Es klingt zu schön, um wahr zu sein: Mehr als 50 Staaten und die Europäische Union haben angekündigt, klimaneutral zu werden. 2040, 2050, 2060 – die Daten variieren, kündigen aber allesamt die ersehnte Nettonull an. Tatsächlich sind die Versprechen eher schön, als dass sie wahr werden: Die G20-Staaten haben zusammengerechnet nicht einmal ihre früheren Klimaziele erreicht, berichteten die Vereinten Nationen diese Woche. Trotz vieler Zusicherungen steuert die Welt auf ein Temperaturplus von 2,7 Grad Celsius zu.

Das bedeutet nicht einfach, dass Sommer ein wenig heißer und Winter milder werden. Der Meeresspiegel wird bis Ende des Jahrhunderts um deutlich mehr als 60 Zentimeter steigen und den Lebensraum von Millionen Menschen zerstören. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Arktis im Sommer eisfrei ist, steigt gewaltig. Im Winter schneit es deutlich seltener, dafür erhöhen und verlängern sich Hitzetage und -perioden im Sommer. Extremwetterereignisse wie Starkregen häufen sich, zugleich werden Dürreperioden intensiver und dauern länger an. Viele Tier- und Pflanzensorten verlieren ihren natürlichen Lebensraum. Für manche, wie zum Beispiel Mücken, erschließen sich hingegen neue Gebiete, was zu einer weiteren Ausbreitung von Malaria oder Dengue führen kann.

Extremwetterereignisse wie Dürreperioden werden intensiver und dauern länger an.
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Noch nicht genug? Die Folgen der Klimakrise sind kostspielig. Die Organisation Carbon Brief rechnet allein bei einem Temperaturanstieg von zwei Grad bis Ende des Jahrhunderts mit einem Einbruch des globalen Pro-Kopf-Bruttoinlandprodukts von 13 Prozent.

Doch anstatt auf die Wissenschaft zu hören und künftigen Generationen all das zu ersparen, wird in Glasgow vor der Eröffnung des Weltklimagipfels am Sonntag fleißig lobbyiert: Südamerikanische Staaten wollen bloß nichts von einer fleischärmeren Ernährung hören; andere Länder das Kapitel der Erneuerbaren in die Zukunft schieben. Statt endlich weniger zu emittieren, ist die Emissionslücke, die Corona hinterlassen hat, beinahe wieder gefüllt.

Keine Chance

Weiterhin wird die Verantwortung hin- und hergeschoben. Kleinere, wohlhabende Staaten wie Österreich rufen: Aber China! Dort lautet die Antwort: Ihr habt historisch schon so viel CO2 rausgeblasen, jetzt dürfen wir!

Wird es der Markt regeln? Allein nicht. Über Marktmechanismen könnte aber zumindest ein wirtschaftliches Umdenken forciert werden: Dafür müsste das Emittieren von CO2 in weiten Teilen der Welt einen Preis bekommen und die Einfuhr klimaschädlicher Güter durch Zölle erheblich teurer werden. Auch in Glasgow stehen solche CO2-Märkte hoch auf der Agenda.

Doch jene Marktmechanismen haben ohne den entsprechenden politischen Willen keine Chance. Oder, wie UN-Generalsekretär António Guterres es formulierte: Werden in den kommenden zehn Jahren nicht die notwendigen Klimaschutzmaßnahmen gesetzt, ist die Chance, die Erderwärmung bei 1,5 Grad zu stoppen, "für immer verloren".

In Glasgow haben die Staats- und Regierungsspitzen eine der vermutlich letzten Chancen, um für eine Trendwende zu sorgen. Egoismus ist dabei nicht zwingend fehl am Platz: Geht es darum, dass es der eigenen Bevölkerung und der eigenen Wirtschaft langfristig gut geht, führt kein Weg an ambitioniertem Klimaschutz vorbei. Denn die Klimakrise macht an keinen Grenzen halt. Für leere Versprechen bleibt keine Zeit mehr. (Nora Laufer, 28.10.2021)