Ein Jahr und eineinhalb Monate ist es mittlerweile her, da kommentierte DER STANDARD, die Corona-Ampel sei defekt. Nun schaltet sie immer noch, fast flächendeckend ist Österreich momentan rot. Warum man diese Farben eigentlich noch verwendet, ist unklar: Längst schon gehen keine Maßnahmen mehr damit einher.

Stattdessen kocht jedes Bundesland sein eigenes Süppchen. Immerhin, nach eineinhalb Jahren Pandemie kommen einige von ihnen dabei auch auf die Idee, zu verschärfen, anstatt sich – zumindest zum Teil – reflexartig gegen neue Regeln aus dem Bund zu wehren.

Seit Monaten treten wir mehr oder weniger auf der Stelle, was die Impfquote angeht.
Foto: imago images/SNA

Ein kurzer Überblick: In der Steiermark – die liegt sogar im Mittelfeld, was die Corona-Zahlen angeht – gilt demnächst eine teilweise 2G-Regel und eine ausgeweitete Maskenpflicht. In Salzburg – dem Land mit der zweithöchsten Inzidenz – müssen schon seit gut einer Woche vermehrt FFP2-Masken getragen werden, auch Wohnzimmertests gelten nicht mehr. Und in Oberösterreich, jenem Land, in dem die Lage am dramatischsten ist? Da gilt zwar noch die bundesweite 3G-Regel, aber zumindest die Maskenpflicht wurde ausgeweitet.

All das folgt vielleicht nicht überall derselben Logik. Aber zumindest bietet es verschiedene Szenarien, an denen man ablesen kann, welche Maßnahmen welche Wirkungen haben. Zum Beispiel in Scheibbs und Melk. Seitdem es dort Ausreisekontrollen gibt, kommt es zu einem regelrechten Ansturm auf die Impfbusse – so viele Niederösterreicherinnen und Niederösterreicher wie noch nie seit Beginn der Aktion holten sich ihre Stiche ab.

Dass in Wien schon seit Wochen nur noch Geimpfte und Genesene in Clubs dürfen, lässt die Zahlen sinken – zumindest stellt der Direktor des Gesundheitsverbundes diesen Zusammenhang her.

Offene Debatte

Tatsächlich: Die Inzidenz ist in keinem Bundesland so niedrig wie im einstigen Sorgenkind Wien. Und doch ist sie auch da genauso hoch wie vor fast genau einem Jahr, als es nur noch wenige Wochen waren, bevor ein langer, zäher Herbst-Lockdown verhängt wurde, der dann weit in den Winter hineinreichte. Fast zehntausend Menschen sind seit damals in Österreich an oder mit dem Virus gestorben.

Das sollte spätestens jetzt Anlass dafür sein, die Bundesländer nicht mehr als Spielwiese für Maßnahmen zu betrachten – immerhin hat jede Infektion das Potenzial, weitere Todesfälle mit sich zu bringen. Und eigentlich weiß die Regierung und weiß der allergrößte Teil der Bevölkerung bereits, was die Pandemie eindämmt: die Impfung. Dass diese wirkt, haben Expertinnen und Experten wahrlich zur Genüge erklärt.

Was es dringend braucht, ist daher eine offene Debatte über die Impfpflicht. Nicht eine durch die Hinter-, eine durch die Vordertür. Ungeimpften das Leben Stück für Stück unbequemer zu machen, ist offensichtlich nicht zielführend. Seit Monaten treten wir mehr oder weniger auf der Stelle, was die Impfquote angeht. Stattdessen muss klargestellt werden: Wer sich nicht impfen lassen will, obwohl er könnte, ist gefährlich für sein Umfeld und muss es daher meiden – im Job genauso wie in der Freizeit.

Wenn schon der Bund nicht so weit ist, diesen Schritt zu machen, dann soll eben ein Bundesland vorpreschen. Es wäre nicht das erste Mal, dass Wien vermeintlich radikale Maßnahmen verhängt, denen andere dann folgen. (Gabriele Scherndl, 28.10.2021)