Zwischen dem kaufmännischen Direktor Lukas Crepaz und Intendant Markus Hinterhäuser (re.) wird ein Platz frei. Helga Rabl-Stadler geht.

Foto: Festspiele

Dass Angela Merkel und Helga Rabl-Stadler demnächst fast parallel ihren Ämtern Adieu sagen, rückt – trotz aller Unvergleichbarkeit – ein paar interessante Ähnlichkeiten ins Licht: So wie Merkel als Symbol für Kontinuität unzählige Staatsoberhäupter kommen und gehen gesehen hat, so hat die Langzeitpräsidentin der Salzburger Festspiele einige Intendanten (mitunter sehr gerne) an sich vorbeiziehen lassen. Und wie deutsche Kanzlerin wurde auch Rabl-Stadler zum Symbol für verlässliches Krisenmanagement.

Rabl-Stadler ist jedoch nicht nur in das Amt hineingewachsen – wie Merkel. Die Funktion selbst, welche in der Karajan-Ära die Wünsche dieses dirigierenden Musikimperiums erfüllen durfte, hat sich mit Rabl-Stadler quasi zur Bedeutsamkeit mitentwickelt.

In Teilen ist der Präsidentin diese Aura allerdings einfach auch durch die Ereignisüberraschungen zugefallen: Nach der erfrischenden Erneuerungsära von Gerard Mortier, der das Amt übrigens samt Präsidentin auch bald abschaffen wollte, begann ja eine Phase der bisweilen krisenhaften Salzburger Intendantenwechsel.

Kommen und Gehen

Nach dem profunden, aber doch teils blitzlichtscheuen Peter Ruzicka, für den Rabl-Stadler ein Stück weit die Außendarstellung der Festspiele übernahm, kam Theatermann Jürgen Flimm, der auch nicht lange blieb und für ein Jahr sogar von Markus Hinterhäuser vertreten wurde. Zu Rabl-Stadlers Enttäuschung folgte dann Zampano Alexander Pereira, der Großfestspiele veranstalten wollte und konnte und als Sponsorenmagnet Rabl-Stadler wohl genüsslich in den Schatten stellte. Pereira forderte und überforderte schließlich aber sich selbst und das ob seiner Pläne und Finanzideen reservierte Kuratorium und ging an die Mailänder Scala.

Mit Pereiras auch übereilten Weggang erreichte Rabl-Stadler unfreiwillig aber den Gipfel ihrer Macht. Im Übergang zu ihrem Wunschintendanten Hinterhäuser betreute sie die Festspiele (2015, 2016) mit Sven-Eric Bechtolf erfolgreich. Was aber auch hieß, Teile des von Pereira geplanten Programms umzusetzen.

Doch sehr wichtig

Dieses Namedropping der Intendanten zeigt: In Krisenzeiten ist die Präsidentschaft ein Sicherheitsnetz für die Festspiele – es verhält sich Sache wie beim Bundespräsidenten. Er scheint nur dann überflüssig, so alles problemlos läuft. Je mehr Katastrophen und Baustellen (auch im wörtlichen Sinne), desto mehr Agenden fließen jedoch bei der Salzburger Präsidentschaft zusammen wie beim Präsidenten eben auch.

Die in der Ausschreibung angeführten Anforderungen für den Posten von Rabl-Stadler lesen sich denn auch als Konsequenz aus den bisherigen Erfahrungen der jüngeren Festspielgeschichte.

Schwere Sache

Da hätte es mutmaßlich auch Rabl-Stadler selbst schwer: Da ist von "großen Investitionen in die Festspielhäuser" die Rede, die "mit dem Kaufmännischen Direktor" umzusetzen sind. Da werden "umfassende Kenntnisse des Kulturlebens, ein Grundverständnis für die künstlerische Leitung/Intendanz sowie die kaufmännischen Agenden" verlangt – nebst perfektem Englisch, Führungskompetenz, unternehmerischem Gestaltungswillen und sozialen, integrativen und vermittelnden Fähigkeiten.

Nicht zu vergessen: glanzvolle Auftritte auf dem internationalen wie auch regionalen Salzburger Parkett als Kompetenzbeilage, zudem auch das Gewinnen von Sponsoren und Mäzenen. Da ist jenen Namen, die bisher kolportiert wurden, viel Glück zu wünschen, falls einer es wird!

Die Namen

Gemunkelt wird, dass Landeshauptmann Wilfried Haslauer dereinst vielleicht doch das Amt begehren und als Platzhalterin Landtagspräsidentin Brigitta Pallauf durchboxen könnte. Genannt werden auch Wirtschaftsanwalt Johannes Honsig-Erlenburg (Präsident der Stiftung Mozarteum) oder Bald-ORF-Ex-Intendant Alexander Wrabetz. Zudem stehen Europaministerin Karoline Edtstadler, Sängerin Angelika Kirchschlager und Elisabeth Resmann (Leiterin des Domquartiers) im Raum. Ja, und die frühere Außenministerin Ursula Plassnik.

Glück ist aber auch Markus Hinterhäuser und dem Kaufmännischen Direktor Lukas Crepaz zu wünschen. Mit Rabl-Stadler ergaben sie eine Art "Super-Intendanten", der künstlerisch reüssiert, an den Rahmenbedingungen tüftelt und auch Corona vorbildlich bewältig hat. Was intern – wie hitzig auch immer – debattiert wird, für Salzburger Verhältnisse wirkt das Trio regelrecht familiär. Traditionelle Salzburger Allegorien wie "Animosität", "Superego" und "Machtallüre" sucht man auf der Bühne der Öffentlichkeit vergeblich. Es scheint produktive Ruhe zu herrschen.

Nicht nur Politiker

Sollte das Kuratorium also nicht in einem Anfall von Innovation die Dreifaltigkeit der Direktoriumsstruktur aufbrechen und statt der Präsidentschaft etwa eine moderne Abteilung für Sponsoring und Marketing schaffen wollen, möge es jemanden wählen, der Hinterhäuser für künstlerische Überlegungen freispielt und Crepaz bei anstehenden geldintensiven Vorhaben unterstützt. ÖVP-Zugehörigkeit darf nicht reichen und würde ob der bundespolitischen Chat-Erkenntnisse peinlich unverbesserlich wirken...

In sorgenvoller Voraussicht scheinen die Salzburger Festspiele selbst in einer Präambel aus dem ersten Corona-Jahr regelrecht zu mahnen: "Die Festspiele wollen ein vorbildlicher Arbeitgeber für ihre hochqualifizierten Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen sein", steht da und sollte wohl auch die Leitung selbst betreffen.

Natürlich wäre im Übrigen Angela Merkel eine exzellente, elegante Wahl. Sie wird sich aber wohl leider nicht bewerben, nicht an der Ausschreibung teilnehmen, die bis 1. November läuft. (Ljubiša Tošic, 30.10.2021)