Er wird es schaffen: Franz Klammer (Julian Waldner) überwindet in "Klammer" seinen Selbstzweifel und setzt sich über Interventionen hinweg.

Foto: Constantin

Der Medienrummel um den österreichischen Favoriten beim Abfahrtsrennen der Olympischen Spiele von 1976 ist gewaltig. Aus dem Mund eines englischen Korrespondenten klingt der Name des Kärntner Skistars passenderweise schon wie "glamour". Gemeint ist natürlich Franz Klammer, wer sonst. Der von jungen Frauen wie ein Popstar umschwärmte Rennläufer ist mit seinem BMW nach Innsbruck gekommen, um zu gewinnen. Die Frage ist nur, ob das Nervenkostüm unter dem schon vorab vergoldeten Overall dem Druck standhalten wird.

Constantin Film Österreich

Wer nicht weiß, wer am Ende auf dem Podest stand, hat die Staatsbürgerschaft nicht verdient. Der 5. Februar hat es in die Annalen der heimischen Sportgeschichte geschafft. Dass es mit Klammer nun auch einen Film darüber gibt, liegt daran, dass das Kino solche Mythen des Bezwingens liebt. Chasing the Line, der englische Titel von Andreas Schmieds Film, macht die Ausrichtung deutlicher: Der markante, draufgängerische Stil des Abfahrers muss erst die richtige Spur finden. Klammer, entspannt verkörpert vom Newcomer Julian Waldner, sucht noch sein inneres Zen: "Nicht hoffen, nicht wollen – wissen", so wird es dann lauten.

Um bis zu diesem Mantra am Starthaus zu gelangen, braucht Klammer aber auch ein wenig Handlung. Üblicherweise würde ein Sportdrama den Antagonisten im direkten Widersacher fixieren, was in diesem Fall natürlich ein Schweizer, nämlich Bernhard Russi ist. Die Spannung erwüchse dann aus den Trainingsläufen, die das Konkurrenzverhältnis immer weiter zuspitzen. Das leisten Schmied und Co-Drehbuchautorin Elisabeth Schmied in ihrem Film jedoch nicht (offenbar auch, weil Klammer einem solchen direkten Duell aus Freundschaft zu Russi nicht zugestimmt hat). Klammer kämpft hier gegen sich selbst, Motivation und Reibung bieten das persönliche und professionelle Umfeld.

Böser Trainer, wilde Buben

Interessanter wird Klammer damit allerdings leider nicht, man sehnt sich eher bald wieder nach dem Tempo auf der Piste. Denn die Dynamiken innerhalb des österreichischen Teams, mit dem jungen "Jimmy" Steiner, "Zwischenzeit-Weltmeister" Werner Grissmann und dem von Beginn an überreizten Trainer, sind nur rudimentär entworfen. Konflikte bleiben eher auf das Niveau "Böser Lehrer, wilde Buben, die Bier trinken" beschränkt.

Wichtiger ist dem Film ohnehin die Beziehung Klammers zu seiner in Wien studierenden Freundin Eva (Valerie Huber), die wegen einer Uniprüfung nicht an seiner Seite weilt. Das Turteln der beiden bei Telefongesprächen bleibt nicht nur für Klammer auf Dauer unbefriedigend. Als Eva schließlich doch beschließt, dem zweifelnden Herzensfavoriten moralische Unterstützung zu erteilen, erfüllt der Film voller Wonne überkommene Rollenklischees. Und Steiner und Co lauschen an der Türe mit.

Ergiebiger ist ein anderer Handlungsstrang rund um Klammers Skihersteller, den Oberösterreicher Pepi Fischer – und zwar schon deshalb, weil Robert Reinagl den Industriellen wie einen herrlich grimmigen Unterweltkönig im Pelzmantel anlegt. Fischer will Klammer unbedingt mit seinem neu entwickelten "Lochski" gewinnen sehen, der fährt aber lieber mit dem alten Material. Die Frage, wie sehr der Sportsgeist von den Marketinginteressen der Skihersteller durchkreuzt wird, bleibt trotz Fischers Einschüchterungsversuche zu vordergründig als Kritik – man hätte dem Thema mehr Screenzeit gewünscht.

Retro-Fahrt ohne Hindernisse

So gewinnt man allmählich den Eindruck, dass Klammer eigentlich nichts so richtig problematisieren möchte. Harmonie ist gefragt, bis zum Pressevertreter einer kleinformatigen Tageszeitung (Harry Lampl als Heinz Prüller), der wie ein Verbündeter des Skistars auftritt und schließlich sogar seine Akkreditierung für eine freundschaftliche Hilfeleistung weitergibt.

Stilistisch ist der Film als Retro-Fahrt in die 1970er-Jahre entworfen, die Ausstattung ist besonders stimmig, das Licht schon ein wenig zu Österreich-Werbung-tauglich, farblich allzu oft ins Buttrige neigend. Klammers Familie könnte in den ersten Szenen des Films auch einem Heidi-Film entsprungen sein. Auch wenn musikalische Montagen mitunter rebellischen Zeitgeist aufkommen lassen, gibt es in Klammer nichts, was sich dem kleinsten patriotischen Nenner widersetzt.

Klammers Triumph gerinnt zum kitschigen Emblem des nationalen Zusammenhalts. Als idealisierend-sentimentales Österreichbild kann man weit entfernt von den politischen Tumulten der Gegenwart in der Vergangenheit schwelgen. Denn nicht nur der Franzl findet seine Spur, sondern wir alle mit ihm – selbst eine hantige Bibliotheksfrau in Wien. (Dominik Kamalzadeh, 28.10.2021)