Wenn nicht noch ein politisches Wunder geschieht, wird Portugal Anfang 2022 erneut wählen. Nur zwei Jahre nach dem letzten Urnengang ist der sozialistische Ministerpräsident António Costa mit seinem Haushaltsentwurf am Parlament gescheitert. Nicht nur die rechte Opposition stimmte gegen die Finanzplanung, sondern auch die kommunistische Partei (PCP) und der Linksblock (BE), die bisher Costas sozialistische Minderheitsregierung unterstützt hatten.

Nach seiner Rede gab sich Premier Costa mit der Bussi-Geste noch recht siegesbewusst. Doch das Selbstbewusstsein des Regierungschefs bröckelte schnell.
Foto: AFP / Patricia de Melo Moreira

Die Parteien links von Costas Sozialistischer Partei (PSP) setzen damit einen Schlussstrich unter eine Beziehung, die seit 2015 die Minderheitsregierung am Leben hielt. Der Haushaltsabstimmung waren wochenlange Verhandlungen zwischen PDS, PCP und BE vorausgegangen.

Staatspräsident Marcelo Rebelo de Sousa hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung angekündigt, Neuwahlen anzusetzen, falls der Haushalt nicht durchs Parlament komme. Über das Wochenende will er mit allen Parteien Gespräche führen und dann Anfang kommender Woche entscheiden, ob und wann gewählt wird.

Budget nicht vor April 2022

Kommt es zu Neuwahlen, wird es wohl mindestens bis April dauern, bis Portugal einen Haushalt für 2022 hat. So lange muss das südwesteuropäische Land dann wahrscheinlich auf die ersten Zahlungen aus den 16,6 Milliarden Euro aus dem Corona-Hilfsfonds der Europäischen Union warten. "Das Letzte was Portugal braucht, ist eine politische Krise", hatte Costa vergebens gewarnt.

"Klappergerüst" nannten die Portugiesen Costas Regierung, in der die PS auf Unterstützung der linkeren Parteien angewiesen ist. Wider Erwarten funktionierte dies lange recht gut. Costa nahm Maßnahmen aus der Zeit der Sparpolitik in der Eurokrise zurück. Mindestlohn, Pensionen und Gehälter im öffentlichen Dienst wurden erhöht, Steuern für Familien und niedrige Einkommen gesenkt. Besserverdienende werden stärker zur Kasse gebeten.

Die Wirtschaft erholte sich. Die Arbeitslosigkeit sank von 13 auf etwas über sechs Prozent. Das wiederum füllte die Staatskassen. Portugal verließ den EU-Rettungsschirm, zahlt die Schulden bei EU und Internationalem Währungsfonds schneller ab als vereinbart.

Costa wollte jetzt – wenn auch langsamer – diesen Weg weitergehen, aber zugleich das Haushaltsdefizit von 4,3 auf 3,6 Prozent senken sowie Staatsverschuldung abbauen. Der Haushalt sah Steuersenkungen für die Mittelschicht und eine Erhöhung der öffentlichen Investitionen vor.

Linke Rebellion

Den beiden Linksparteien ging dies nicht weit genug. Sie verlangen unter anderem mehr Geld für das öffentliche Gesundheitswesen sowie eine weitere Anhebung des Mindestlohns, der Gehälter im öffentlichen Dienst und der Pensionen.

"Wir sind nicht davon besessen, alles oder nichts zu fordern. Wir haben uns ernsthaft bemüht", erklärte der Sprecher der PCP-Fraktion, João

Oliveira. Sie wollen keine Neuwahlen, sondern, dass der Präsident Costa Zeit gibt, um einen neuen Budgetentwurf auszuarbeiten.

Nach seiner Rede gab sich Premier Costa mit der Bussi-Geste noch recht siegesbewusst. Doch das Selbstbewusstsein des Regierungschefs bröckelte schnell. (Reiner Wandler, 29.10.2021)