Spätestens seit 2014 ist der Hass in der Offline-Welt angekommen, als der "Drachenlord" seine Adresse unabsichtlich bekanntgab.

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Zwei Jahre Haft sind der Staatsanwältin nicht genug. Weil Rainer W. – geläufiger bekannt als der "Drachenlord" – bei physischen Auseinandersetzungen handgreiflich wurde, soll er nun länger hinter Gitter, begründet sie die Berufung. Dabei ist W., der als Social-Media-Influencer auftritt, eigentlich vor allem eines: Opfer eines Internet-Mobs, der ihn seit Jahren beschimpft. Der sich daran vergnügt, ihn leiden zu sehen – und der stets nach neuen Wegen sucht, ihn zu quälen. Der Hass ist zu einer Art Meme geworden. In Teilen zu sehen ist das bei dem Gerichtsprozess, bei dem W. eigentlich als mutmaßlicher Täter auftritt. Seine Hater sind live dabei, hoffen, dass er möglichst hart bestraft wird, feiern das Urteil.

Mobbingopfer

W. teilt im Netz Beiträge über sein Leben, spricht von seinen Gedanken und von Themen, die ihn beschäftigen. Dabei scheint er wie das perfekte Mobbingopfer: Er ist übergewichtig, spricht mit einem starken Akzent und soll laut einem Gerichtsgutachten über eine "verminderte Intelligenz" verfügen. Dadurch kommt es vor, dass er manchmal unüberlegte Aussagen trifft. Für seine "Haider" – so nennen sich seine Gegner, um das englischsprachige Wort "Hater" mit W.s Akzent nachzuäffen – ist das Zündfeuer für weitere Hetze. Immer wieder wird er im Internet bezichtigt, für Mordverbrechen verantwortlich zu sein. Auch Medien fallen darauf rein, zuletzt beim Bogenschützen in Norwegen, der mehrere Personen tötete. Zuvor war W. etwa als Straßenbahnattentäter genannt worden.

Hass vor der Haustür

Spätestens seit 2014 ist der Hass in der Offline-Welt angekommen, als der "Drachenlord" seine Adresse unabsichtlich bekanntgab. Obwohl er den Beitrag bald löschte, war der Schaden geschehen – seitdem versammeln sich regelmäßig "Haider" vor seinem Haus in einer bayerischen Gemeinde, die lediglich rund 40 Einwohner zählt. Sie schießen mit Gegenständen, schreien lauthals in Richtung seines Grundstücks, ziehen spöttisch Masken mit dem Abbild seines verstorbenen Vaters an. Immer wieder muss die Polizei anrücken, was auch für Ärger bei den anderen Bewohnerinnen und Bewohnern des Ortes sorgt. Bei einigen Besuchen soll W. so sehr zur Weißglut getrieben worden sein, dass er sich physisch wehrte. Für die Justiz ist er deswegen "Opfer und Täter zugleich".

Warum der "Drachenlord" seine Kanäle nicht einfach stilllegt? Er ist bekanntermaßen verschuldet – und seine Internetpräsenz trotz allem die Quelle seines Lebensunterhalts. (Muzayen Al-Youssef, 28.10.2021)