Unter dem Motto "Es gibt kein Zurück mehr" versammelten sich am Samstag hunderttausende Menschen im Sudan gegen die Militärregierung. Am Sonntag ging es weiter.

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Khartum – Trotz tödlicher Schüsse der Sicherheitskräfte auf Demonstranten am Samstag sind die Proteste gegen den Militärputsch im Sudan am Sonntag fortgesetzt worden. Mit Einbruch der Nacht hatten sich die Kundgebungen in der Hauptstadt Khartum und der Nachbarstadt Omdurman aufgelöst, am Sonntagmorgen errichteten Demonstranten aber erneut Barrikaden aus Steinen und Autoreifen.

Viele Regierungsangestellte verweigerten im Rahmen einer landesweiten Protestaktion weiter die Arbeit, Geschäfte in der Hauptstadt blieben weitgehend geschlossen.

Große Proteste

Am Samstag waren in zahlreichen Städten Zehntausende Menschen auf die Straßen gegangen. Demonstranten in Khartum riefen Sprechchöre wie "Nein, nein zur Militärherrschaft". In Omdurman hätten die Sicherheitskräfte scharfe Munition verwendet und drei Protestierende erschossen, erklärte das Zentralkomitee sudanesischer Ärzte auf Twitter. Auch seien mehr als hundert Menschen durch das gewaltsame Vorgehen oder durch Tränengas verletzt worden.

Die Kritiker des Militärs trotzten einem Großaufgebot der Sicherheitskräfte. Soldaten hatten Brücken blockiert, welche die Hauptstadt mit den Nachbarstädten verbinden, und Kontrollpunkte an Hauptverkehrsstraßen eingerichtet. Die zeitweise unterbrochenen Telefonverbindungen waren am Sonntag weitgehend wiederhergestellt, der Internetzugang blieb jedoch stark eingeschränkt.

Zwölf Demonstranten getötet

Seitdem das Militär am Montag die Macht in dem nordostafrikanischen Land übernommen hat, gehen landesweit täglich tausende Menschen auf die Straße. Bei Konfrontationen mit den Sicherheitskräften hatte es zuvor bereits Tote gegeben. Nach Angaben des Ärzteverbandes wurden inzwischen zwölf Demonstranten getötet.

Trotz der Gewalt hatte die Demokratiebewegung für das Wochenende zu einem "Millionenmarsch" gegen die Machtübernahme des Militärs aufgerufen – ähnlich wie bei den Massenprotesten, die 2019 zum Sturz des langjährigen Machthabers Omar al-Bashir geführt hatten. "Es gibt kein Zurück mehr" war auf Plakaten bei einer Kundgebung in Ost-Khartum zu lesen.

Sudans neuer Militärmachthaber General Abdel Fattah al-Burhan will innerhalb einer Woche einen neuen Regierungschef ernennen. Er stand bisher gemeinsam mit dem entmachteten Regierungschef Abdullah Hamduk an der Spitze einer Übergangsregierung. Nach dem Putsch verkündete er deren Auflösung. Zudem verhängte er einen Ausnahmezustand. Der UN-Sonderbeauftragte für Sudan, der Deutsche Volker Perthes, traf den unter Hausarrest gesetzten Hamduk. Über den Kurznachrichtendienst Twitter teilte er am Sonntag mit: "Wir haben Optionen für eine Vermittlung und den Weg vorwärts für den Sudan diskutiert."

Telefonleitungen und Internet blockiert

Laut dem sudanesischen Staatsfernsehen vom Sonntag will die Militärführung kommende Woche einen Ausschuss über das Schicksal der seit dem Putsch festgesetzten Politiker entscheiden lassen. Das Internet und viele Telefonleitungen sind weitgehend blockiert.

Im April 2019 wurde Langzeit-Machthaber Omar al-Bashir nach monatelangen Massenprotesten und einem Militärputsch aus dem Amt getrieben. Das Militär, angeführt von Al-Burhan, und die zivile Opposition einigten sich in einem Verfassungsabkommen auf eine gemeinsame Übergangsregierung, die den Weg zu Wahlen 2022 ebnen sollte. Demnach hätte sich Al-Burhan aus der Übergangsregierung bis Jahresende zurückziehen und Zivilisten Platz machen müssen.

Zudem plante die zivile Regierung umfangreiche wirtschaftliche Reformen, durch die das Militär erhebliche ökonomische Verluste hätte hinnehmen müssen. Das Militär war auch gegen eine vom entmachteten Regierungschef Hamduk vorangetriebene Aufarbeitung von Menschenrechtsverstößen, in die teilweise auch Al-Burhan und andere einflussreiche Generäle verwickelt gewesen sein sollen. (APA, 31.10.2021)