945 widmete.

Cayrol war selbst Häftling in Gusen und einer der jungen Männer, die ohne Grubers Hilfe das KZ nicht überlebt hätten. Am oberen Ende des Treppenaufgangs erhebt sich über dem Mäuerchen eine Vitrine, in der einige ausgewählte Objekte der Gusener Bronzezeitfunde als täuschend echte Kopien ausgestellt sind. Begleitet von kurzen Texten, die von der Verbindung dieser Objekte zum KZ Gusen und Gruber ebenso erzählen wie von ihrer ursprünglichen Bedeutung im Kontext der bronzezeitlichen Gräberkultur, stehen die Objekte auf Holzkisten, wie sie traditionell von Archäologinnen und Archäologen als Transportboxen verwendet wurden. Der dritte Teil dieses Erinnerungskunstwerks soll an die sogenannte Gruber-Suppe erinnern, die Gruber durch geschicktes Handeln fast täglich in der Küchenbaracke organisieren konnte und dank der er viele Männer vor dem Verhungern rettete. Auf Mayers Initiative hin wird künftig ein Kreis Studierender das Wissen um diese Suppe am Leben halten, indem sie selbst zu bedeutenden Tagen im Kalender der Hochschule zusammenkommen, um gemeinsam eine einfache Gemüsesuppe zu kochen.

Ein Kunstwerk mit archäologischen Funden als Teil eines Memorials für das KZ-Opfer Pater Johann Gruber.
Foto: W. Antl-Weiser – NHM Wien
Memorials für das KZ-Opfer Pater Johann Gruber.
Fotos: Chr. Kosmas Mayer

"Im Gegensatz zu vielen Denkmälern, die in ihrer Gestaltung hinter ihrer eigenen Zeit zurückbleiben", schreibt Rainer Fuchs, Kurator und stellvertretender Direktor des Mumok in Wien, in seiner Laudatio, "haben wir es hier mit einer 'Denkmalskunst' zu tun, die ihr historisches Thema in die Gegenwart heraufhebt. Johann Gruber war eine Persönlichkeit, die ihrer Zeit voraus war beziehungsweise ihr entgegengearbeitet hat – und deren reformerische Ideen seine reaktionären Feinde alt aussehen ließen. Auch so gesehen entspricht diese Art der Kunst der Art seines Geistes."

Kooperation zwischen dem Künstler und dem NHM

Mit Bedacht wurden gemeinsam mit dem Künstler Artefakte aus dem Gräberfeld gewählt, die Geschichte dahinter erarbeitet, mit Vinzenz Kern Dokumentationen gewälzt. Die Kooperation mit dem NHM umfasst nicht nur die bereitwillige Zurverfügungstellung der Artefakte für Scan und Kolorierung der Repliken, sondern auch letztendlich die Positionierung der Objekte in der Vitrine der Kunstinstallation durch die archäologischen Restauratorinnen und Restauratoren des Museums.

Scan der archäologischen Artefakte aus Gusen und Repliken (handkolorierte 3D-Drucke).
Fotos: K. Grömer/Chr. Kosmas Mayer

Unter dem Blickpunkt, dass die Nazis vor allem die Archäologie stark für die Ideologisierung der Bevölkerung in Hinblick auf den arischen/germanischen Rassenwahn missbrauchten – gerade die Bronzezeit galt als die heroische Zeit der Urgermanischen –, ist es nun ein versöhnlicher Aspekt, dass archäologische Funde aus dem Gräberfeld Gusen Teil eines Kunstwerks werden konnten, das an den aktiven Widerstand gegen das NS-Regime erinnert.

Das Kunstwerk, das am 15. Oktober als Gedenkort für den Priester Johann Gruber eröffnet wurde, kann im Eingangsbereich der Pädagogischen Hochschule der Diözese Linz, Salesianumweg 3 in Linz, besichtigt werden. (Karina Grömer, Christian Kosmas Mayer, Walpurga Antl-Weiser, 28.10.2021)