Die Reaktionen auf Zuckerbergs Vision eines Metaverse fallen großteils wenig euphorisch aus.

Foto: Meta

Eine Welt, in der die physische um eine digitale Präsenz erweitert wird, in der jederzeit über das Internet ein vielfältiges "Miteinander" möglich ist. Egal ob Konzertbesuch, Arbeit oder andere Bereiche des Lebens. Die Pläne von Mark Zuckerberg sind so ambitioniert, wie sie auch vage sind. Und ganz im Sinne dieser Zukunftsvision benannte er seinen Konzern auch gleich von Facebook in Meta um und rückt damit auch ein Stückweit jenes Netzwerk aus dem Rampenlicht, das in den letzten Jahren vor allem für Negativschlagzeilen gesorgt hat.

Doch Zuckerbergs umgetaufter Konzern und seine Ambition, ein digitales Metaverse aus dem Boden zu stampfen, stößt auf prominente Kritik. Gewohnt unverblümt richtete etwa die demokratische US-Abgeordnete Alexandria Ocasio-Cortez ihre Worte in Richtung des Meta-Firmensitzes in Menlo Park.

"Krebs für die Demokratie"

"Meta, wie in 'wir sind ein Krebs für die Demokratie, der zu einer globalen Überwachungs- und Propagandamaschine metastasiert, die autoritäre Regime stärkt und die Zivilgesellschaft zerstört, um Geld zu machen'", so ihre Reaktion auf die Präsentation vom vergangenen Donnerstag. Es ist nicht das erste Mal, dass sie Zuckerbergs Unternehmen mit der Erkrankung gleichsetzt.

Auch von ihrer Parteikollegin Elizabeth Warren war Ähnliches zu hören. Diese betonte, dass die Namensänderung nichts an den Problemen auf und durch das Facebook-Netzwerk oder das monopolistische Gebaren der Firma ändern würde. Das Stimmungsbild auf Seiten der Republikaner sieht kaum anders aus, es ist eine der wenigen Fragen, in der es zwischen den beiden US-Großparteien Einigkeit gibt.

Ex-Google-CEO Schmidt skeptisch

Nicht nur aus der Politik kommt viel Skepsis, auch in der Techbranche ist längst nicht jeder ein Fan des Metaverse. Beispielsweise Eric Schmidt, der von 2001 bis 2011 als CEO die Geschicke von Google lenkte und bis 2020 als Vorstandsvorsitzender des Konzerns agierte. Er teilt Zuckerbergs Prognose, dass die Technologie, die das Metaverse ermöglichen wird – speziell Virtual Reality -, bald "überall" zu finden sein wird. Doch das Konzept der digitalen Alternativwelt birgt seiner Ansicht nach beachtliche Risiken.

"Alle, die jetzt über das Metaverse sprechen, reden von einer Welt, die befriedigender als die reale Welt ist", so Schmidt zur New York Times. "Man ist reicher, schöner, stärker, schneller. In ein paar Jahren werden die Menschen mehr Zeit mit einer [VR-]Brille auf dem Kopf im Metaverse verbringen. Aber wer wird die Regeln festlegen? Die Welt wird mehr digital, denn physisch sein und das ist nicht notwendigerweise das Beste für die menschliche Gesellschaft."

Gerade der umfassende Einsatz von Künstlicher Intelligenz bereitet ihm Sorgen. "Wie sieht ein KI-gesteuerter bester Freund aus, besonders für ein Kind? Wie sieht ein KI-Krieg aus? Wird KI Dinge erkennen, die wir Menschen gar nicht begreifen können?"

Die Metaverse-Präsentation von Meta, dem Konzern der bis vor kurzem noch Facebook hieß.
Meta

Metaverse-Pionier sieht wenig Chancen

Ethan Zuckerman, er gilt als der Mann, der versehentlich Werbe-Pop-ups erfunden hat, glaubt wiederum nicht daran, dass das Metaverse sich durchsetzen kann. Dabei spricht er gegenüber dem Atlantic aus Erfahrung, hat er doch gemeinsam mit einem Freund schon Mitte der 1990er versucht, eine Art Metaverse umzusetzen. Die Inspiration kam vom Buch Snow Crash, das der bekannte Sci-Fi-Autor Neal Stephenson 1992 veröffentlicht hatte. Der dystopische Kontext des Werkes war den beiden Techenthusiasten damals jedoch weitgehend entgangen.

