Bosnische Medien berichten, dass das Gesetz zur Aufteilung des Staatseigentums nach den Wünschen von SNSD-Chef Milorad Dodik gestaltet werden soll.

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Nachdem der Chef der größten bosnisch-serbischen Partei, SNSD, der rechtsradikale Nationalist Milorad Dodik, in den vergangenen Wochen konkrete Schritte zur Zerstörung Bosnien-Herzegowinas unternommen und angedroht hat, dass sich der Landesteil Republika Srpska aus der gemeinsamen Armee, aus der gemeinsamen Steuereintreibung und allen gemeinsamen bosnischen Institutionen zurückziehen werde und alle Entscheidungen des Hohen Repräsentanten seit 1995 aufgehoben würden, reagiert ein großer Teil der internationalen Gemeinschaft mit Beschwichtigungspolitik.

So wurden Dodik offenbar sogar "politische Deals" angeboten, damit serbische Vertreter den Boykott der gesamtstaatlichen Institutionen beenden. Wie bosnische Medien nun berichten, soll das Gesetz zur Aufteilung des Staatseigentums nach Dodiks Wünschen gestaltet werden. Dabei geht es etwa um Wälder, Immobilien und Flüsse, die dem Gesamtstaat gehören. Dodik, der zwar selbst gar nicht die Republika Srpska vertritt, sondern im bosnischen Staatspräsidium sitzt, ist es ein Anliegen, dass der Republika Srpska möglichst viel Staatseigentum zugesprochen wird.

Interesse Serbiens

Bei dem "Deal für Dodik" werden aber auch die Interessen Serbiens berücksichtigt, obwohl Bosnien-Herzegowina ein souveräner Staat ist. So soll es Diplomaten zufolge auch um Wasserkraftwerke an der Drina, dem Grenzfluss zwischen Bosnien-Herzegowina und Serbien, gehen. Die Energienutzung soll demnach nur zwischen Serbien und der Republika Srpska ausgemacht werden – der Gesamtstaat ausgespart werden. Nicht nur Dodik pilgerte zuletzt zum serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić, der in den vergangenen Wochen vermehrt versucht hatte, seinen Einfluss in der gesamten Region (auch im Kosovo und in Montenegro) zu intensivieren. Auch der Chef der kroatisch-nationalistischen HDZ, Dragan Čović, traf Vučić in Belgrad.

Denn auch Čovićs Interessen sollen im "Gesamtpaket" vertreten sein das offenbar von Diplomaten forciert wird. Seit Jahren schon versuchen Nationalisten aus der Herzegowina wie er, die Änderung eines Wahlgesetzes zu erreichen, wonach nur mehr ein Vertreter der HDZ zum kroatischen Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums gewählt werden können soll. Eine Wahlrechtsänderung in diesem Sinne wird nicht nur von Kroatien unterstützt, das derzeit von der HDZ regiert wird, sondern auch von dem US-Gesandten Matthew Palmer, der noch vom früheren US-Präsidenten Donald Trump auf den Balkan geschickt wurde. Palmer ist dieser Tage auch in Bosnien-Herzegowina. Der Diplomat gilt aber als äußerst fragwürdig, weil er auch die Idee eines gefährlichen Gebietstauschs zwischen Serbien und dem Kosovo unterstützte.

Deal für herzegowinische Nationalisten

Doch Čović wurde offenbar nicht nur von Palmer versprochen, dass das Wahlgesetz in seinem Sinne geändert wird. Medienberichten zufolge wird von Diplomaten argumentiert, dass die bosniakische Seite bereits das Gesetz gegen die Leugnung von Kriegsverbrechen und gegen die Glorifizierung von Kriegsverbrechern "bekommen" habe, obschon dieses Gesetz überhaupt nichts mit Volksgruppen zu tun hat. Seit der frühere Hohe Repräsentant Valentin Inzko zu Beginn des Sommers das Gesetz erlassen hat, ist die Leugnung von Kriegsverbrechen übrigens zurückgegangen.

Nicht nationalistische Politiker in Bosnien-Herzegowina üben nun heftige Kritik an möglichen "Hinter-Zimmer-Deals" der internationalen Gemeinschaft mit nationalistischen Politikern wie Dodik und Čović. So sagte etwa der Vizepräsident der Sozialdemokratischen Partei, Vojin Mijatović: "Wir helfen beim Aufbau von Bosnien-Herzegowina, aber wir werden jeden Verrat am Staat brutal bestrafen. Bosnien und Herzegowina ist ein unabhängiger, souveräner Staat aller Bürger, kein Bündnis ethnonationaler Stämme und niemandes Vaterland, mit dem man so einen Handel betreiben kann."

Europäer hinten nach

Experten wie der Wiener Politologe Vedran Džihić warnen vor der Appeasement-Politik der internationalen Gemeinschaft, zumal diese an die gescheiterte Politik gegenüber dem damaligen Despoten in Belgrad, Slobodan Milošević in den 1990ern, erinnere. "Milošević behauptete immer, dass er den Frieden und Jugoslawien erhalten wolle, zugleich hatte er eine klare Sezessionsagenda", sagt Džihić. "Die Europäer waren immer zwei Schritte hinter ihm, es gab keine entsprechende Reaktion des Westens auf seine Strategie."

Auch heute seien die Europäer wieder in einer ähnlichen Situation. Denn während Nationalisten wie Dodik und Čović Deals zu ihren Gunsten einfädelten, reagierten westliche Diplomaten pragmatisch und würden nicht weiter als bis um die Ecke denken. "Das ist gefährlich", so Džihić. "Denn Dodik geht bis zum Schluss, er hat keine andere Strategie als die Eskalation."

Angst vor Dodik

Sämtliche westlichen Diplomaten haben Angst vor Dodik, der seit 15 Jahren daran arbeitet, den Staat Bosnien-Herzegowina aufzulösen, und die alte Idee eines großserbischen Staates verfolgt. Das führt in regelmäßigen Abständen dazu, dass Vučić vom Westen aufgefordert wird, Dodik "wieder einzufangen". Das aber nützt vor allem Vučić selbst, der sich auf Einladung des Westens in den souveränen Staat Bosnien-Herzegowina einmischen kann. "Sobald man die Stimmen aus Belgrad und Zagreb einbezieht, steht Bosnien-Herzegowina wie ein Vasallenstaat da. Das ist ein direkter Angriff auf seine Souveränität", mahnt Džihić. "Und normale Bosnier geraten dadurch unter die Räder."

Dodik hat indes eine seiner Sezessionsdrohungen bereits umgesetzt. Vergangene Woche wurde im Parlament der Republika Srpska ein Gesetz beschlossen, das vorsieht, dass die Republika Srpska aus der gemeinsamen bosnischen Arzneimittelbehörde aussteigen wird. Das Gesetz ist verfassungswidrig und wird beim bosnischen Verfassungsgericht angefochten werden – so wie alle anderen Vorhaben, die Dodik androht. (Adelheid Wölfl, 27.10.2021)