Jede Publicity ist gute Publicity, es dauert bloß manchmal eine Zeitlang, bis sich das erweist. Als Klimt ab 1900 den Wienern seine Fakultätsbilder für den Festsaal der Wiener Universität präsentierte, riefen die prompt heiße Empörung hervor. Die Kritiker hassten die Bilder derart, dass sie sie besonders genau beschrieben. Das hat Franz Smola, Kurator im Belvedere, über hundert Jahre später geholfen, die 1945 bei einem ungeklärten Brand zerstörten Werke, die nur auf Schwarz-Weiß-Fotos dokumentiert sind, nun zu rekolorieren: In einem gemeinsamen Projekt mit Google Arts and Culture hat Smola die Farben zu rekonstruieren versucht.
Einen Teil dazu trug künstliche Intelligenz bei, die mit statistischen Modellen von Motiven und Farben aus Referenzwerken Klimts gefüttert wurde. Smola für seinen Teil hat Zeitungsberichte gewälzt und ist auf solche gestoßen, die sich etwa über die Farben der Jurisprudenz lustig machen, Klimt sei darin politisch geworden: Sie erscheine in Schwarz, Rot und Gold als den Farben der Monarchie. Gold und Schwarz ließen sich aufgrund der Fotos gut zuordnen. Aber das Rot? Um es ins Auge stechen zu lassen, beschloss Smola: "Wir machen den Hintergrund rot!"
2024 in Wien
Das Ergebnis? In der Animation kriegen Jurisprudenz, Philosophie und Medizin teils fast giftiggrüne Töne und wirken wie schlecht farbwertkorrigiert. 2024 soll es in Wien eine Ausstellung zu dieser Forschung geben. Erstmals ist das Ergebnis aber bereits jetzt im Museo di Roma in der Ausstellung Klimt – Die Secession und Italien zu sehen. Organisiert vom italienischen Kunstveranstalter Artemisia, sind das Belvedere und die (von der dritten Ehefrau des ersten unehelichen Sohnes Klimts gegründete) Klimt Foundation die wichtigsten Leihgeber.
Während von der Foundation neben der Braut auch Briefe zur Verfügung gestellt wurden, hat das Belvedere Highlights wie Judith II entsandt, dazu 30 Werke von Carl Moll, Koloman Moser und weniger bekannten Namen aus der Klimt-Gruppe wie Elena Luksch-Makowsky. Johann Victor Krämer passt mit einem Garten aus Taormina am besten zum Titel der Schau.
Tatsächlich war Italien auch für Klimt wichtig. Kein anderes Land hat der nur ungern reisende Künstler so oft besucht. In Genua küsste er 1899 die spätere Alma Mahler-Werfel zum ersten Mal, dann noch einmal in Verona, in Venedig wurde es ihm von deren Stiefvater Carl Moll schließlich verboten. Ins gesamt können ab 1890 acht Italienbesuche nachgewiesen werden, auf denen Klimt u. a. Renaissancestätten wie Florenz besuchte. 1903 fand er die Mosaike von Ravenna unglaublich schön. Wohl sah er sich davon aber mehr bestätigt denn inspiriert, war seine goldene Phase damals doch schon wieder vorbei.
Große italienische Erfolge
Die typische Italianità, das Lebensgefühl, hat ihn nicht interessiert. Dennoch habe zu Klimts Lebzeiten wohl kein anderes Land Dekor und Eleganz seiner Werke so verstanden wie Italien, meint Smola. 1903 und 1910 war Klimt zur Biennale eingeladen, auch 1911 reiste er mit Werken nach Rom, einige wurden angekauft. Etwa das 1997 in Piacenza gestohlene und 2019 wieder aufgetauchte Bildnis einer Frau. 1912 bildete sich zudem eine Römische Secession, die mit oftmals kitschigen Bildern vertreten ist, denen die Pudrigkeit des Vorbilds fehlt, die aber trotzdem versuchen, Klimts Dekor teils eins zu eins zu kopieren.
Kulturexport schön und gut. Gibt es bei der Schau für die österreichischen Teilnehmer abseits von Leihgebühren (das Belvedere stellt 40 Exponate, die Foundation über 70, die Neue Galerie Graz 15 Zeichnungen, dazu kommen unter anderem Vasen aus der Sammlung Ernst Ploil) auch wissenschaftliche Gewinne? Ja, Katalogbeiträge italienischer Kunsthistoriker haben zu Erkenntnissen geführt, welche Werke wann wo in Italien zu sehen waren und wie die Ankäufe liefen.
So detailliert, wie die Klimt Foundation die Italien-Reisen für diese Schau aus den Postkarten in ihrem Bestand rekonstruierte, wurden sie nie zuvor dargestellt. (Michael Wurmitzer aus Rom, 29.10.2021)