In der palliativen Pflege gibt es keine Chance auf Heilung, Symptome können nur gelindert werden. Mit dem Gesetz zur Sterbeverfügung soll auch der assistierte Suizid möglich sein.

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Mit der Gesetzesvorlage zur neuen Sterbeverfügung ist auch das Thema Sterbe- und Trauerbegleitung wieder in den Fokus gerückt. Geht es nach den Vorschlägen des Gesundheitsministers Wolfgang Mückstein, soll parallel zu diesem Gesetz auch die Hospiz- und Palliativversorgung massiv ausgebaut werden, um ein flächendeckendes wohnortnahes Angebot zu schaffen.

Dafür soll die derzeitige Bundesförderung von sechs Millionen vervielfacht werden und 2024 schließlich 51 Millionen betragen. Allerdings müssen im Sinne einer Drittelfinanzierung auch Länder und Sozialversicherung mitzahlen. Eine Zusage gibt es noch nicht. Eine systematische Verankerung der Hospiz- und Palliativversorgung im Gesundheitssystem gibt es in Österreich erst seit 1999. Fachkräfte sind wie im gesamten Gesundheits- und Pflegebereich gefragt.

Palliative Haltung

Doris Schlömmer, Leiterin des Universitätslehrgangs Palliative Care an der Paracelsus Medizinischen Privatuni in Salzburg, begrüßt die Pläne zum Ausbau der Palliativversorgung. Gleichzeitig brauche es aber auch eine stärkere palliative Haltung außerhalb dieser Stationen in den Spitälern. "Wenn feststeht, dass es keine Heilung mehr gibt, greift die Palliativversorgung. Die muss aber nicht ausschließlich auf Palliativstationen stattfinden", sagt die diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegerin. Palliative Care bereits in die Grundausbildung von Medizinern zu implementieren wäre für sie ein wichtiger Schritt.

Seit 15 Jahren gibt es den Universitätslehrgang, der sich neben berufstätigen Personen aus dem pflegenden und medizinischen Bereich auch an Ehrenamtliche richtet. Der Lehrgang gliedert sich in drei Stufen und schließt mit einem Masterabschluss. Der erste Teil ist interprofessionell konzipiert und wird an zehn Standorten in Österreich angeboten. Wer sich ehrenamtlich in der Lebens-, Sterbe- und Trauerbegleitung engagieren möchte, braucht diese Basisausbildung. Und: "Bei der Arbeit auf einer palliativen Station oder in einem Hospiz sind wir auf ehrenamtliche Mitarbeiter angewiesen", sagt Schlömmer, die lange als Pflegerin auf einer Kinderintensivstation gearbeitet hat.

Eva Tinsobin hat 2014 diese Ausbildung am Kardinal-König-Haus in Wien gemacht. Seit 2016 koordiniert sie die ehrenamtlichen Mitarbeiter auf der Palliativstation St. Raphael im Krankenhaus Göttlicher Heiland in Wien. "Bei den Ehrenamtlichen im Krankenhaus gibt es noch die alte Garde, die teilweise über 80 ist. Es kommen aber auch immer mehr Junge nach", sagt sie. "Ich habe den Eindruck, es liegt zurzeit im Trend, sich mit Sterben und Tod auseinanderzusetzen."

Seit 1995 werden schwer Erkrankte im Hospiz Rennweg betreut und auf ihrem letzten Weg begleitet. Wir haben vor Ort mit Menschen gesprochen, über den Umgang mit ihrer Krankheit, über den Tod und ihr bisheriges Leben.
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Einfach da sein

Die Ausbildung für Ehrenamtliche dauert ein Semester und ist berufsbegleitend. Bevor man starten kann, müssen die Teilnehmer ein einwöchiges Praktikum auf einer Palliativstation oder in einem Hospiz machen. Hauptberuflich arbeitet Tinsobin beim Roten Kreuz, auch hier in der Koordination der Freiwilligen. "Beim Roten Kreuz bekommen wir manchmal bis zu fünf Bewerbungen in der Woche von jungen Menschen, die ehrenamtlich im St.-Anna-Kinderspital arbeiten möchten." Viele wüssten nicht, worauf sie sich dabei einlassen. Daher sei das Praktikum im Vorfeld wichtig.

"Einfach ‚nur‘ da sein und aushalten können" ist für Tinsobin bei der ehrenamtlichen palliativen Pflege oft das Wichtigste. "Auf der Station gibt es zehn Betten, wir gehen zu jedem, der uns braucht. Unser Ansatz ist: Auch wenn es nur zu einer beglückenden Minute kommt, ist es das Größte. Denn vielleicht sieht man den Patienten kein weiteres Mal." Die ehrenamtlichen Mitarbeiter sind aber auch für die Angehörigen da. "Oft erzählen uns Familienmitglieder Sachen, die sie sonst niemandem erzählen." Belastende Situationen können gleich vor Ort im Team besprochen werden, darüber hinaus gebe es für Ehrenamtliche alle zwei Monate die Möglichkeit zur Supervision.

Kommunikation sei bei der palliativen Pflege das wichtigste Werkzeug, sagt Lehrgangsleiterin Schlömmer. Auch wenn der Tod permanent spürbar sei, sei die Fluktuation auf palliativen Stationen nicht so hoch wie auf anderen Krankenhausstationen, ergänzt sie. "Die Belastungsfaktoren halten sich in Grenzen."

Dem kann Tinsobin zustimmen: "Auf drei, vier Patienten hier auf der Palliativstation kommt eine diplomierte Pflegekraft." Die ehrenamtliche Mitarbeit sei nicht nur auf Besuchsdienste begrenzt, im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten werde auch die Pflege unterstützt. Rund die Hälfte der Patienten könne die Station auch wieder verlassen.

Zwar gebe es für die Betroffenen keine Chance auf Heilung, aber meist könnten Symptome gelindert und die Lebensqualität erhöht werden, ergänzt Tinsobin. "Es gibt, selten aber doch, auch Patienten, die nicht mehr wollen. Bisher mussten sie das aushalten." Das neue Gesetz schaffe hier neue Möglichkeiten, die jedoch unter Berücksichtigung jeglicher ethischer Aspekte geprüft werden müssten. (Gudrun Ostermann, 31.10.2021)