Das deutsche Bundesverdienstkreuz soll im November an den israelischen Historiker Gideon Greif gehen, der die Verbrechen in Bosnien-Herzegowina verharmlost.

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Der israelische Historiker Gideon Greif, der die sogenannte "Unabhängige Internationale Kommission zur Erforschung des Leidens der Völker in der Region Srebrenica" leitete, wird demnächst vom deutschen Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Greif wird von Steinmeier wegen seiner Verdienste um die Holocaust-Forschung ausgezeichnet.

Die Auszeichnung von Greif, die diesen Monat stattfinden soll, sorgt in Bosnien-Herzegowina unter den Angehörigen der Opfer des Genozids von Srebrenica für Empörung. Denn die Greif-Kommission, die von der autokratisch geführten Republika Srpska, einem der beiden Landesteile von Bosnien-Herzegowina eingesetzt wurde, behauptete fälschlicherweise, dass in Srebrenica während des Bosnien-Kriegs 3.500 Bosniaken und 2.000 Serben getötet worden seien.

Tatsächlich wurden allein im Juli 1995 im Raum rund um Srebrenica über 8000 Menschen mit muslimischen Namen (Bosniaken) – vorwiegend, aber nicht nur Männer und Burschen – von bosnisch-serbischen Milizen unter dem Kommando des damaligen Generals Ratko Mladić ermordet. Ziel dieser ethnischen Säuberungen, die bereits im Jahr 1992 begannen, war, dass im Drina-Tal nur mehr Menschen mit serbisch-orthodoxen Namen leben sollten, um das Gebiet später an ein Großserbien anzugliedern.

Verharmlosen, glorifizieren

Das Internationale Jugoslawien-Tribunal hat in zahlreichen Urteilen die Verbrechen im Juli 1995 gegen Menschen mit muslimischen Namen als Völkermord gewertet. Nationalisten, die noch immer die alten Kriegsziele verfolgen, versuchen seit vielen Jahren das Ausmaß der Verbrechen zu verharmlosen und die Kriegsverbrecher zu glorifizieren. Deswegen hat der frühere Hohe Repräsentant der Internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, Valentin Inzko, dieses Jahr ein Gesetz erlassen, das die Verleugnung und Verharmlosung von Kriegsverbrechen unter Strafe stellt. Dabei geht es um alle Kriegsverbrechen – egal, von wem sie begangen wurden. Seit der Einführung des Gesetzes ist das Ausmaß der Leugnung von Kriegsverbrechen und die Verherrlichung von Kriegsverbrechern in Bosnien-Herzegowina zurückgegangen.

Der stellvertretende Geschäftsführer des Jüdischen Weltkongresses, Menachem Z. Rosensaft, kritisierte die Greif-Kommission vergangenen Sommer scharf und nannte deren Bericht "peinlich." Rosensaft wies darauf hin, dass die "selbst ernannte" Untersuchungskommission auf Initiative eines "separatistischen, den Völkermord leugnenden Führers der bosnischen Serben" eingesetzt wurde, und bezog sich dabei auf das serbische Mitglied des bosnischen Staatspräsidiums, Milorad Dodik.

Manipulation

"Als Sohn zweier Überlebender von Auschwitz und Bergen-Belsen, die sich zutiefst dafür eingesetzt haben, Beweise für die Verbrechen, die während des Holocaust gegen das europäische Judentum verübt wurden, an zukünftige Generationen weiterzugeben, bin ich besonders entsetzt über die schamlose Manipulation der Wahrheit durch den Bericht. Es ist ein Dokument, das es verdient, auf den Mülleimer der Geschichte geworfen zu werden, das nur verwendet wird, um das moralische Versagen von Individuen zu demonstrieren – den sprichwörtlichen "nützlichen Idioten" –, die Völkermord leugnen und verzerren", schrieb Rosensaft.

Dodik, der in den vergangenen Wochen so extrem wie noch nie damit drohte, die Republika Srpska abzuspalten und damit das alte Kriegsziel eines Großserbiens zu erreichen, versucht die Verbrechen gegen Menschen mit muslimischen oder katholischen Namen in Bosnien-Herzegowina seit Jahren zu verharmlosen, um für die Republika Srpska mehr Legitimität zu schaffen. So wurde von diesen Revisionisten wie Dodik immer wieder behauptet, dass der Völkermord in Srebrenica eine Folge von Angriffen seitens der Armee von Bosnien-Herzegowina gewesen sei.

Verlassen und verraten

Dieser kruden These folgte auch der österreichische Schriftsteller Peter Handke, der von einem "Rachemassaker" sprach. Angesichts des Versuchs von Dodik, den bosnischen Staat zu zerstören und der mangelnden Hilfe der Internationalen Gemeinschaft in dieser Frage, fühlen sich viele Bosnierinnen und Bosnier in diesen Tagen wieder einmal von Europa verraten und verlassen. (Adelheid Wölfl, 1.11.2021)