Beim später vor allem als Webhost bekannten Unternehmen Tripod bekamen sie die Möglichkeit, mit ihrem Konzept zu experimentieren. Auf Basis eines Multi-User-Dungeons – die textbasierte Frühform heutiger Onlinerollenspiele – bauten sie eine grafische Umgebung, die auf der realen Welt basierte. Dazu scannten sie Fotos der New Yorker Innenstadt ein, durch die man sich gemeinsam mit anderen Teilnehmern online über Pfeil-Buttons bewegen konnte.

Das Konzept war für damals, als das Internet gerade erst seinen Siegeszug antrat und man sich noch mit 56k-Modems verband, völlig neu. Man absolvierte erfolgreich eine erste Finanzierungsrunde und wähnte sich an vorderster Front der Innovation. Doch während die Macher selbst in der Lage waren, ihre Plattform als revolutionär und spannend zu präsentieren, fehlte es ihr in der Praxis an Verkaufsargumenten.

Sie war, so beschreibt Zuckerman, "fehlerhaft und umständlich und setzte voraus, dass man sich die Welt wie einen sechsseitigen Würfel aus Webseiten vorstellt." Das Projekt wurde letztlich vom Tripod-CEO abgedreht, der wenig Freude bei seinen Ausflügen ins virtuelle New York hatte. "Ich weiß es ist die Zukunft, aber wenn ich es nicht verwenden kann, kann ich es auch unseren Investore nicht verkaufen", meinte er.

"Schaut aus wie Müll"

Zuckerman gibt eine Reihe weiterer Beispiele für spätere Versuche, ein Metaverse zu bauen, die letztlich scheiterten – nicht nur an den damaligen Limitationen der Technologie. Genannt wird etwa auch Second Life, das für kurze Zeit zum Hype wurde und zahlreiche Unternehmen und Institutionen anlockte, die ihre eigenen Präsenzen in der Welt des MMOs einrichteten, sei es in Form von virtuellen Filialen oder gar eigenen Inseln.

Nach einigen Monaten begann der Zulauf wieder zu schwinden, denn kaum eine Firma, die in einen Second Life-Auftritt investierte, vermochte daraus abseits von ein paar Schlagzeilen für ihre Bemühungen nennenswerten Mehrwert zu generieren. Second Life existiert auch heute noch, wird aber hauptsächlich von Künstlern und kleineren anderen Communities genutzt.

Was im Präsentationsvideo für Mark Zuckerbergs Metaverse zu sehen war, unterscheidet sich laut Zuckerman nicht von dem, was man schon 1994 anstrebte. Viele der gezeigten Dinge konnte man auch schon damals oder später in Second Life machen, wenn auch vielleicht in technisch und grafisch simplerer Form.

"Er [Anm.: Zuckerberg] verspricht Technologien, die es erst in 5 oder 10 Jahren geben wird. Und trotzdem schaut es aus wie Müll", resümiert der Entwickler. Dabei meint er weniger die grafisch immer noch recht einfach gehaltene Umsetzung, sondern dass die Vision als Ganzes "langweilig" sei. Die gezeigte Zukunft seit "schon tausendmal erdacht".

Aus der Ferne miteinander Schach spielen und reden konnte man schon über das Minitel in den 1980ern, virtuelles Tischtennis mit Bewegungssteuerung gab es schon auf der Nintendo Wii und auch Videokonferenzen mit Arbeitskollegen sind längst Stand der Dinge. In dem ganzen Video habe er "keinen einzigen originellen Gedanken" gesehen.

Ein Spiegel für die kaputte Welt

Zudem ist auch Zuckerman besorgt über die Probleme, die schon von anderer Seite kritisiert werden. Auch unter dem Namen Meta scheint der Konzernchef mehr Interesse daran zu haben, sich im Kampf mit Google, Apple und Co zu behaupten, denn bestehende Probleme anzupacken. "Wie soll ein Unternehmen, das gerade einmal 6 Prozent aller Hassbotschaften in arabischer Sprache löscht, mit Hassrede umgehen, die auf dem T-Shirt eines digitalen Avatars steht oder bei einem digitalen Feuerwerk angezeigt wird?", fragt er sich.

"Beim Metaverse geht es nicht darum, perfekte virtuelle Notausgänge zu bauen, sondern unserer kaputten Welt den Spiegel vorzuhalten", meint Zuckerman. "Facebooks Metaverse hingegen soll uns von der Welt ablenken, bei deren Zerstörung es mitgewirkt hat." (gpi, 1.11.2021)